[83] Die Prinzessin. Domingo.
DOMINGO.
Zu Ihren
Befehlen, gnädge Fürstin.
PRINZESSIN dem Herzog neugierig nachsehend.
Sind wir etwa
Nicht ganz allein? Sie haben, wie ich sehe,
Noch einen Zeugen bei sich?
DOMINGO.
Wie?
PRINZESSIN.
Wer war es,
Der eben jetzt von Ihnen ging?
DOMINGO.
Der Herzog
Von Alba, gnädge Fürstin, der nach mir
Um die Erlaubnis bittet, vorgelassen
Zu werden.
PRINZESSIN.
Herzog Alba? Was will der?[83]
Was kann er wollen? Wissen Sie vielleicht
Es mir zu sagen?
DOMINGO.
Ich? und eh ich weiß,
Was für ein Vorfall von Bedeutung mir
Das lang entbehrte Glück verschafft, der Fürstin
Von Eboli mich wiederum zu nähern?
Pause, worin er ihre Antwort erwartet.
Ob sich ein Umstand endlich vorgefunden,
Der für des Königs Wünsche spricht? ob ich
Mit Grund gehofft, daß beßre Überlegung
Mit einem Anerbieten Sie versöhnt,
Das Eigensinn, das Laune bloß verworfen?
Ich komme voll Erwartung –
PRINZESSIN.
Brachten Sie
Dem König meine letzte Antwort?
DOMINGO.
Noch
Verschob ichs, ihn so tödlich zu verwunden.
Noch, gnädge Fürstin, ist es Zeit. Es steht
Bei Ihnen, sie zu mildern.
PRINZESSIN.
Melden Sie
Dem König, daß ich ihn erwarte.
DOMINGO.
Darf
Ich das für Wahrheit nehmen, schöne Fürstin?
PRINZESSIN.
Für Scherz doch nicht? Bei Gott! Sie machen mir
Ganz bange. – Wie? Was hab ich denn getan,
Wenn sogar Sie – Sie selber sich entfärben?
DOMINGO.
Prinzessin, diese Überraschung – kaum
Kann ich es fassen –
PRINZESSIN.
Ja, hochwürdger Herr,
Das sollen Sie auch nicht. Um alle Güter
Der Welt möcht ich nicht haben, daß Sies faßten.
Genug für Sie, daß es so ist. Ersparen
Sie sich die Mühe, zu ergrübeln, wessen
Beredsamkeit Sie diese Wendung danken.
Zu Ihrem Trost setz ich hinzu: Sie haben
Nicht teil an dieser Sünde. Auch wahrhaftig[84]
Die Kirche nicht; obschon Sie mir bewiesen,
Daß Fälle möglich wären, wo die Kirche
Sogar die Körper ihrer jungen Töchter
Für höhre Zwecke zu gebrauchen wüßte.
Auch diese nicht. – Dergleichen fromme Gründe,
Ehrwürdger Herr, sind mir zu hoch –
DOMINGO.
Sehr gerne,
Prinzessin, nehm ich sie zurück, sobald
Sie überflüssig waren.
PRINZESSIN.
Bitten Sie
Von meinetwegen den Monarchen, ja
In dieser Handlung mich nicht zu verkennen.
Was ich gewesen, bin ich noch. Die Lage
Der Dinge nur hat seitdem sich verwandelt.
Als ich sein Anerbieten mit Entrüstung
Zurücke stieß, da glaubt ich im Besitze
Der schönsten Königin ihn glücklich – glaubte
Die treue Gattin meines Opfers wert.
Das glaubt ich damals – damals. Freilich jetzt,
Jetzt weiß ichs besser.
DOMINGO.
Fürstin, weiter, weiter.
Ich hör es, wir verstehen uns.
PRINZESSIN.
Genug,
Sie ist erhascht. Ich schone sie nicht länger.
Die schlaue Diebin ist erhascht. Den König,
Ganz Spanien und mich hat sie betrogen.
Sie liebt. Ich weiß es, daß sie liebt. Ich bringe
Beweise, die sie zittern machen sollen.
Der König ist betrogen – doch, bei Gott!
Er sei es ungerochen nicht! Die Larve
Erhabner, übermenschlicher Entsagung
Reiß ich ihr ab, daß alle Welt die Stirne
Der Sünderin erkennen soll. Es kostet
Mir einen ungeheuren Preis, doch – das
Entzückt mich, das ist mein Triumph – doch ihr
Noch einen größern.[85]
DOMINGO.
Nun ist alles reif.
Erlauben Sie, daß ich den Herzog rufe.
Er geht hinaus.
PRINZESSIN erstaunt.
Was wird das?
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