Achter Auftritt

[581] Burleigh. Paulet.


BURLEIGH.

Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,

Bis an die Stufen des Schafotts – Dies stolze Herz

Ist nicht zu brechen – Überraschte sie

Der Urtelspruch? Saht Ihr sie eine Träne

Vergießen? Ihre Farbe nur verändern?

Nicht unser Mitleid ruft sie an. Wohl kennt sie

Den Zweifelmut der Königin von England,

Und unsre Furcht ists, was sie mutig macht.

PAULET.

Lord Großschatzmeister! Dieser eitle Trotz wird schnell

Verschwinden, wenn man ihm den Vorwand raubt.

Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen

In diesem Rechtstreit, wenn ichs sagen darf.

Man hätte diesen Babington und Tichburn

Ihr in Person vorführen, ihre Schreiber

Ihr gegenüberstellen sollen.

BURLEIGH schnell.

Nein!

Nein, Ritter Paulet! Das war nicht zu wagen.

Zu groß ist ihre Macht auf die Gemüter

Und ihrer Tränen weibliche Gewalt.

Ihr Schreiber Kurl, ständ er ihr gegenüber,

Käm es dazu, das Wort nun auszusprechen,

An dem ihr Leben hängt – er würde zaghaft

Zurückziehn, sein Geständnis widerrufen –

PAULET.

So werden Englands Feinde alle Welt

Erfüllen mit gehässigen Gerüchten,

Und des Prozesses festliches Gepräng

Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.[581]

BURLEIGH.

Dies ist der Kummer unsrer Königin –

Daß diese Stifterin des Unheils doch

Gestorben wäre, ehe sie den Fuß

Auf Englands Boden setzte!

PAULET.

Dazu sag ich Amen.

BURLEIGH.

Daß Krankheit sie im Kerker aufgerieben!

PAULET.

Viel Unglück hätt es diesem Land erspart.

BURLEIGH.

Doch hätt auch gleich ein Zufall der Natur

Sie hingerafft – Wir hießen doch die Mörder.

PAULET.

Wohl wahr. Man kann den Menschen nicht verwehren,

Zu denken, was sie wollen.

BURLEIGH.

Zu beweisen wärs

Doch nicht, und würde weniger Geräusch erregen –

PAULET.

Mag es Geräusch erregen! Nicht der laute,

Nur der gerechte Tadel kann verletzen.

BURLEIGH.

O! auch die heilige Gerechtigkeit

Entflieht dem Tadel nicht. Die Meinung hält es

Mit dem Unglücklichen, es wird der Neid

Stets den obsiegend Glücklichen verfolgen.

Das Richterschwert, womit der Mann sich ziert,

Verhaßt ists in der Frauen Hand. Die Welt

Glaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes,

Sobald ein Weib das Opfer wird. Umsonst,

Daß wir, die Richter, nach Gewissen sprachen!

Sie hat der Gnade königliches Recht.

Sie muß es brauchen, unerträglich ists,

Wenn sie den strengen Lauf läßt dem Gesetze!

PAULET.

Und also –

BURLEIGH rasch einfallend.

Also soll sie leben? Nein!

Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies, eben

Dies ists, was unsre Königin beängstigt –

Warum der Schlaf ihr Lager flieht – Ich lese

In ihren Augen ihrer Seele Kampf,

Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen,

Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:[582]

Ist unter allen meinen Dienern keiner,

Der die verhaßte Wahl mir spart, in ewger Furcht

Auf meinem Thron zu zittern, oder grausam

Die Königin, die eigne Blutsverwandte

Dem Beil zu unterwerfen?

PAULET.

Das ist nun die Notwendigkeit, steht nicht zu ändern.

BURLEIGH.

Wohl stünds zu ändern, meint die Königin,

Wenn sie nur aufmerksamre Diener hätte.

PAULET.

Aufmerksame!

BURLEIGH.

Die einen stummen Auftrag

Zu deuten wissen.

PAULET.

Einen stummen Auftrag!

BURLEIGH.

Die, wenn man ihnen eine giftge Schlange

Zu hüten gab, den anvertrauten Feind

Nicht wie ein heilig teures Kleinod hüten.

PAULET bedeutungsvoll.

Ein hohes Kleinod ist der gute Name,

Der unbescholtne Ruf der Königin,

Den kann man nicht zu wohl bewachen, Sir!

BURLEIGH.

Als man die Lady von dem Shrewsbury

Wegnahm und Ritter Paulets Hut vertraute,

Da war die Meinung –

PAULET.

Ich will hoffen, Sir,

Die Meinung war, daß man den schwersten Auftrag

Den reinsten Händen übergeben wollte.

Bei Gott! Ich hätte dieses Schergenamt

Nicht übernommen, dächt ich nicht, daß es

Den besten Mann in England foderte.

Laßt mich nicht denken, daß ichs etwas anderm

Als meinem reinen Rufe schuldig bin.

BURLEIGH.

Man breitet aus, sie schwinde, läßt sie kränker

Und kränker werden, endlich still verscheiden,

So stirbt sie in der Menschen Angedenken –

Und Euer Ruf bleibt rein.

PAULET.

Nicht mein Gewissen.

BURLEIGH.

Wenn Ihr die eigne Hand nicht leihen wollt,

So werdet ihr der fremden doch nicht wehren –[583]

PAULET unterbricht ihn.

Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn,

Solang die Götter meines Dachs sie schützen.

Ihr Leben ist mir heilig, heilger nicht

Ist mir das Haupt der Königin von England.

Ihr seid die Richter! Richtet! Brecht den Stab!

Und wenn es Zeit ist, laßt den Zimmerer

Mit Axt und Säge kommen, das Gerüst

Aufschlagen – für den Sheriff und den Henker

Soll meines Schlosses Pforte offen sein.

Jetzt ist sie zur Bewahrung mir vertraut,

Und seid gewiß, ich werde sie bewahren,

Daß sie nichts Böses tun soll, noch erfahren!


Gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 581-584.
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