1.

[62] Die Leine verlangt alle Jahre ihre zehn Opfer – de Leine fret alle jâr teine – und wenn diese auch nicht ertrinken, so kommen sie auf eine andere Weise um. So brachte in einem heißen Sommer eine Magd den Knechten des Hauses, welche vor Hollenstedt im Felde arbeiteten, ihr Essen. Sie war sehr durstig und fragte, ob sie in ihrem Kruge nicht noch etwas zu trinken hätten. Doch diese hatten alles ausgetrunken und sagten also, sie möchte doch hin zur nahen Leine gehn, die hier sehr seicht war, und daraus trinken. Das Mädchen ging auch hin, setzte sich an den Rand des Ufers und trank; sie stand aber nicht wieder auf, denn sie war todt.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 62.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.