Fünfter Auftritt

[704] Alle Verschworene.


FIESCO ihnen entgegen. Das Wetter ist im Anzug. Die Wolken laufen zusammen. Tretet leis auf. Laßt beide Schlösser vorfallen.

VERRINA. Acht Zimmer hinter uns hab ich zugeriegelt, der Argwohn kann auf hundert Mannsschritte nicht beikommen.

BOURGOGNINO. Hier ist kein Verräter, wenns unsre Furcht nicht wird.

FIESCO. Furcht kann nicht über meine Schwelle. Willkommen, wer noch der Gestrige ist. Nehmt eure Plätze. Setzen sich.

BOURGOGNINO spaziert im Zimmer. Ich sitze ungern, wenn ich ans Umreißen denke.

FIESCO. Genueser, das ist eine merkwürdige Stunde.

VERRINA. Du hast uns aufgefodert, einem Plan zum Tyrannenmord nachzudenken. Frage uns. Wir sind da, dir Rede zu geben.[704]

FIESCO. Zuerst also – eine Frage, die spät genug kommt, um seltsam zu klingen – Wer soll fallen? Alle schweigen.

BOURGOGNINO indem er sich über Fiescos Sessel lehnt, bedeutend. Die Tyrannen.

FIESCO. Wohlgesprochen, die Tyrannen. Ich bitte euch, gebt genau acht auf die ganze Schwere des Worts. Wer die Freiheit zu stürzen Miene macht, oder Gewicht hat? – Wer ist mehr Tyrann?

VERRINA. Ich hasse den ersten, den letzten fürchte ich. Andreas Doria falle!

CALCAGNO in Bewegung. Andreas, der abgelebte Andreas, dessen Rechnung mit der Natur vielleicht übermorgen zerfallen ist?

SACCO. Andreas, der sanftmütige Alte?

FIESCO. Furchtbar ist dieses alten Mannes Sanftmut, mein Sacco, Gianettinos Tolltrotz nur lächerlich. Andreas Doria falle. Das sprach deine Weisheit, Verrina.

BOURGOGNINO. Ketten von Stahl oder Seide – Es sind Ketten, und Andreas Doria falle.

FIESCO zum Tisch gehend. Also den Stab gebrochen über Onkel und Neffen! Unterzeichnet! Alle unterschreiben. Das Wer? ist berichtigt. Setzen sich wieder. Nun, zum gleich merkwürdigen Wie? – Reden Sie zuerst, Freund Calcagno.

CALCAGNO. Wir führen es aus wie Soldaten oder wie Meuter. Jenes ist gefährlich, weil es uns zwingt, viele Mitwisser zu haben, gewagt, weil die Herzen der Nation noch nicht ganz gewonnen sind – diesem sind fünf gute Dolche gewachsen. In drei Tagen ist Hohe Messe in der Lorenzokirche. Beide Doria halten dort ihre Andacht. In der Nähe des Allerhöchsten entschläft auch Tyrannenangst. Ich sagte alles.

FIESCO abgewandt. Calcagno – abscheulich ist Ihre vernünftige Meinung – Raphael Sacco?

SACCO. Calcagnos Gründe gefallen mir, seine Wahl empört. Besser, Fiesco läßt Oheim und Neffen zu einem Gastmahle laden, wo sie dann, zwischen den ganzen Groll der Republik gepreßt, die Wahl haben, den Tod entweder an unsern Dolchen zu essen, oder in gutem Zyprier Bescheid zu tun. Wenigstens bequem ist diese Methode.

FIESCO mit Entsetzen. Sacco, und wenn der Tropfe Wein, den ihre[705] sterbende Zunge kostet, zum siedenden Pech wird, ein Vorschmack der Hölle – wie dann, Sacco? – Weg mit diesem Rat! Sprich du, Verrina.

VERRINA. Ein offenes Herz zeigt eine offene Stirn. Meuchelmord bringt uns in jedes Banditen Brüderschaft. Das Schwert in der Hand deutet den Helden. Meine Meinung ist, wir geben laut das Signal des Aufruhrs, rufen Genuas Patrioten stürmend zur Rache auf Er fährt vom Sessel. Die andern folgen, Bourgognino wirft sich ihm um den Hals.

BOURGOGNINO. Und zwingen mit gewaffneter Hand dem Glück eine Gunst ab? Das ist die Stimme der Ehre und die meinige.

FIESCO. Und die meinige. Pfui, Genueser! Zu Calcagno und Sacco. Das Glück hat bereits schon zuviel für uns getan, wir müssen uns selbst auch noch Arbeit geben. – Also Aufruhr, und den noch diese Nacht, Genueser! Verrina, Bourgognino erstaunen. Die andern erschrocken.

