Vierter Auftritt

[596] Die Vorigen. Ritter Paulet mit Mortimern.


ELISABETH.

Da kommt Amias Paulet. Edler Sir,

Was bringt Ihr uns?

PAULET.

Glorwürdge Majestät!

Mein Neffe, der ohnlängst von weiten Reisen

Zurückgekehrt, wirft sich zu deinen Füßen

Und leistet dir sein jugendlich Gelübde.

Empfange du es gnadenvoll und laß

Ihn wachsen in der Sonne deiner Gunst.

MORTIMER läßt sich auf ein Knie nieder.

Lang lebe meine königliche Frau,

Und Glück und Ruhm bekröne ihre Stirne!

ELISABETH.

Steht auf. Seid mir willkommen, Sir, in England.

Ihr habt den großen Weg gemacht, habt Frankreich

Bereist und Rom und Euch zu Reims verweilt.

Sagt mir denn an, was spinnen unsre Feinde?

MORTIMER.

Ein Gott verwirre sie und wende rückwärts

Auf ihrer eignen Schützen Brust die Pfeile,

Die gegen meine Königin gesandt sind.

ELISABETH.

Saht Ihr den Morgan und den ränkespinnenden

Bischof von Roße?

MORTIMER.

Alle schottische

Verbannte lernt ich kennen, die zu Reims

Anschläge schmieden gegen diese Insel.

In ihr Vertrauen stahl ich mich, ob ich

Etwa von ihren Ränken was entdeckte.[596]

PAULET.

Geheime Briefe hat man ihm vertraut,

In Ziffern, für die Königin von Schottland,

Die er mit treuer Hand uns überliefert.

ELISABETH.

Sagt, was sind ihre neuesten Entwürfe?

MORTIMER.

Es traf sie alle wie ein Donnerstreich,

Daß Frankreich sie verläßt, den festen Bund

Mit England schließt, jetzt richten sie die Hoffnung

Auf Spanien.

ELISABETH.

So schreibt mir Walsingham.

MORTIMER.

Auch eine Bulle, die Papst Sixtus jüngst

Von Vatikane gegen dich geschleudert,

Kam eben an zu Reims, als ichs verließ,

Das nächste Schiff bringt sie nach dieser Insel.

LEICESTER.

Vor solchen Waffen zittert England nicht mehr.

BURLEIGH.

Sie werden furchtbar in des Schwärmers Hand.

ELISABETH Mortimern forschend ansehend.

Man gab Euch Schuld, daß Ihr zu Reims die Schulen

Besucht und Euren Glauben abgeschworen?

MORTIMER.

Die Miene gab ich mir, ich leugn es nicht,

So weit ging die Begierde, dir zu dienen!

ELISABETH zu Paulet, der ihr Papiere überreicht.

Was zieht Ihr da hervor?

PAULET.

Es ist ein Schreiben,

Das dir die Königin von Schottland sendet.

BURLEIGH hastig darnach greifend.

Gebt mir den Brief.

PAULET gibt das Papier der Königin.

Verzeiht, Lord Großschatzmeister!

In meiner Königin selbsteigne Hand,

Befahl sie mir, den Brief zu übergeben.

Sie sagt mir stets, ich sei ihr Feind. Ich bin

Nur ihrer Laster Feind, was sich verträgt

Mit meiner Pflicht, mag ich ihr gern erweisen.


Die Königin hat den Brief genommen. Während sie ihn liest, sprechen Mortimer und Leicester einige Worte heimlich miteinander.


BURLEIGH zu Paulet.

Was kann der Brief enthalten? Eitle Klagen,[597]

Mit denen man das mitleidsvolle Herz

Der Königin verschonen soll.

PAULET.

Was er

Enthält, hat sie mir nicht verhehlt. Sie bittet

Um die Vergünstigung, das Angesicht

Der Königin zu sehen.

BURLEIGH schnell.

Nimmermehr!

TALBOT.

Warum nicht? Sie erfleht nichts Ungerechtes.

BURLEIGH.

Die Gunst des königlichen Angesichts

Hat sie verwirkt, die Mordanstifterin,

Die nach dem Blut der Königin gedürstet.

Wers treu mit seiner Fürstin meint, der kann

Den falsch verräterischen Rat nicht geben.

TALBOT.

Wenn die Monarchin sie beglücken will,

Wollt Ihr der Gnade sanfte Regung hindern?

BURLEIGH.

Sie ist verurteilt! Unterm Beile liegt

Ihr Haupt. Unwürdig ists der Majestät,

Das Haupt zu sehen, das dem Tod geweiht ist.

Das Urteil kann nicht mehr vollzogen werden,

Wenn sich die Königin ihr genahet hat,

Denn Gnade bringt die königliche Nähe –

ELISABETH nachdem sie den Brief gelesen, ihre Tränen trocknend.

Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde!

Wie weit ist diese Königin gebracht,

Die mit so stolzen Hoffnungen begann,

Die auf den ältsten Thron der Christenheit

Berufen worden, die in ihrem Sinn

Drei Kronen schon aufs Haupt zu setzen meinte!

Welch andre Sprache führt sie jetzt als damals,

Da sie das Wappen Englands angenommen,

Und von den Schmeichlern ihres Hofs sich Königin

Der zwei britannschen Inseln nennen ließ!

– Verzeiht, Mylords, es schneidet mir ins Herz,

Wehmut ergreift mich und die Seele blutet,

Daß Irdisches nicht fester steht, das Schicksal

Der Menschheit, das entsetzliche, so nahe[598]

An meinem eignen Haupt vorüberzieht.

TALBOT.

O Königin! Dein Herz hat Gott gerührt,

Gehorche dieser himmlischen Bewegung!

Schwer büßte sie fürwahr die schwere Schuld,

Und Zeit ists, daß die harte Prüfung ende!

Reich ihr die Hand, der Tiefgefallenen,

Wie eines Engels Lichterscheinung steige

In ihres Kerkers Gräbernacht hinab –

BURLEIGH.

Sei standhaft, große Königin. Laß nicht

Ein lobenswürdig menschliches Gefühl

Dich irreführen. Raube dir nicht selbst

Die Freiheit, das Notwendige zu tun.

Du kannst sie nicht begnadigen, nicht retten,

So lade nicht auf dich verhaßten Tadel,

Daß du mit grausam höhnendem Triumph

Am Anblick deines Opfers dich geweidet.

LEICESTER.

Laßt uns in unsern Schranken bleiben, Lords.

Die Königin ist weise, sie bedarf

Nicht unsers Rats, das Würdigste zu wählen.

Die Unterredung beider Königinnen

Hat nichts gemein mit des Gerichtes Gang.

Englands Gesetz, nicht der Monarchin Wille,

Verurteilt die Maria. Würdig ists

Der großen Seele der Elisabeth,

Daß sie des Herzens schönem Triebe folge,

Wenn das Gesetz den strengen Lauf behält.

ELISABETH.

Geht, meine Lords. Wir werden Mittel finden,

Was Gnade fodert, was Notwendigkeit

Uns auferlegt, geziemend zu vereinen.

Jetzt – tretet ab!


Die Lords gehen. An der Türe ruft sie den Mortimer zurück.


Sir Mortimer! Ein Wort![599]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 596-600.
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