31. Die Steinkirche bei Scharzfeld.

[24] Oberhalb des Dorfes Scharzfeld befindet sich an der Seite des Berges eine Höhle, die sogenannte Steinkirche. Die Spuren der einwirkenden Menschenhand treten darin mehrfach hervor, namentlich sind die Kanzel und der Altar noch deutlich zu erkennen. Es soll auch ehemals eine Glocke in der Kirche gehangen haben, und zwar dieselbe, die jetzt in dem Thurme der Scharzfelder Kirche hängt. An dieser Stelle hütete vor Zeiten der Hirt des Dorfes gern die Kühe, und während diese ruhig grasten, arbeitete er nur mit einem hölzernen Meißel und einem hölzernen Hammer emsig daran, die Höhle in eine Kirche zu verwandeln. Obwohl er nun, um unausgesetzt an der Kirche arbeiten zu können, die Kühe immer hieher trieb, so gediehen diese doch prächtig und waren im besten Stande. Er hatte aber Feinde, und diese stellten den Bauern vor, wie das Vieh nothwendig mager werden müsse, wenn es immer an derselben Stelle weide; der Hirt müsse es tiefer in den Wald hinein treiben. Die Bauern hörten auf diese Reden und befahlen dem Hirten, der sich vergebens auf das gute Aussehen seiner Kühe berief, die Heerde tiefer in den Wald hinein zu treiben. Dieser muste gehorchen und trieb nun die Kühe tiefer in den Wald, aber von dieser Zeit an nahmen sie ab und gaben statt Milch nichts als Blut; dies dauerte so lange fort, bis dem Hirten wieder erlaubt wurde die Kühe wie früher bei der Höhle weiden zu lassen. Da wurden die Thiere wieder kräftig und gaben reichlich Milch; der Hirt aber konnte nun ungehindert die Kirche vollenden.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 24.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.