1.

[78] Auf der Heldenburg bei Salzderhelden läßt sich von Zeit zu Zeit eine weiße Jungfrau sehen. Sie hat ein weißes Kleid an und ein Schlüsselbund an der Seite. Ihr Haar ist blond, und in der Hand trägt sie einen Blumenstrauß. Sie winkt dem Menschen, der sie erblickt. Fragt dieser: was muß ich thun, um dich zu erlösen? so gibt sie auf, eine gewisse Blume zu pflücken, deren Standort sie bezeichnet. Ein Mensch ging hin zu der bezeichneten Stelle; als er aber hinkam, hatte er alles vergessen, was er thun sollte. Da rief sie jammernd aus: o weh meiner armen Seele, nun muß erst wieder der Baum zu der Wiege wachsen, worin das Kind groß gewiegt wird, welches mich erlösen kann![78]

Zuletzt ist sie dem Pastor Thiele erschienen, als dieser nach der Confirmation mit den Kindern nach dem Heldenberge ging, und zwar an der Stelle, wo früher das kleine Holz war. Sie winkte, aber der Pastor sagte: »Kinder kommt, laßt uns nach Hause gehn«, und ging fort.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 78-79.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.