Dritter Auftritt


[436] Wallenstein. Terzky. Gleich darauf Illo.


TERZKY.

Max Piccolomini verließ dich eben?

WALLENSTEIN.

Wo ist der Wrangel?

TERZKY.

Fort ist er.

WALLENSTEIN.

So eilig?

TERZKY.

Es war, als ob die Erd ihn eingeschluckt.[436]

Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging,

Ich hatt ihn noch zu sprechen, doch – weg war er,

Und niemand wußte mir von ihm zu sagen.

Ich glaub, es ist der Schwarze selbst gewesen,

Ein Mensch kann nicht auf einmal so verschwinden.

ILLO kommt.

Ists wahr, daß du den Alten willst verschicken?

TERZKY.

Wie? Den Octavio! Wo denkst du hin?

WALLENSTEIN.

Er geht nach Frauenberg, die spanischen

Und welschen Regimenter anzuführen.

TERZKY.

Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringst!

ILLO.

Dem Falschen willst du Kriegsvolk anvertrauen?

Ihn aus den Augen lassen, grade jetzt,

In diesem Augenblicke der Entscheidung?

TERZKY.

Das wirst du nicht tun. Nein, um alles nicht!

WALLENSTEIN.

Seltsame Menschen seid ihr.

ILLO.

O! nur diesmal

Gib unsrer Warnung nach. Laß ihn nicht fort.

WALLENSTEIN.

Und warum soll ich ihm dies eine Mal

Nicht trauen, da ichs stets getan? Was ist geschehn,

Das ihn um meine gute Meinung brächte?

Aus eurer Grille, nicht der meinen, soll ich

Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern?

Denkt nicht, daß ich ein Weib sei. Weil ich ihm

Getraut bis heut, will ich auch heut ihm trauen.

TERZKY.

Muß es denn der just sein? Schick einen andern.

WALLENSTEIN.

Der muß es sein, den hab ich mir erlesen.

Er taugt zu dem Geschäft, drum gab ichs ihm.

ILLO.

Weil er ein Welscher ist, drum taugt er dir.

WALLENSTEIN.

Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen,

Weil ich sie achte, liebe, euch und andern

Vorziehe, sichtbarlich, wie sies verdienen,

Drum sind sie euch ein Dorn im Auge! Was

Geht euer Neid mich an und mein Geschäft?

Daß ihr sie haßt, das macht sie mir nicht schlechter.

Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt,

Ich lasse jedem seinen Sinn und Neigung,[437]

Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt.

ILLO.

Er geht nicht ab – müßt ich die Räder ihm am Wagen

Zerschmettern lassen.

WALLENSTEIN.

Mäßige dich, Illo!

TERZKY.

Der Questenberger, als er hier gewesen,

Hat stets zusammen auch gesteckt mit ihm.

WALLENSTEIN.

Geschah mit meinem Wissen und Erlaubnis.

TERZKY.

Und daß geheime Boten an ihn kommen

Vom Gallas, weiß ich auch.

WALLENSTEIN.

Das ist nicht wahr.

ILLO.

O! du bist blind mit deinen sehenden Augen!

WALLENSTEIN.

Du wirst mir meinen Glauben nicht erschüttern,

Der auf die tiefste Wissenschaft sich baut.

Lügt er, dann ist die ganze Sternkunst Lüge.

Denn wißt, ich hab ein Pfand vom Schicksal selbst,

Daß er der treuste ist von meinen Freunden.

ILLO.

Hast du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge?

WALLENSTEIN.

Es gibt im Menschenleben Augenblicke,

Wo er dem Weltgeist näher ist, als sonst,

Und eine Frage frei hat an das Schicksal.

Solch ein Moment wars, als ich in der Nacht,

Die vor der Lützner Aktion vorherging,

Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,

Hinaussah in die Ebene. Die Feuer

Des Lagers brannten düster durch den Nebel,

Der Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,

Der Runden Ruf einförmig nur die Stille.

Mein ganzes Leben ging, vergangenes

Und künftiges, in diesem Augenblick

An meinem inneren Gesicht vorüber,

Und an des nächsten Morgens Schicksal knüpfte

Der ahnungsvolle Geist die fernste Zukunft.

Da sagt ich also zu mir selbst: »So vielen

Gebietest du! Sie folgen deinen Sternen,

Und setzen, wie auf eine große Nummer,

Ihr Alles auf dein einzig Haupt, und sind[438]

In deines Glückes Schiff mit dir gestiegen.

Doch kommen wird der Tag, wo diese alle

Das Schicksal wieder auseinanderstreut,

Nur wenge werden treu bei dir verharren.

Den möcht ich wissen, der der Treuste mir

Von allen ist, die dieses Lager einschließt.

Gib mir ein Zeichen, Schicksal! Der solls sein,

Der an dem nächsten Morgen mir zuerst

Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen.«

Und dieses bei mir denkend, schlief ich ein.


Und mitten in die Schlacht ward ich geführt

Im Geist. Groß war der Drang. Mir tötete

Ein Schuß das Pferd, ich sank, und über mir

Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,

Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,

Zertreten unter ihrer Hufe Schlag.

Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,

Es war Octavios – und schnell erwach ich,

Tag war es, und – Octavio stand vor mir.

»Mein Bruder«, sprach er, »reite heute nicht

Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber

Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.

Tus mir zu Lieb. Es warnte mich ein Traum.«

Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß

Mich Banniers verfolgenden Dragonern.

Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,

Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.

ILLO.

Das war ein Zufall.

WALLENSTEIN bedeutend.

Es gibt keinen Zufall;

Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,

Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.

Versiegelt hab ichs und verbrieft, daß er

Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!


Er geht.


TERZKY.

Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.[439]

ILLO.

Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.

WALLENSTEIN bleibt stehen und kehrt sich um.

Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig

Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,

Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!

– Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!

Sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen.

Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist

Der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.

Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht,

Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.

Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,

So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.


Gehen ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 436-440.
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