Vierter Auftritt


[737] Johanna mit der Fahne, im Helm und Brustharnisch, sonst aber weiblich gekleidet, Dunois, La Hire, Ritter und Soldaten zeigen sich oben auf dem Felsenweg, ziehen still darüber hinweg, und erscheinen gleich darauf auf der Szene.


JOHANNA zu den Rittern, die sie umgeben, indem der Zug oben immer noch fortwährt.

Erstiegen ist der Wall, wir sind im Lager!

Jetzt werft die Hülle der verschwiegnen Nacht

Von euch, die euren stillen Zug verhehlte,

Und macht dem Feinde eure Schreckensnähe

Durch lauten Schlachtruf kund – Gott und die Jungfrau!

ALLE rufen laut unter wildem Waffengetös.

Gott und die Jungfrau!


Trommeln und Trompeten.


SCHILDWACHE hinter der Szene.

Feinde! Feinde! Feinde!

JOHANNA.

Jetzt Fackeln her! Werft Feuer in die Zelte!

Der Flammen Wut vermehre das Entsetzen,[737]

Und drohend rings umfange sie der Tod!


Soldaten eilen fort, sie will folgen.


DUNOIS hält sie zurück.

Du hast das Deine nun erfüllt, Johanna!

Mitten ins Lager hast du uns geführt,

Den Feind hast du in unsre Hand gegeben.

Jetzt aber bleibe von dem Kampf zurück,

Uns überlaß die blutige Entscheidung.

LA HIRE.

Den Weg des Siegs bezeichne du dem Heer,

Die Fahne trag uns vor in reiner Hand,

Doch nimm das Schwert, das tödliche, nicht selbst,

Versuche nicht den falschen Gott der Schlachten,

Denn blind und ohne Schonung waltet er.

JOHANNA.

Wer darf mir Halt gebieten? Wer dem Geist

Vorschreiben, der mich führt? Der Pfeil muß fliegen,

Wohin die Hand ihn seines Schützen treibt.

Wo die Gefahr ist, muß Johanna sein,

Nicht heut, nicht hier ist mir bestimmt zu fallen,

Die Krone muß ich sehn auf meines Königs Haupt,

Dies Leben wird kein Gegner mir entreißen,

Bis ich vollendet, was mir Gott geheißen.


Sie geht ab.


LA HIRE.

Kommt, Dunois! Laßt uns der Heldin folgen,

Und ihr die tapfre Brust zum Schilde leihn!


Beide ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 737-738.
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