Dritter Auftritt


[324] Octavio und Questenberg, die zurückbleiben.


QUESTENBERG mit Zeichen des Erstaunens.

Was hab ich hören müssen, Genralleutnant!

Welch zügelloser Trotz! Was für Begriffe!

– Wenn dieser Geist der allgemeine ist –

OCTAVIO.

Drei Viertel der Armee vernahmen Sie.

QUESTENBERG.

Weh uns! Wo dann ein zweites Heer gleich finden,

Um dieses zu bewachen! – Dieser Illo, fürcht ich,

Denkt noch viel schlimmer, als er spricht. Auch dieser Buttler

Kann seine böse Meinung nicht verbergen.

OCTAVIO.

Empfindlichkeit – gereizter Stolz – nichts weiter! –

Diesen Buttler geb ich noch nicht auf, ich weiß,

Wie dieser böse Geist zu bannen ist.

QUESTENBERG voll Unruh auf und ab gehend.

Nein! das ist schlimmer, o! viel schlimmer, Freund!

Als wirs in Wien uns hatten träumen lassen.

Wir sahens nur mit Höflingsaugen an,

Die von dem Glanz des Throns geblendet waren;

Den Feldherrn hatten wir noch nicht gesehn,

Den allvermögenden, in seinem Lager.

Hier ists ganz anders!

Hier ist kein Kaiser mehr. Der Fürst ist Kaiser!

Der Gang, den ich an Ihrer Seite jetzt

Durchs Lager tat, schlägt meine Hoffnung nieder.

OCTAVIO.

Sie sehn nun selbst, welch ein gefährlich Amt

Es ist, das Sie vom Hof mir überbrachten –

Wie mißlich die Person, die ich hier spiele.

Der leiseste Verdacht des Generals,

Er würde Freiheit mir und Leben kosten,

Und sein verwegenes Beginnen nur

Beschleunigen.

QUESTENBERG.

Wo war die Überlegung,

Als wir dem Rasenden das Schwert vertraut,

Und solche Macht gelegt in solche Hand![324]

Zu stark für dieses schlimmverwahrte Herz

War die Versuchung! Hätte sie doch selbst

Dem bessern Mann gefährlich werden müssen!

Er wird sich weigern, sag ich Ihnen,

Der kaiserlichen Ordre zu gehorchen. –

Er kanns und wirds. – Sein unbestrafter Trotz

Wird unsre Ohnmacht schimpflich offenbaren.

OCTAVIO.

Und glauben Sie, daß er Gemahlin, Tochter

Umsonst hieher ins Lager kommen ließ,

Gerade jetzt, da wir zum Krieg uns rüsten?

Daß er die letzten Pfänder seiner Treu

Aus Kaisers Landen führt, das deutet uns

Auf einen nahen Ausbruch der Empörung.

QUESTENBERG.

Weh uns! und wie dem Ungewitter stehn,

Das drohend uns umzieht von allen Enden?

Der Reichsfeind an den Grenzen, Meister schon

Vom Donaustrom, stets weiter um sich greifend –

Im innern Land des Aufruhrs Feuerglocke –

Der Bauer in Waffen – alle Stände schwürig –

Und die Armee, von der wir Hülf erwarten,

Verführt, verwildert, aller Zucht entwohnt

Vom Staat, von ihrem Kaiser losgerissen,

Vom Schwindelnden die schwindelnde geführt,

Ein furchtbar Werkzeug, dem verwegensten

Der Menschen blind gehorchend hingegeben –

OCTAVIO.

Verzagen wir auch nicht zu früh, mein Freund!

Stets ist die Sprache kecker als die Tat,

Und mancher, der in blindem Eifer jetzt

Zu jedem Äußersten entschlossen scheint,

Findet unerwartet in der Brust ein Herz,

Spricht man des Frevels wahren Namen aus.

Zudem – ganz unverteidigt sind wir nicht.

Graf Altringer und Gallas, wissen Sie,

Erhalten in der Pflicht ihr kleines Heer –

Verstärken es noch täglich. – Überraschen

Kann er uns nicht, Sie wissen, daß ich ihn[325]

Mit meinen Horchern rings umgeben habe;

Vom kleinsten Schritt erhalt ich Wissenschaft

Sogleich – ja, mir entdeckts sein eigner Mund.

QUESTENBERG.

Ganz unbegreiflich ists, daß er den Feind nicht merkt

An seiner Seite.

OCTAVIO.

Denken Sie nicht etwa,

Daß ich durch Lügenkünste, gleisnerische

Gefälligkeit in seine Gunst mich stahl,

Durch Heuchelworte sein Vertrauen nähre.

Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht,

Die ich dem Reich, dem Kaiser schuldig bin,

Daß ich mein wahres Herz vor ihm verberge,

Ein falsches hab ich niemals ihm geheuchelt!

QUESTENBERG.

Es ist des Himmels sichtbarliche Fügung.

OCTAVIO.

Ich weiß nicht, was es ist – was ihn an mich

Und meinen Sohn so mächtig zieht und kettet.

Wir waren immer Freunde, Waffenbrüder;

Gewohnheit, gleichgeteilte Abenteuer

Verbanden uns schon frühe – doch ich weiß

Den Tag zu nennen, wo mit einemmal

Sein Herz mir aufging, sein Vertrauen wuchs.

Es war der Morgen vor der Lützner Schlacht –

Mich trieb ein böser Traum, ihn aufzusuchen,

Ein ander Pferd zur Schlacht ihm anzubieten.

Fern von den Zelten, unter einem Baum

Fand ich ihn eingeschlafen. Als ich ihn

Erweckte, mein Bedenken ihm erzählte,

Sah er mich lange staunend an; drauf fiel er

Mir um den Hals, und zeigte eine Rührung,

Wie jener kleine Dienst sie gar nicht wert war.

Seit jenem Tag verfolgt mich sein Vertrauen

In gleichem Maß, als ihn das meine flieht.

QUESTENBERG.

Sie ziehen Ihren Sohn doch ins Geheimnis?

OCTAVIO.

Nein!

QUESTENBERG.

Wie? auch warnen wollen Sie ihn nicht,

In welcher schlimmen Hand er sich befinde?[326]

OCTAVIO.

Ich muß ihn seiner Unschuld anvertrauen.

Verstellung ist der offnen Seele fremd,

Unwissenheit allein kann ihm die Geistesfreiheit

Bewahren, die den Herzog sicher macht.

QUESTENBERG besorglich.

Mein würdger Freund! Ich hab die beste Meinung

Vom Oberst Piccolomini – doch – wenn –

Bedenken Sie –

OCTAVIO.

Ich muß es darauf wagen – Still! Da kommt er.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 324-327.
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