Zweiter Auftritt


[452] Gräfin. Thekla.


GRÄFIN.

Es gefällt mir nicht,

Daß er sich grade jetzt so still verhält.

THEKLA.

Gerade jetzt!

GRÄFIN.

Nachdem er alles weiß!

Denn jetzo wars die Zeit, sich zu erklären.

THEKLA.

Sprecht deutlicher, wenn ichs verstehen soll.

GRÄFIN.

In dieser Absicht schickt ich sie hinweg.

Ihr seid kein Kind mehr, Thekla. Euer Herz

Ist mündig, denn Ihr liebt, und kühner Mut[452]

Ist bei der Liebe. Den habt Ihr bewiesen.

Ihr artet mehr nach Eures Vaters Geist,

Als nach der Mutter ihrem. Darum könnt Ihr hören,

Was sie nicht fähig ist zu tragen.

THEKLA.

Ich bitt Euch, endet diese Vorbereitung.

Seis, was es sei. Heraus damit! Es kann

Mich mehr nicht ängstigen, als dieser Eingang.

Was habt Ihr mir zu sagen? Faßt es kurz.

GRÄFIN.

Ihr müßt nur nicht erschrecken –

THEKLA.

Nennts! Ich bitt Euch.

GRÄFIN.

Es steht bei Euch, dem Vater einen großen Dienst

Zu leisten –

THEKLA.

Bei mir stünde das! Was kann –

GRÄFIN.

Max Piccolomini liebt Euch. Ihr könnt

Ihn unauflöslich an den Vater binden.

THEKLA.

Brauchts dazu meiner? Ist er es nicht schon?

GRÄFIN.

Er wars.

THEKLA.

Und warum sollt ers nicht mehr sein,

Nicht immer bleiben?

GRÄFIN.

Auch am Kaiser hängt er.

THEKLA.

Nicht mehr, als Pflicht und Ehre von ihm fodern.

GRÄFIN.

Von seiner Liebe fodert man Beweise,

Und nicht von seiner Ehre – Pflicht und Ehre!

Das sind vieldeutig doppelsinnge Namen,

Ihr sollt sie ihm auslegen, seine Liebe

Soll seine Ehre ihm erklären.

THEKLA.

Wie?

GRÄFIN.

Er soll dem Kaiser oder Euch entsagen.

THEKLA.

Er wird den Vater gern in den Privatstand

Begleiten. Ihr vernahmt es von ihm selbst,

Wie sehr er wünscht, die Waffen wegzulegen.

GRÄFIN.

Er soll sie nicht weglegen, ist die Meinung,

Er soll sie für den Vater ziehn.

THEKLA.

Sein Blut,

Sein Leben wird er für den Vater freudig

Verwenden, wenn ihm Unglimpf widerführe.[453]

GRÄFIN.

Ihr wollt mich nicht erraten – Nun so hört.

Der Vater ist vom Kaiser abgefallen,

Steht im Begriff, sich zu dem Feind zu schlagen,

Mitsamt dem ganzen Heer –

THEKLA.

O meine Mutter!

GRÄFIN.

Es braucht ein großes Beispiel, die Armee

Ihm nachzuziehn. Die Piccolomini

Stehn bei dem Heer in Ansehn, sie beherrschen

Die Meinung und entscheidend ist ihr Vorgang.

Des Vaters sind wir sicher durch den Sohn –

– Ihr habt jetzt viel in Eurer Hand.

THEKLA.

O jammervolle Mutter! Welcher Streich des Todes

Erwartet dich! – Sie wirds nicht überleben.

GRÄFIN.

Sie wird in das Notwendige sich fügen.

Ich kenne sie – Das Ferne, Künftige beängstigt

Ihr fürchtend Herz, was unabänderlich

Und wirklich da ist, trägt sie mit Ergebung.

THEKLA.

O meine ahnungsvolle Seele – Jetzt –

Jetzt ist sie da, die kalte Schreckenshand,

Die in mein fröhlich Hoffen schaudernd greift.

Ich wußt es wohl – O gleich, als ich hier eintrat,

Weissagte mirs das bange Vorgefühl,

Daß über mir die Unglückssterne stünden –

Doch warum denk ich jetzt zuerst an mich –

O meine Mutter! meine Mutter!

GRÄFIN.

Faßt Euch.

Brecht nicht in eitle Klagen aus. Erhaltet

Dem Vater einen Freund, Euch den Geliebten,

So kann noch alles gut und glücklich werden.

THEKLA.

Gut werden! Was? Wir sind getrennt auf immer! –

Ach, davon ist nun gar nicht mehr die Rede.

GRÄFIN.

Er läßt Euch nicht! Er kann nicht von Euch lassen.

THEKLA.

O der Unglückliche!

GRÄFIN.

Wenn er Euch wirklich liebt, wird sein Entschluß

Geschwind gefaßt sein.

THEKLA.

Sein Entschluß wird bald[454]

Gefaßt sein, daran zweifelt nicht. Entschluß!

Ist hier noch ein Entschluß?

GRÄFIN.

Faßt Euch. Ich höre

Die Mutter nahn.

THEKLA.

Wie werd ich ihren Anblick

Ertragen!

GRÄFIN.

Faßt Euch.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 452-455.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
Lektürehilfen Friedrich Schiller 'Wallenstein'
Wallensteins Lager /Die Piccolomini
Wallensteins Tod.
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht Tübingen 1800
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Holz, Arno

Die Familie Selicke

Die Familie Selicke

Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon