Fünfte Szene

[846] Miller, der zurückkommt, und Ferdinand.


MILLER. Gleich sollen Sie bedient sein, Baron. Draußen sitzt das arme Ding und will sich zu Tode weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Tränen zu trinken geben.

FERDINAND. Und wohl, wenns nur Tränen wären! – – Weil wir vorhin von der Musik sprachen, Miller – Eine Börse ziehend. Ich bin noch Sein Schuldner.

MILLER. Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofür halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, tun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir ja, wills Gott! nicht das letztemal beieinander.

FERDINAND. Wer kann das wissen? Nehm Er nur. Es ist für Leben und Sterben.

MILLER lachend. O deswegen, Baron! Auf den Fall, denk ich, kann mans wagen bei Ihnen.

FERDINAND. Man wagte wirklich – Hat Er nie gehört, daß Jünglinge gefallen sind – Mädchen und Jünglinge, die Kinder der Hoffnung, die Luftschlösser betrogener Väter – Was Wurm und Alter nicht tun, kann oft ein Donnerschlag ausrichten – Auch Seine Luise ist nicht unsterblich.

MILLER. Ich hab sie von Gott.

FERDINAND. Hör Er – Ich sag Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel an diese Tochter gehängt. Sei Er vorsichtig, Miller. Nur ein verzweifelter Spieler setzt alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermögen ladet – Hör Er, denk Er der Warnung nach – – Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht?

MILLER. Was, Herr? Die ganze allmächtige Börse? Wohin denken Euer Gnaden?

FERDINAND. Auf meine Schuldigkeit – Da! Er wirft den Beutel auf den Tisch, daß Goldstücke herausfallen. Ich kann den Quark nicht eine Ewigkeit so halten.

MILLER bestürzt. Was, beim großen Gott? Das klang nicht wie Silbergeld! Er tritt zum Tisch und ruft mit Entsetzen. Wie um aller[846] Himmel willen, Baron? Baron? Wo sind Sie? Was treiben Sie, Baron? Das nenn ich mir Zerstreuung! Mit zusammengeschlagenen Händen. Hier liegt ja – oder bin ich verhext, oder – Gott verdamm mich! Da greif ich ja das bare, gelbe, leibhafte Gottesgold – – Nein, Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen!

FERDINAND. Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller?

MILLER grob. Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin! – Gold!

FERDINAND. Und was nun weiter?

MILLER. Ins Henkers Namen – ich sage – ich bitte Sie um Gottes Christi willen – Gold!

FERDINAND. Das ist nun freilich etwas Merkwürdiges.

MILLER nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend, mit Empfindung. Gnädiger Herr, ich bin ein schlichter, gerader Mann, wenn Sie mich etwa zu einem Bubenstück anspannen wollen – denn so viel Geld läßt sich, weiß Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.

FERDINAND bewegt. Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld hat Er längst verdient, und Gott bewahre mich, daß ich mich mit Seinem guten Gewissen dafür bezahlt machen sollte.

MILLER wie ein Halbnarr in die Höhe springend. Mein also! Mein! Mit des guten Gottes Wissen und Willen, mein! Nach der Türe laufend, schreiend. Weib! Tochter! Viktoria! Herbei! Zurückkommend. Aber du lieber Himmel! wie komm ich denn so auf einmal zu dem ganzen grausamen Reichtum? Wie verdien ich ihn? Lohn ich ihn? Heh?

FERDINAND. Nicht mit Seinen Musikstunden, Miller – Mit dem Geld hier bezahl ich Ihm Von Schauern ergriffen, hält er inne. bezahl ich Ihm Nach einer Pause mit Wehmut. den drei Monat langen glücklichen Traum von Seiner Tochter.

MILLER faßt seine Hand, die er stark drückt. Gnädiger Herr! Wären Sie ein schlechter, geringer Bürgersmann – Rasch. und mein Mädel liebte Sie nicht – Erstechen wollt ichs, das Mädel. Wieder beim Geld, darauf niedergeschlagen. Aber da hab ich ja nun alles und Sie nichts, und da werd ich nun das ganze Gaudium wieder herausblechen müssen? Heh?

FERDINAND. Laß Er sich das nicht anfechten, Freund – Ich reise ab,[847] und in dem Land, wo ich mich zu setzen gedenke, gelten die Stempel nicht.

MILLER unterdessen mit unverwandten Augen auf das Gold hingeheftet, voll Entzückung. Bleibts also mein? Bleibts? – Aber das tut mir nur leid, daß Sie verreisen – Und wart, was ich jetzt auftreten will! Wie ich die Backen jetzt vollnehmen will! Er setzt den Hut auf und schießt durch das Zimmer. Und auf dem Markt will ich meine Musikstunden geben, und Numero fünfe Dreikönig rauchen, und wenn ich wieder auf den Dreibatzenplatz sitze, soll mich der Teufel holen. Will fort.

FERDINAND. Bleib Er! Schweig Er! und streich Er sein Geld ein. Nachdrücklich. Nur diesen Abend noch schweig Er, und geb Er, mir zu Gefallen, von nun an keine Musikstunden mehr.

MILLER noch hitziger und ihn hart an der Weste fassend, voll inniger Freude. Und Herr! meine Tochter! Ihn wieder loslassend. Geld macht den Mann nicht – Geld nicht – Ich habe Kartoffeln gegessen oder ein wildes Huhn; satt ist satt, und dieser Rock da ist ewig gut, wenn Gottes liebe Sonne nicht durch den Ärmel scheint – Für mich ist das Plunder – Aber dem Mädel soll der Segen bekommen, was ich ihr nur an den Augen absehen kann, soll sie haben –

FERDINAND fällt rasch ein. Stille, o stille –

MILLER immer feuriger. Und soll mir Französisch lernen aus dem Fundament, und Menuettanzen und Singen, daß mans in den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen wie die Hofratstöchter und einen Kidebarri, wie sies heißen, und von der Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit –

FERDINAND ergreift seine Hand mit der schrecklichsten Bewegung. Nichts mehr! Nichts mehr! Um Gottes willen, schweig Er still! Nur noch heute schweig Er still, das sei der einzige Dank, den ich von Ihm fordre![848]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 846-849.
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