32. A. Wer wird selig?

[320] Eine Sauhirtin verthat viel Geld und war deshalb immer in Noth. Um dieser ein Ende zu machen, citirte sie den Teufel[320] und bat ihn ihr Geld zu bringen. Dieser war auch dazu bereit, nur stellte er die eine Bedingung, daß ihm gehören solle, was auf dem Hofe zuerst geboren würde. Die Frau ging darauf gern ein, weil sie an ihre Sau dachte, die bald Junge werfen muste. Der Teufel brachte nun immer Geld, so daß es der Frau nie daran fehlte, aber gegen alle Erwartung gebar sie früher und zwar einen allerliebsten Knaben, der nun nach dem Vertrage dem Teufel verfallen war. Je mehr der Sohn heranwuchs, desto betrübter wurde die Mutter darüber. Diesem blieb ihre Betrübnis nicht verborgen, und als er einst recht in sie drang, theilte sie ihm die Ursache ihres Kummers mit. Der Sohn beruhigte sie und sagte, dafür wolle er schon Rath schaffen, er wolle in die weite Welt gehn, um zu erfahren, wie er dem Teufel entginge. Er that das und kam auf seiner Wanderung zu einem Wirthe, der mitten in einem Walde wohnte. Diesem erzählte er sein Schicksal und fragte ihn um Rath, wie er dem Teufel entgehn könnte. Der Wirth sagte, er selbst könne ihn nicht retten, aber im nahen Walde hause ein Räuber, der könne ihm helfen. Darauf ging er zu diesem und eröffnete ihm, weshalb er gekommen sei. Der Räuber sagte, er könne sich und auch ihm helfen, wenn er ihm ein Glied des Leibes nach dem anderen mit einer glühenden Zange abschneide. So that der Jüngling, der Räuber aber starb. Der Jüngling wanderte nun weiter und kam zu einem Pastor, dem er alles erzählte. Dieser sagte, wenn der Räuber selig würde, so wolle er auf die Seligkeit verzichten; für den sei nämlich in der Hölle schon ein glühender eiserner Stuhl bereit, in dem er sitzen müsse. Doch der Räuber ward, wie der Sohn der Sauhirtin selig, der Pastor dagegen kam in die Hölle und zwar in jenen Stuhl, der nach seiner Rede für den Räuber bestimmt gewesen war.

Quelle:
Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen 1855, S. 320-321.
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Niedersächsische Sagen und Märchen
Niedersächsische Sagen und Märchen : Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben. Nachdruck 1979 d. Ausgabe Göttingen 1855.