Zweiter Auftritt

[585] Die Vorigen. Elisabeth, von Leicester geführt. Graf Aubespine, Bellievre, Graf Shrewsbury, Lord Burleigh mit noch andern französischen und englischen Herren treten auf.


ELISABETH zu Aubespine.

Graf! Ich beklage diese edeln Herrn,

Die ihr galanter Eifer über Meer

Hieher geführt, daß sie die Herrlichkeit[585]

Des Hofs von Saint Germain bei mir vermissen.

Ich kann so prächtge Götterfeste nicht

Erfinden als die königliche Mutter

Von Frankreich – Ein gesittet fröhlich Volk,

Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,

Mit Segnungen um meine Sänfte drängt,

Dies ist das Schauspiel, das ich fremden Augen

Mit eingem Stolze zeigen kann. Der Glanz

Der Edelfräulein, die im Schönheitsgarten

Der Katharina blühn, verbärge nur

Mich selber und mein schimmerlos Verdienst.

AUBESPINE.

Nur eine Dame zeigt Westminsterhof

Dem überraschten Fremden – aber alles,

Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,

Stellt sich versammelt dar in dieser einen.

BELLIEVRE.

Erhabne Majestät von Engelland,

Vergönne, daß wir unsern Urlaub nehmen,

Und Monsieur, unsern königlichen Herrn,

Mit der ersehnten Freudenpost beglücken.

Ihn hat des Herzens heiße Ungeduld

Nicht in Paris gelassen, er erwartet

Zu Amiens die Boten seines Glücks,

Und bis nach Calais reichen seine Posten,

Das Jawort, das dein königlicher Mund

Aussprechen wird, mit Flügelschnelligkeit

Zu seinem trunknen Ohre hinzutragen.

ELISABETH.

Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.

Nicht Zeit ists jetzt, ich wiederhol es Euch,

Die freudge Hochzeitfackel anzuzünden.

Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,

Und besser ziemte mir der Trauerflor

Als das Gepränge bräutlicher Gewänder.

Denn nahe droht ein jammervoller Schlag

Mein Herz zu treffen und mein eignes Haus.

BELLIEVRE.

Nur dein Versprechen gib uns, Königin,

In frohern Tagen folge die Erfüllung.[586]

ELISABETH.

Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,

Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.

Mein Wunsch wars immer, unvermählt zu sterben,

Und meinen Ruhm hätt ich darein gesetzt,

Daß man dereinst auf meinem Grabstein läse:

»Hier ruht die jungfräuliche Königin.«

Doch meine Untertanen wollens nicht,

Sie denken jetzt schon fleißig an die Zeit,

Wo ich dahinsein werde – Nicht genug,

Daß jetzt der Segen dieses Land beglückt,

Auch ihrem künftgen Wohl soll ich mich opfern,

Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,

Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,

Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.

Er zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur

Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert

Zu haben, wie ein Mann und wie ein König.

Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man

Die Ordnung der Natur verläßt, und Lob

Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet,

Daß sie die Klöster aufgetan, und tausend

Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht

Den Pflichten der Natur zurückgegeben.

Doch eine Königin, die ihre Tage

Nicht ungenützt in müßiger Beschauung

Verbringt, die unverdrossen, unermüdet,

Die schwerste aller Pflichten übt, die sollte

Von dem Naturzweck ausgenommen sein,

Der eine Hälfte des Geschlechts der Menschen

Der andern unterwürfig macht –

AUBESPINE.

Jedwede Tugend, Königin, hast du

Auf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig,

Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist,

Auch noch in seinen eigensten Verdiensten

Als Muster vorzuleuchten. Freilich lebt

Kein Mann auf Erden, der es würdig ist,[587]

Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.

Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, Heldentugend

Und Männerschönheit einen Sterblichen

Der Ehre würdig machen, so –

ELISABETH.

Kein Zweifel,

Herr Abgesandter, daß ein Ehebündnis

Mit einem königlichen Sohne Frankreichs

Mich ehrt! Ja, ich gesteh es unverhohlen,

Wenn es sein muß – wenn ichs nicht ändern kann,

Dem Dringen meines Volkes nachzugeben –

Und es wird stärker sein als ich, befürcht ich –

So kenn ich in Europa keinen Fürsten,

Dem ich mein höchstes Kleinod, meine Freiheit,

Mit minderm Widerwillen opfern würde.

Laßt dies Geständnis Euch Genüge tun.

BELLIEVRE.

Es ist die schönste Hoffnung, doch es ist

Nur eine Hoffnung, und mein Herr wünscht mehr –

ELISABETH.

Was wünscht er?


Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn nachdenkend.


Hat die Königin doch nichts

Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!

Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,

Auf gleiche Dienstbarkeit – Der Ring macht Ehen,

Und Ringe sinds, die eine Kette machen.

– Bringt seiner Hoheit dies Geschenk. Es ist

Noch keine Kette, bindet mich noch nicht,

Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.

BELLIEVRE kniet nieder, den Ring empfangend.

In seinem Namen, große Königin,

Empfang ich kniend dies Geschenk, und drücke

Den Kuß der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!

ELISABETH zum Grafen Leicester, den sie während der letzten Rede unverwandt betrachtet hat.

Erlaubt Mylord!


Sie nimmt ihm das blaue Band ab, und hängt es dem Bellievre um.


Bekleidet seine Hoheit

Mit diesem Schmuck, wie ich Euch hier damit[588]

Bekleide und in meines Ordens Pflichten nehme.

Honny soit qui mal y pense! – Es schwinde

Der Argwohn zwischen beiden Nationen,

Und ein vertraulich Band umschlinge fortan

Die Kronen Frankreich und Britannien!

AUBESPINE.

Erhabne Königin, dies ist ein Tag

Der Freude! Möcht ers allen sein und möchte

Kein Leidender auf dieser Insel trauern!

Die Gnade glänzt auf deinem Angesicht,

O! daß ein Schimmer ihres heitern Lichts

Auf eine unglücksvolle Fürstin fiele,

Die Frankreich und Britannien gleich nahe

Angeht –

ELISABETH.

Nicht weiter, Graf! Vermengen wir

Nicht zwei ganz unvereinbare Geschäfte.

Wenn Frankreich ernstlich meinen Bund verlangt,

Muß es auch meine Sorgen mit mir teilen,

Und meiner Feinde Freund nicht sein –

AUBESPINE.

Unwürdig

In deinen eignen Augen würd es handeln,

Wenn es die Unglückselige, die Glaubens-

Verwandte, und die Witwe seines Königs

In diesem Bund vergäße – Schon die Ehre,

Die Menschlichkeit verlangt –

ELISABETH.

In diesem Sinn

Weiß ich sein Fürwort nach Gebühr zu schätzen.

Frankreich erfüllt die Freundespflicht, mir wird

Verstattet sein, als Königin zu handeln.


Sie neigt sich gegen die französischen Herren, welche sich mit den übrigen Lords ehrfurchtsvoll entfernen.[589]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 585-590.
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