CALCAGNO. Was? noch diese Nacht? Noch sind die Tyrannen zu mächtig, noch unser Anhang zu dünne.

SACCO. Diese Nacht noch, und es ist nichts getan, und die Sonne geht schon bergunter?

FIESCO. Eure Bedenklichkeiten sind sehr gegründet, aber lest diese Blätter. Er reicht ihnen die Handschriften Gianettinos und geht, indes sie neugierig lesen, hämisch auf und nieder. Itzt fahre wohl, Doria, schöner Stern. Stolz und vorlaut standst du da, als hättest du den Horizont von Genua verpachtet, und sahest doch, daß auch die Sonne den Himmel räumt, und das Zepter der Welt mit dem Monde teilt. Fahre wohl, Doria, schöner Stern.

Auch Patroklus ist gestorben

Und war mehr als du.

BOURGOGNINO nachdem sie die Blätter gelesen. Das ist gräßlich!

CALCAGNO. Zwölf auf einen Schuß!

VERRINA. Morgen in der Signoria!

BOURGOGNINO. Gebt mir die Zettel. Ich reite spornstreichs durch Genua, halte sie so, so werden die Steine hinter mir springen, und die Hunde Zetermordio heulen.

ALLE. Rache! Rache! Rache! Diese Nacht noch![706]

FIESCO. Da seid ihr, wo ich euch wollte. Sobald es Abend wird, will ich die vornehmsten Mißvergnügte zu einer Lustbarkeit bitten, nämlich alle, die auf Gianettinos Mordliste stehen, und noch überdies die Sauli, die Gentili, Vivaldi und Vesodimari, alle Todfeinde des Hauses Doria, die der Meuchelmörder zu furchten vergaß. Sie werden meinen Anschlag mit offnen Armen umfassen, daran zweifle ich nicht.

BOURGOGNINO. Daran zweifl ich nicht.

FIESCO. Vor allem müssen wir uns des Meers versichern. Galeeren und Schiffsvolk hab ich. Die zwanzig Schiffe der Doria sind unbetakelt, unbemannt, leicht überrumpelt. Die Mündung der Darsena wird gestopft. Alle Hoffnung zur Flucht verriegelt. Haben wir den Hafen, so liegt Genua an Ketten.

VERRINA. Unleugbar.

FIESCO. Dann werden die festen Plätze der Stadt erobert und besetzt. Der wichtigste ist das Thomastor, das zum Hafen führt und unsre Seemacht mit der Landmacht verknüpft. Beide Doria werden in ihren Palästen überfallen, ermordet. In allen Gassen wird Lärm geschlagen, die Sturmglocken werden gezogen. Die Bürger herausgerufen, unsre Partei zu nehmen und Genuas Freiheit zu verfechten. Begünstiget uns das Glück, so hört ihr in der Signoria das Weitere.

VERRINA. Der Plan ist gut. Laß sehen, wie wir die Rollen verteilen.

FIESCO bedeutend. Genueser, ihr stelltet mich freiwillig an die Spitze des Komplotts. Werdet ihr auch meinen weitern Befehlen gehorchen?

VERRINA. So gewiß sie die besten sind.

FIESCO. Verrina, weißt du das Wörtchen unter der Fahne? – Genueser, sagts ihm, es heiße Subordination! Wenn ich nicht diese Köpfe drehen kann, wie ich eben will – Versteht mich ganz. Wenn ich nicht der Souverän der Verschwörung bin, so hat sie auch ein Mitglied verloren.

VERRINA. Ein freies Leben ist ein paar knechtischer Stunden wert – Wir gehorchen.

FIESCO. So verlaßt mich itzt. Einer von euch wird die Stadt visitieren, und mir von der Stärke und Schwäche der festen Plätze Rapport machen. Ein anderer erforscht die Parole. Ein dritter bemannt die[707] Galeeren. Ein vierter wird die zweitausend Mann nach meinem Schloßhof befördern. Ich selbst werde auf den Abend alles berichtigt haben, und noch überdies, wenn das Glück will, die Bank im Pharao sprengen. Schlag neun Uhr ist alles im Schloß, meine letzten Befehle zu hören. Klingelt.

VERRINA. Ich nehme den Hafen auf mich. Ab.

BOURGOGNINO. Ich die Soldaten. Auch ab.

CALCAGNO. Die Parole will ich ablauern. Ab.

SACCO. Ich die Runde durch Genua machen. Ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 704-708.
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