Eilfter Auftritt


[789] Die Vorigen. Thibaut tritt aus der Menge und steht Johanna gerade gegenüber.


MEHRERE STIMMEN.

Ihr Vater!

THIBAUT.

Ja ihr jammervoller Vater,

Der die Unglückliche gezeugt, den Gottes

Gericht hertreibt, die eigne Tochter anzuklagen.

BURGUND.

Ha! Was ist das!

DU CHATEL.

Jetzt wird es schrecklich tagen!

THIBAUT zum König.

Gerettet glaubst du dich durch Gottes Macht?

Betrogner Fürst! Verblendet Volk der Franken!

Du bist gerettet durch des Teufels Kunst.


Alle treten mit Entsetzen zurück.


DUNOIS.

Rast dieser Mensch?[789]

THIBAUT.

Nicht ich, du aber rasest,

Und diese hier, und dieser weise Bischof,

Die glauben, daß der Herr der Himmel sich

Durch eine schlechte Magd verkünden werde.

Laß sehn, ob sie auch in des Vaters Stirn

Der dreisten Lüge Gaukelspiel behauptet,

Womit sie Volk und König hinterging.

Antworte mir im Namen des Dreieinen,

Gehörst du zu den Heiligen und Reinen?


Allgemeine Stille, alle Blicke sind auf sie gespannt, sie steht unbeweglich.


SOREL.

Gott, sie verstummt!

THIBAUT.

Das muß sie vor dem furchtbarn Namen

Der in der Höllen Tiefen selbst

Gefürchtet wird! – Sie eine Heilige,

Von Gott gesendet! – An verfluchter Stätte

Ward es ersonnen, unterm Zauberbaum,

Wo schon von alters her die bösen Geister

Den Sabbat halten – hier verkaufte sie

Dem Feind der Menschen ihr unsterblich Teil,

Daß er mit kurzem Weltruhm sie verherrliche.

Laßt sie den Arm aufstreifen, seht die Punkte,

Womit die Hölle sie gezeichnet hat!

BURGUND.

Entsetzlich! – Doch dem Vater muß man glauben,

Der wider seine eigne Tochter zeugt!

DUNOIS.

Nein, nicht zu glauben ist dem Rasenden,

Der in dem eignen Kind sich selber schändet!

SOREL zur Johanna.

O rede! Brich dies unglückselge Schweigen!

Wir glauben dir! Wir trauen fest auf dich!

Ein Wort aus deinem Mund, ein einzig Wort

Soll uns genügen – Aber sprich! Vernichte

Die gräßliche Beschuldigung – Erkläre,

Du seist unschuldig, und wir glauben dir.


Johanna steht unbeweglich, Agnes Sorel tritt mit Entsetzen von ihr hinweg.


LA HIRE.

Sie ist erschreckt. Erstaunen und Entsetzen

Schließt ihr den Mund. – Vor solcher gräßlichen[790]

Anklage muß die Unschuld selbst erbeben.


Er nähert sich ihr.


Faß dich, Johanna. Fühle dich. Die Unschuld

Hat eine Sprache, einen Siegerblick,

Der die Verleumdung mächtig niederblitzt!

In edelm Zorn erhebe dich, blick auf,

Beschäme, strafe den unwürdgen Zweifel,

Der deine heilge Tugend schmäht.


Johanna steht unbeweglich. La Hire tritt entsetzt zurück, die Bewegung vermehrt sich.


DUNOIS.

Was zagt das Volk? Was zittern selbst die Fürsten?

Sie ist unschuldig – Ich verbürge mich,

Ich selbst, für sie mit meiner Fürstenehre!

Hier werf ich meinen Ritterhandschuh hin,

Wer wagts, sie eine Schuldige zu nennen?


Ein heftiger Donnerschlag, alle stehen entsetzt.


THIBAUT.

Antworte bei dem Gott, der droben donnert!

Sprich, du seist schuldlos. Leugn es, daß der Feind

In deinem Herzen ist, und straf mich Lügen!


Ein zweiter stärkerer Schlag, das Volk entflieht zu allen Seiten.


BURGUND.

Gott schütz uns! Welche fürchterliche Zeichen!

DU CHATEL zum König.

Kommt! Kommt, mein König! Fliehet diesen Ort!

ERZBISCHOF zur Johanna.

Im Namen Gottes frag ich dich. Schweigst du

Aus dem Gefühl der Unschuld oder Schuld?

Wenn dieses Donners Stimme für dich zeugt,

So fasse dieses Kreuz und gib ein Zeichen!


Johanna bleibt unbeweglich. Neue heftige Donnerschläge. Der König, Agnes Sorel,

Erzbischof, Burgund, La Hire und Du Chatel gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 789-791.
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