827. Kaiser Adolph's Tod.

[351] Von LaurianMooris.


Es neigte sich der Tag;

Ein nebeligtes Grau

Umfloß das Abendroth,

Umschwamm der Lüfte Blau;

Des Sturmes Fittig zog

In flatternden Gestalten,

Und immer mehr sah man

Die Schwingen ihn entfalten.


Dann Donner fürchterlich –

Und Blitze kreuz und quer

Durchzischten hell die Luft,

Als ob es Morgen wär'.

Die Vögel flogen wild,

Sich bergend in den Rissen

Des nahen Rosenthals

Vor Wind und Regengüssen.


Drin saß Imagina

Still betend am Altar,

Verworr'n und aufgelöst

Flog um den Hals das Haar.

Die Blicke unverwandt

Zur Mutter mit dem Kinde,

Vergaß im heißen Fleh'n

Sie Donner, Blitz und Winde.


Und harrend des Gemahls

Ward trüber stets ihr Blick,

Gen Albrecht zog er heut,

Und ließ sie hier zurück.

Das galt ein hartes Wort –

Das Schwert in ihrer Rechten

Wollt' sie zur Seite ihm

Des Reiches Glück verfechten.


Da nun der frühe Tag

Zum Kampf den Kaiser trieb

Und sie, auf sein Geheiß,

Ihn hier erwartend blieb –

Da hat ein langer Gram

Den freien Blick umhüllet,

Ein dunkles Ahnen ihr

Das reine Herz erfüllet.


Des Sturmes Wüthen sank!

Der Mond mit bleichem Licht

Umgab das weite Land

Mit freundlichem Gesicht.

Da schwankt Imagina

Heraus zum Kirchportale;

Und schaute in die Fern',

Und lauschte in die Thale.
[351]

Und durch die Föhren drang's

Wie rascher Pferde Tritt,

Und schnaufend näher kam's

Wie von zu langem Ritt.

Dann winseln hin und her

Wie von verlass'nen Hunden,

Die auf geroch'ner Spur

Den Herrn noch nicht gefunden.


Als sie zur Quelle kam

Die von dem Hügel floß,

Schoß dicht an ihr vorbei

Ein reiterloses Roß;

Zwei Bracken ihm zur Seit'

Mit kreischendem Gehetze,

Zernagend in der Wuth

Des Sattels lang Gesetze.


Ein greller Schrei entfuhr

Der ahnungsvollen Brust,

Und hin zur Erde sank

Imag'na unbewußt.

Es war des Kaisers Roß,

Verfolgt von seinen Hunden,

Die bei des Reiters Sturz

Vom Schlachtgewühl verschwunden.


Denn als nach langem Kampf

Der tapf're Adolph fiel,

Entfloh sein wildes Roß

Wohl ohne End' und Ziel;

Die Bracken hetzen drein,

Das rasche Thier zu lähmen,

Das ohne seinen Herrn

Versucht' die Flucht zu nehmen.


Und als zu neuer Qual

Erwacht Imagina,

Da stand das treue Paar

Bang winselnd vor ihr da;

Und sprang wohl lockend hin

Zum Weg, den es gekommen,

Und klagend dann zurück –

War sie nicht nachgekommen.


Sie folgte! – Es lag still

Besternt und lau die Luft,

Als wär' die Erd' ein Sarg

Der großen Weltengruft.

Sie folgte – Gott, als läg'

In diesem Sarg ein Leben,

Das selbst der Himmel nicht

Ihr könnte wiedergeben.


Jetzt Trümmer argen Kampfs –

Ein Rumpf dort – hier ein Bein

Dort Flehen um den Tod –

Hier um das Leben Schrei'n.

Die Hunde heulten bang,

Den finstern Weg sich bahnend,

Wie oft des Nachts sie's thun

Den Tod des Nachbars ahnend.


Dann standen sie verzagt,

Sich nähernd allgemach,

Wo an des Feindes Brust

Der todte Kaiser lag.

Da ihn zum letztenmal

Durchfuhr ein krampfhaft Recken

Versuchten mit Gebell

Sie froh ihn aufzuwecken.


Er schlief den langen Schlaf!

Noch in der Faust das Schwert,

Das sich in mancher Schlacht

So stark und treu bewährt.

Imag'na starb vor Gram.

Todt – mit den treuen Hunden –

Hat man sie eines Tags

Auf Adolph's Gruft gefunden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 351-352.
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