[337] Bergmannssage am Lemberg. – W.O.v. Horn, Bilder aus dem Nahethale S. 84.
In Bingart wohnte vor Zeiten ein Bergknappe, Namens Ernst, der sehr arm, aber dabei fromm und fröhlich, schlicht und recht war und gar artige Liedlein und liebliche Weisen singen konnte. Dabei war er der hübscheste Bursche weit und breit. Der arbeitete in den drei Zügen[337] jahraus jahrein fleißig, doch der Verdienst war gering. Zu Hause hatte er keine Seele, die ihm etwas hätte kochen können, darum aß er sein Stück Brod in der Grube, wenn die andern Knappen zu Mittag heim gingen. In dieser Ruhestunde schlief er einmal ein, und als er erwachte, sah er, daß eine Menge Erz neben ihm lag, das seine Haue nicht abgelöst hatte. Die Andern schalten ihn einen Nimmersatt, der sich keine Ruhe gönne, Ernst aber schwieg stille dazu. Des andern Mittags that er nur, als schlafe er, und sah ein winzig Männlein kommen, das mit Fäustel und Eisen für ihn arbeitete. »Glück auf!« rief er dem Männlein zu. Dieses wollte entfliehen, kam aber doch wieder zurück und sagte ihm, es habe für ihn gearbeitet, weil er so artige Liedlein singe. Und das ging so fort.
Eines Tags that einer der Knappen einen schweren Fall, so daß er nicht mehr recht arbeiten konnte und fortgeschickt werden sollte. Ernst, den der Mann mit Weib und Kindern jammerte, erbot sich, in der Ruhestunde für ihn zu arbeiten, und so durft' er bleiben und zog nach wie vor seinen Lohn. Der gute Berggeist half aber da treulich mit, denn er hatte seine Freude an dem wackeren Knappen.
Bald darauf sang Ernst nicht mehr, sondern war immer betrübt. Er hatte das schönste Mädchen von Hallgarten lieb gewonnen, das ihm jedoch der steinreiche Vater nicht geben wollte, weil er nur ein Bettelbube sei. Das Bergmännlein kam wieder und fragte, warum er so traurig sei. Als ihm der Bursche seine Noth klagte, fragte es wieder, ob er gar kein eigenes Feld besitze. »Nichts als eine Hecke am Lemberg hat mir meine Mutter hinterlassen,« sagte Ernst: »es wächst aber kaum ein Strauch darauf.« Der Berggeist bestellte ihn auf die Nacht, wenn der Mond scheine, damit er ihm das Fleckchen zeige. Ernst kam und das Männlein auch. Als sie an die armselige Hecke kamen, hüpfte das Männlein, klatschte in die Hände und rief einmal über das andere: »Da ist Ernesti Glück.« – Der Bursche meinte, dem Berggeist rapple es hinter der Stirne, der aber sagte: »Du bist reicher, als der Bauer in Hallgarten. Schurfe du morgen für dich, und bald wirst du freien können.« Und so war es auch. Ernst schurfte mit dem grauenden Tage auf seinem kleinen Eigenthum. Die Knappen lachten darüber, aber bald schwiegen sie und er lachte. Das Erz, das er fand, war reicher als das in den drei Zügen. Der reiche Bauer von Hallgarten schalt ihn keinen Bettelbuben[338] mehr und gab ihm die Tochter mit Freuden. Das Bergmännlein blieb dem Ernst hold, heutiges Tags aber sieht man es bisweilen recht traurig, weil die Grube Ernesti-Glück nicht mehr gebaut wird.