Siebenter Auftritt


[289] Vorige. Ein Rekrut. Ein Bürger. Dragoner.


REKRUT tritt aus dem Zelt, eine Blechhaube auf dem Kopfe, eine Weinfasche in der Hand.

Grüß den Vater und Vaters Brüder!

Bin Soldat, komme nimmer wieder.

ERSTER JÄGER.

Sieh, da bringen sie einen Neuen!

BÜRGER.

O! gib acht, Franz! Es wird dich reuen.

REKRUT singt.

Trommeln und Pfeifen,

Kriegrischer Klang!

Wandern und streifen

Die Welt entlang,

Rosse gelenkt,

Mutig geschwenkt,

Schwert an der Seite,

Frisch in die Weite,

Flüchtig und flink,

Frei, wie der Fink

Auf Sträuchern und Bäumen,

In Himmels Räumen,

Heisa! ich folge des Friedländers Fahn!

ZWEITER JÄGER.

Seht mir! das ist ein wackrer Kumpan!


Sie begrüßen ihn.


BÜRGER.

O! laßt ihn! Er ist guter Leute Kind.

ERSTER JÄGER.

Wir auch nicht auf der Straße gefunden sind.

BÜRGER.

Ich sag euch, er hat Vermögen und Mittel.

Fühlt her, das feine Tüchlein am Kittel!

TROMPETER.

Des Kaisers Rock ist der höchste Titel.

BÜRGER.

Er erbt eine kleine Mützenfabrik.

ZWEITER JÄGER.

Des Menschen Wille, das ist sein Glück.

BÜRGER.

Von der Großmutter einen Kram und Laden.

ERSTER JÄGER.

Pfui! wer handelt mit Schwefelfaden!

BÜRGER.

Einen Weinschank dazu von seiner Paten,

Ein Gewölbe mit zwanzig Stückfaß Wein.

TROMPETER.

Den teilt er mit seinen Kameraden.

ZWEITER JÄGER.

Hör du! Wir müssen Zeltbrüder sein.[289]

BÜRGER.

Eine Braut läßt er sitzen in Tränen und Schmerz.

ERSTER JÄGER.

Recht so, da zeigt er ein eisernes Herz.

BÜRGER.

Die Großmutter wird für Kummer sterben.

ZWEITER JÄGER.

Desto besser, so kann er sie gleich beerben.

WACHTMEISTER tritt gravitätisch herzu, dem Rekruten die Hand auf die Blechhaube legend.

Sieht Er! das hat Er wohl erwogen.

Einen neuen Menschen hat Er angezogen,

Mit dem Helm da und Wehrgehäng

Schließt Er sich an eine würdige Meng.

Muß ein führnehmer Geist jetzt in Ihn fahren –

ERSTER JÄGER.

Muß besonders das Geld nicht sparen.

WACHTMEISTER.

Auf der Fortuna ihrem Schiff

Ist Er zu segeln im Begriff,

Die Weltkugel liegt vor Ihm offen,

Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.

Es treibt sich der Bürgersmann, träg und dumm,

Wie des Färbers Gaul, nur im Ring herum.

Aus dem Soldaten kann alles werden,

Denn Krieg ist jetzt die Losung auf Erden.

Seh Er mal mich an! In diesem Rock

Führ ich, sieht Er, des Kaisers Stock.

Alles Weltregiment, muß Er wissen,

Von dem Stock hat ausgehen müssen;

Und das Szepter in Königs Hand

Ist ein Stock nur, das ist bekannt.

Und wers zum Korporal erst hat gebracht,

Der steht auf der Leiter zur höchsten Macht,

Und so weit kann Ers auch noch treiben.

ERSTER JÄGER.

Wenn er nur lesen kann und schreiben.

WACHTMEISTER.

Da will ich Ihm gleich ein Exempel geben,

Ich täts vor kurzem selbst erleben.

Da ist der Schef vom Dragonerkorps,

Heißt Buttler, wir standen als Gemeine

Noch vor dreißig Jahren bei Köln am Rheine,

Jetzt nennt man ihn Generalmajor.

Das macht, er tät sich baß hervor,[290]

Tät die Welt mit seinem Kriegsruhm füllen,

Doch meine Verdienste, die blieben im stillen.

Ja, und der Friedländer selbst, sieht Er,

Unser Hauptmann und hochgebietender Herr,

Der jetzt alles vermag und kann,

War erst nur ein schlichter Edelmann,

Und weil er der Kriegsgöttin sich vertraut,

Hat er sich diese Größ erbaut,

Ist nach dem Kaiser der nächste Mann,

Und wer weiß, was er noch erreicht und ermißt,


Pfiffig.


Denn noch nicht aller Tage Abend ist.

ERSTER JÄGER.

Ja, er fings klein an und ist jetzt so groß,

Denn zu Altdorf, im Studentenkragen,

Trieb ers, mit Permiß zu sagen,

Ein wenig locker und purschikos,

Hätte seinen Famulus bald erschlagen.

Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren

Mir nichts, dir nichts ins Karzer sperren,

's war just ein neugebautes Nest,

Der erste Bewohner sollt es taufen.

Aber wie fängt ers an? Er läßt

Weislich den Pudel voran erst laufen.

Nach dem Hunde nennt sichs bis diesen Tag;

Ein rechter Kerl sich dran spiegeln mag.

Unter des Herrn großen Taten allen

Hat mir das Stückchen besonders gefallen.


Das Mädchen hat unterdessen aufgewartet; der zweite Jäger schäkert mit ihr.


DRAGONER tritt dazwischen.

Kamerad! laß Er das unterwegen.

ZWEITER JÄGER.

Wer, Henker! hat sich da dreinzulegen!

DRAGONER.

Ich wills Ihm nur sagen, die Dirn ist mein.

ERSTER JÄGER.

Der will ein Schätzchen für sich allein!

Dragoner, ist Er bei Troste! Sag Er!

ZWEITER JÄGER.

Will was Apartes haben im Lager.

Einer Dirne schön Gesicht

Muß allgemein sein, wie 's Sonnenlicht!


Küßt sie.[291]


DRAGONER reißt sie weg.

Ich sags noch einmal, das leid ich nicht.

ERSTER JÄGER.

Lustig! lustig! da kommen die Prager!

ZWEITER JÄGER.

Sucht Er Händel? Ich bin dabei.

WACHTMEISTER.

Fried, ihr Herren! Ein Kuß ist frei!


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 289-292.
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