Siebzehnter Auftritt

[690] Voriger. Verrina. Romano mit einem Tableau. Sacco. Bourgognino. Calcagno.

Alle verneigen sich.


FIESCO ihnen entgegen, voll Heiterkeit. Willkommen, meine würdigen Freunde! Welche wichtige Angelegenheit führt Sie so vollzählig zu mir? – Du auch da, teurer Bruder Verrina? Ich würde bald verlernt haben, dich zu kennen, wären meine Gedanken nicht fleißiger um dich als meine Augen. Wars nicht seit dem letzten Ball, daß ich meinen Verrina entbehrte?

VERRINA. Zähl ihm nicht nach, Fiesco. Schwere Lasten haben indes sein graues Haupt gebeugt. Doch genug hievon.

FIESCO. Nicht genug für die wißbegierige Liebe. Du wirst mir mehr sagen müssen, wenn wir allein sind. Zu Bourgognio. Willkommen, Junger Held! Unsre Bekanntschaft ist noch grün, aber meine Freundschaft ist zeitig. Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?

BOURGOGNINO. Ich bin auf dem Wege.

FIESCO. Verrina, man sagt mir, daß dieser junge Kavalier dein Tochtermann werden soll. Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser[690] Wahl. Ich hab ihn nur einmal gesprochen, und doch würd ich stolz sein, wenn er der meinige wäre.

VERRINA. Dieses Urteil macht mich eitel auf meine Tochter.

FIESCO zu den andern. Sacco? Calcagno? – Lauter seltne Erscheinungen in meinen Zimmern! Beinahe möchte ich mich meiner Dienstfertigkeit schämen, wenn Genuas edelste Zierden sie vorübergehen. – Und hier begrüße ich einen fünften Gast, mir zwar fremd, doch empfohlen genug durch diesen würdigen Zirkel.

ROMANO. Es ist ein Maler schlechtweg, gnädiger Herr, Romano mit Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernährt, kein Wappen hat als seinen Pinsel und nun gegenwärtig ist, Mit einer tiefen Verbeugung. die große Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.

FIESCO. Ihre Hand, Romano. Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines Hauses. Ich liebe sie brüderlich. Kunst ist die rechte Hand der Natur. Diese hat nur Geschöpfe, jene hat Menschen gemacht. Was malen Sie aber, Romano?

ROMANO. Szenen aus dem nervigten Altertum. Zu Florenz steht mein sterbender Herkules, meine Kleopatra zu Venedig, der wütende Ajax zu Rom, wo die Helden der Vorwelt – im Vatikan wieder auferstehen.

FIESCO. Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschäftigung?

ROMANO. Er ist weggeworfen, gnädiger Herr. Das Licht des Genies bekam weniger Fett als das Licht des Lebens. Über einen gewissen Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone. Hier ist meine letzte Arbeit.

FIESCO aufgeräumt. Sie könnte nicht erwünschter gekommen sein. Ich bin heute ganz ungewöhnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine gewisse heroische Ruhe, ganz offen für die schöne Natur. Stellen Sie Ihr Tableau auf. Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten. Tretet herum, meine Freunde. Wir wollen uns ganz dem Künstler schenken. Stellen Sie Ihr Tableau auf.

VERRINA winkt den andern. Nun merket auf, Genueser!

ROMANO stellt das Gemälde zurecht. Das Licht muß von der Seite spielen. Ziehen Sie jenen Vorhang auf. Diesen lassen Sie fallen. Gut. Er tritt auf die Seite. Es ist die Geschichte der Virginia und des Appius Claudius.


Lange, ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.[691]


VERRINA in Begeisterung. Sprütz zu, eisgrauer Vater – Zuckst du, Tyrann? – Wie so bleich steht ihr, Klötze Römer – Ihm nach, Römer – das Schlachtmesser blinkt – Mir nach, Klötze Genueser – Nieder mit Doria! Nieder! Nieder! Er haut gegen das Gemälde.

FIESCO lächelnd zum Maler. Fodern Sie mehr Beifall? Ihre Kunst macht diesen alten Mann zum bartlosen Träumer.

VERRINA erschöpft. Wo bin ich? Wo sind sie hingekommen? Weg wie Blasen? Du hier, Fiesco? Der Tyrann lebt noch, Fiesco?

FIESCO. Siehst du? Über vielem Sehen hast du die Augen vergessen. Diesen Römerkopf findest du bewundernswert? Weg mit ihm. Hier das Mädchen blick an. Dieser Ausdruck wie weich, wie weiblich! Welche Anmut auch aus den welkenden Lippen! Welche Wollust im verlöschenden Blick! – Unnachahmlich! Göttlich, Romano! – Und noch die weiße, blendende Brust, wie angenehm noch von des Atems letzten Wellen gehoben! Mehr solche Nypmhen, Romano, so will ich vor Ihren Phantasien knien, und der Natur einen Scheidebrief schreiben.

BOURGOGNINO. Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?

VERRINA. Fasse Mut, Sohn. Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muß auf den unsrigen rechnen.

FIESCO zum Maler. Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano. Ihr Mark ist erschöpft. Sie rühren keinen Pinsel mehr an. Doch über des Künstlers Bewunderung vergeß ich, das Werk zu verschlingen. Ich könnte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben überhören. Nehmen Sie Ihr Gemälde weg. Sollt ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen, müßt ich Genua in Versatz geben. Nehmen Sie weg.

ROMANO. Mit Ehre bezahlt sich der Künstler. Ich schenke es Ihnen. Er will hinaus.

FIESCO. Eine kleine Geduld, Romano. Er geht mit majestätischem Schritt im Zimmer und scheint über etwas Großes zu denken. Zuweilen betrachtet er die andern fliegend und scharf; endlich nimmt er den Maler bei der Hand, führt ihn vor das Gemälde. Tritt her, Maler. Äußerst stolz und mit Würde. So trotzig stehst du da, weil du Leben auf toten Tüchern heuchelst, und große Taten mit kleinem Aufwand verewigst. Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie marklosem[692] Marionettenspiel, ohne Herz, ohne tatenerwärmende Kraft; stürzest Tyrannen auf Leinwand – bist selbst ein elender Sklave? Machst Republiken mit einem Pinsel frei – kannst deine eigene Ketten nicht brechen? Voll und befehlend. Geh! Deine Arbeit ist Gaukelwerk – der Schein weiche der TatMit Größe, indem er das Tableau umwirft. Ich habe getan, was du – nur maltest. Alle erschüttert. Romano trägt sein Tableau mit Bestürzung fort.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 690-693.
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