Dritte Szene

[819] Der Hofmarschall und Ferdinand.


HOFMARSCHALL ins Zimmer trippelnd. Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester –

FERDINAND vor sich hin murmelnd. Einem Schurken den Hals zu brechen. Laut. Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein – und ich Mit boshaftem Lachen. war zum Glück noch der Finder.

HOFMARSCHALL. Sie?

FERDINAND. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sies mit der Allmacht aus.

HOFMARSCHALL. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.

FERDINAND. Lesen Sie! Lesen Sie! Von ihm weggehend. Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht laß ich mich desto besser als Kuppler an. Während daß jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.

HOFMARSCHALL wirft den Brief auf den Tisch und will sich davonmachen. Verflucht!

FERDINAND fuhrt ihn am Arm zurück. Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen dünken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. Hier zeigt er ihm die Pistolen.

HOFMARSCHALL tritt bestürzt zurück. Sie werden vernünftig sein, Bester.

FERDINAND mit starker, schrecklicher Stimme. Mehr als zuviel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch. Nehmen Sie! dieses Schnupftuch da fassen Sie! – Ich habs von der Buhlerin.

HOFMARSCHALL. Über dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?

FERDINAND. Faß dieses End an, sag ich. Sonst wirst du ja fehlschießen, Memme! – Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, daß du zum erstenmal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. Hofmarschall macht sich auf die Beine. Sachte! Dafür wird gebeten sein. Er überholt ihn und riegelt die Türe.

HOFMARSCHALL. Auf dem Zimmer, Baron?[819]

FERDINAND. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte? – Schatz, so knallts desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geräusch, das du in der Welt machst – Schlag an!

HOFMARSCHALL wischt sich die Stirn. Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger hoffnungsvoller Mann?

FERDINAND. Schlag an, sag ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu tun.

HOFMARSCHALL. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.

FERDINAND. Du, Bursche? Was du? – Der Notnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu führen über die Stuhlgänge deines Herrn, und der Mietgaul seines Witzes zu sein? Ebenso gut. Ich führe dich wie irgendein seltenes Murmeltier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten, und mit deinen höfischen Künsten die ewige Verzweiflung belustigen.

HOFMARSCHALL. Was Sie befehlen, Herr, wie Sie belieben – Nur die Pistolen weg!

FERDINAND. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn! – Dasteht, dem sechsten Schöpfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tübinger Buchhändler dem Allmächtigen nachgedruckt hätte! – Schande nur, ewig Schande für die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schädel wuchert. Diese einzige Unze hätte dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht – Und mit diesem ihr Herz zu teilen? – Ungeheuer! Unverantwortlich! – Einem Kerl, mehr gemacht, von Sünden zu entwöhnen als dazu anzureizen.

HOFMARSCHALL. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.

FERDINAND. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch diesem zugute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirtschaft des Himmels, der auch mit Trebern und Bodensatz noch Kreaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Höfling im Schlamme der Majestäten den Tisch deckt – Zuletzt erstaunt man noch über die große Polizei der Vorsicht, die auch in[820] der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet. – Aber Indem seine Wut sich erneuert. an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es Den Marschall fassend und unsanft herumschüttelnd. so und so und wieder so durcheinanderquetschen.

HOFMARSCHALL für sich hin seufzend. O mein Gott! Wer hier weg wäre! Hundert Meilen von hier im Bicêtre zu Paris! nur bei diesem nicht!

FERDINAND. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! Wenn du genossest, wo ich anbetete? Wütender. Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fühlte? Plötzlich schweigt er, darauf fürchterlich. Dir wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn im Himmel begegnete! – Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!

HOFMARSCHALL. Lassen Sie mich los. Ich will alles verraten.

FERDINAND. O! es muß reizender sein, mit diesem Mädchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwärmen – Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie könnte den Wert der Seele herunterbringen, und die Tugend mit der Wollust verfälschen. Dem Marschall die Pistole aufs Herz drückend. Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!

HOFMARSCHALL. Es ist nichts – ist ja alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.

FERDINAND. Und daran mahnst du mich, Bösewicht? – Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!

HOFMARSCHALL. Mon Dieu! Meine Gott! Ich spreche ja – So hören Sie doch nur – Ihr Vater – Ihr eigener, leiblicher Vater –

FERDINAND grimmiger. Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!

HOFMARSCHALL. Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.

FERDINAND zurücktretend. Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr? – Die Millerin ist verloren um deinetwillen, du leugnest sie dreimal in einem Atem hinweg? – Fort, schlechter Kerl. Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stößt ihn aus dem Zimmer. Für deinesgleichen ist kein Pulver erfunden![821]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 819-822.
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