Gelegenheitsgedicht.

[154] Schön war der Abend, Frühlingsduft

Durchbalsamte die heitre Luft,

Und jeder Stern war aufgegangen,

Cytherens himmlich Feuermeer

Schoß zehnfach Stralen um sich her,

Und Nachtigallen sangen.
[154]

Doch Venus Stern und Frühlingsduft

Und Nachtigall und Abendluft

Vergaß ich in der Schäferstunde.

Den Gipfel aller Lust erstieg

Der Geist, und Balsam goß der Sieg

Sanft um den Rand der Pfirsichwunde.


Sprich Mädchen schlug im Busch und Thal,

Je eine schönre Nachtigall?

Ließ je ihr Lied dein Herz so wallen?

Und als sie müd vom Nachtgesang

Zahm auf den weißen Busen sprang,

Hat sie auch da Dir noch gefallen?
[155]

Wie auf dem jungen Zweig vergnügt

Sich Philomele einsam wiegt;

So wiegte sich auf Busenhügeln,

Und sah umher die Nachtigall,

Um sich zum neuen Flug ins Thal

Durch jeden Herzschlag zu beflügeln.


Druck mit der weichen Hand doch nur

Den Lieblingssproßer deiner Flur

An Dich, und spiel mit seinen Schwingen

Er ist ein kleines dankbars Thier,

Und wird für dies Geschmeichel Dir

Das schönste Ritornello singen.
[156]

Quelle:
[Johann Georg Scheffner]: Gedichte im Geschmack des Grecourt, Frankfurt; Leipzig 1771, S. 154-157.
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