[489] Gräfin. Herzogin. Max und Thekla.
GRÄFIN zur Herzogin.
Wenn sie ihn sehn – Es ist noch Hoffnung, Schwester.
HERZOGIN.
Hoffnung! Ich hab keine.
MAX der während des letzten Auftritts in einem sichtbaren Kampf von ferne gestanden, tritt näher.
Das ertrag ich nicht.
Ich kam hieher mit fest entschiedner Seele,
Ich glaubte recht und tadellos zu tun,
Und muß hier stehen, wie ein Hassenswerter,
Ein roh Unmenschlicher, vom Fluch belastet,
Vom Abscheu aller, die mir teuer sind,
Unwürdig schwer bedrängt die Lieben sehn,
Die ich mit einem Wort beglücken kann –
Das Herz in mir empört sich, es erheben
Zwei Stimmen streitend sich in meiner Brust,
In mir ist Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen.
O wohl, wohl hast du wahr geredet, Vater,
Zu viel vertraut ich auf das eigne Herz,
Ich stehe wankend, weiß nicht, was ich soll.
GRÄFIN.
Sie wissens nicht? Ihr Herz sagts Ihnen nicht?
So will ichs Ihnen sagen!
Ihr Vater hat den schreienden Verrat
An uns begangen, an des Fürsten Haupt
Gefrevelt, uns in Schmach gestürzt, daraus
Ergibt sich klar, was Sie, sein Sohn, tun sollen,
Gutmachen, was der Schändliche verbrochen,
Ein Beispiel aufzustellen frommer Treu,
Daß nicht der Name Piccolomini
Ein Schandlied sei, ein ewger Fluch im Haus
Der Wallensteiner.
MAX.
Wo ist eine Stimme
Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle
Bewegt der Wunsch, die Leidenschaft. Daß jetzt
Ein Engel mir vom Himmel niederstiege,[489]
Das Rechte mir, das unverfälschte, schöpfte
Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand!
Indem seine Augen auf Thekla fallen.
Wie, Such ich diesen Engel noch? Erwart ich
Noch einen andern?
Er nähert sich ihr, den Arm um sie schlagend.
Hier, auf dieses Herz,
Das unfehlbare, heilig reine will
Ichs legen, deine Liebe will ich fragen,
Die nur den Glücklichen beglücken kann,
Vom unglückselig Schuldigen sich wendet.
Kannst du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe?
Erkläre, daß dus kannst und ich bin euer.
GRÄFIN mit Bedeutung.
Bedenkt –
MAX unterbricht sie.
Bedenke nichts. Sag, wie dus fühlst.
GRÄFIN.
An Euren Vater denkt –
MAX unterbricht sie.
Nicht Friedlands Tochter,
Ich frage dich, dich, die Geliebte frag ich!
Es gilt nicht eine Krone zu gewinnen,
Das möchtest du mit klugem Geist bedenken.
Die Ruhe deines Freundes gilts, das Glück
Von einem Tausend tapfrer Heldenherzen,
Die seine Tat zum Muster nehmen werden.
Soll ich dem Kaiser Eid und Pflicht abschwören?
Soll ich ins Lager des Octavio
Die vatermörderische Kugel senden?
Denn wenn die Kugel los ist aus dem Lauf,
Ist sie kein totes Werkzeug mehr, sie lebt,
Ein Geist fährt in sie, die Erinnyen
Ergreifen sie, des Frevels Rächerinnen,
Und führen tückisch sie den ärgsten Weg.
THEKLA.
O Max
MAX unterbricht sie.
Nein, übereile dich auch nicht.
Ich kenne dich. Dem edeln Herzen könnte
Die schwerste Pflicht die nächste scheinen. Nicht[490]
Das Große, nur das Menschliche geschehe.
Denk, was der Fürst von je mir angetan,
Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten.
O auch die schönen, freien Regungen
Der Gastlichkeit, der frommen Freundestreue
Sind eine heilige Religion dem Herzen,
Schwer rächen sie die Schauder der Natur
An dem Barbaren, der sie gräßlich schändet.
Leg alles, alles in die Waage, sprich
Und laß dein Herz entscheiden.
THEKLA.
O das deine
Hat längst entschieden, folge deinem ersten
Gefühl –
GRÄFIN.
Unglückliche!
THEKLA.
Wie könnte das
Das Rechte sein, was dieses zarte Herz
Nicht gleich zuerst ergriffen und gefunden?
Geh und erfülle deine Pflicht. Ich würde
Dich immer lieben. Was du auch erwählt,
Du würdest edel stets und deiner würdig
Gehandelt haben – aber Reue soll
Nicht deiner Seele schönen Frieden stören.
MAX.
So muß ich dich verlassen, von dir scheiden!
THEKLA.
Wie du dir selbst getreu bleibst, bist dus mir.
Uns trennt das Schicksal, unsre Herzen bleiben einig.
Ein blutger Haß entzweit auf ewge Tage
Die Häuser Friedland, Piccolomini,
Doch wir gehören nicht zu unserm Hause.
– Fort! Eile! Eile, deine gute Sache
Von unsrer unglückseligen zu trennen.
Auf unserm Haupte liegt der Fluch des Himmels,
Es ist dem Untergang geweiht. Auch mich
Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben
Hinabziehn. Traure nicht um mich, mein Schicksal
Wird bald entschieden sein. –
Max faßt sie in die Arme, heftig bewegt. Man hört hinter der Szene ein[491] lautes, wildes, langverhallendes Geschrei: »Vivat Ferdinandus!« von kriegerischen Instrumenten begleitet. Max und Thekla halten einander unbeweglich in den Armen.
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
|
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro