Vierter Auftritt


[708] Agnes Sorel ein Kästchen in der Hand, zu den Vorigen.


KARL.

O meine Agnes! Mein geliebtes Leben!

Du kommst, mich der Verzweiflung zu entreißen!

Ich habe dich, ich flieh an deine Brust,

Nichts ist verloren, denn du bist noch mein.

SOREL.

Mein teurer König!


Mit ängstlich fragendem Blick umherschauend.


Dunois! Ists wahr?

Du Chatel?

DU CHATEL.

Leider!

SOREL.

Ist die Not so groß?

Es fehlt am Sold? Die Truppen wollen abziehn?

DU CHATEL.

Ja leider ist es so!

SOREL ihm das Kästchen aufdringend.

Hier, hier ist Gold,

Hier sind Juwelen – Schmelzt mein Silber ein –

Verkauft, verpfändet meine Schlösser – Leihet

Auf meine Güter in Provence – Macht alles

Zu Gelde und befriediget die Truppen.

Fort! Keine Zeit verloren!


Treibt ihn fort.


KARL.

Nun, Dunois? Nun, Du Chatel! Bin ich euch

Noch arm, da ich die Krone aller Frauen

Besitze? – Sie ist edel, wie ich selbst

Geboren, selbst das königliche Blut

Der Valois ist nicht reiner, zieren würde sie

Den ersten Thron der Welt – doch sie verschmäht ihn,

Nur meine Liebe will sie sein und heißen.

Erlaubte sie mir jemals ein Geschenk

Von höherm Wert, als eine frühe Blume

Im Winter oder seltne Frucht! Von mir[708]

Nimmt sie kein Opfer an, und bringt mir alle!

Wagt ihren ganzen Reichtum und Besitz

Großmütig an mein untersinkend Glück.

DUNOIS.

Ja sie ist eine Rasende wie du,

Und wirft ihr Alles in ein brennend Haus,

Und schöpft ins lecke Faß der Danaiden.

Dich wird sie nicht erretten, nur sich selbst

Wird sie mit dir verderben –

SOREL.

Glaub ihm nicht.

Er hat sein Leben zehenmal für dich

Gewagt und zürnt, daß ich mein Gold jetzt wage.

Wie? Hab ich dir nicht alles froh geopfert,

Was mehr geachtet wird als Gold und Perlen,

Und sollte jetzt mein Glück für mich behalten?

Komm! Laß uns allen überflüßgen Schmuck

Des Lebens von uns werfen! Laß mich dir

Ein edles Beispiel der Entsagung geben!

Verwandle deinen Hofstaat in Soldaten,

Dein Gold in Eisen, alles was du hast,

Wirf es entschlossen hin nach deiner Krone!

Komm! Komm! Wir teilen Mangel und Gefahr!

Das kriegerische Roß laß uns besteigen,

Den zarten Leib dem glühenden Pfeil der Sonne

Preisgeben, die Gewölke über uns

Zur Decke nehmen, und den Stein zum Pfühl.

Der rauhe Krieger wird sein eignes Weh

Geduldig tragen, sieht er seinen König

Dem Ärmsten gleich ausdauren und entbehren!

KARL lächelnd.

Ja, nun erfüllt sich mir ein altes Wort

Der Weissagung, das eine Nonne mir

Zu Clermont im prophetschen Geiste sprach.

Ein Weib, verhieß die Nonne, würde mich

Zum Sieger machen über alle Feinde,

Und meiner Väter Krone mir erkämpfen.

Fern sucht ich sie im Feindeslager auf,

Das Herz der Mutter hofft ich zu versöhnen,[709]

Hier steht die Heldin, die nach Reims mich führt,

Durch meiner Agnes Liebe werd ich siegen!

SOREL.

Du wirsts durch deiner Freunde tapfres Schwert.

KARL.

Auch von der Feinde Zwietracht hoff ich viel –

Denn mir ist sichre Kunde zugekommen,

Daß zwischen diesen stolzen Lords von England

Und meinem Vetter von Burgund nicht alles mehr

So steht wie sonst – Drum hab ich den La Hire

Mit Botschaft an den Herzog abgefertigt,

Ob mirs gelänge, den erzürnten Pair

Zur alten Pflicht und Treu zurückzuführen –

Mit jeder Stunde wart ich seiner Ankunft.

DU CHATEL am Fenster.

Der Ritter sprengt soeben in den Hof.

KARL.

Willkommner Bote! Nun so werden wir

Bald wissen, ob wir weichen oder siegen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 708-710.
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