Vierter Auftritt


[457] Wallenstein. Illo. Vorige.


WALLENSTEIN.

Es ist noch still im Lager?

ILLO.

Alles still.

WALLENSTEIN.

In wenig Stunden kann die Nachricht dasein

Aus Prag, daß diese Hauptstadt unser ist.

Dann können wir die Maske von uns werfen,

Den hiesigen Truppen den getanen Schritt

Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.

In solchen Fällen tut das Beispiel alles.

Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,

Und wer der Vorderste ist, führt die Herde.

Die Prager Truppen wissen es nicht anders,

Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,

Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,

Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.

– Der Buttler, sagst du, hat sich nun erklärt?[457]

ILLO.

Aus freiem Trieb, unaufgefodert kam er,

Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.

WALLENSTEIN.

Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,

Die warnend sich im Herzen läßt vernehmen.

Uns zu berücken, borgt der Lügengeist

Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit

Und streut betrügliche Orakel aus.

So hab ich diesem würdig braven Mann,

Dem Buttler, stilles Unrecht abzubitten,

Denn ein Gefühl, des ich nicht Meister bin,

Furcht möcht ichs nicht gern nennen, überschleicht

In seiner Nähe schaudernd mir die Sinne,

Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.

Und dieser Redliche, vor dem der Geist

Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Glücks.

ILLO.

Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,

Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.

WALLENSTEIN.

Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan

Hieher, ich hab ihn mir noch jüngst verpflichtet.

Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh!

ILLO geht hinaus, unterdessen sind die übrigen wieder vorwärtsgekommen.

WALLENSTEIN.

Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!

Wir wollen einmal von Geschäften ruhn –

Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde

Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.

GRÄFIN.

Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.

WALLENSTEIN beiseite zur Gräfin.

Kann sies vernehmen? Ist sie vorbereitet?

GRÄFIN.

Noch nicht.

WALLENSTEIN.

Komm her, mein Mädchen. Setz dich zu mir.

Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,

Die Mutter hat mir deine Fertigkeit

Gepriesen, es soll eine zarte Stimme

Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele

Bezaubert. Eine solche Stimme brauch

Ich jetzt, den bösen Dämon zu vertreiben,[458]

Der um mein Haupt die schwarzen Flügel schlägt.

HERZOGIN.

Wo hast du deine Zither, Thekla? Komm.

Laß deinem Vater eine Probe hören

Von deiner Kunst.

THEKLA.

O meine Mutter! Gott!

HERZOGIN.

Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.

THEKLA.

Ich kann nicht, Mutter –

GRÄFIN.

Wie? Was ist das, Nichte!

THEKLA zur Gräfin.

Verschont mich – Singen – jetzt – in dieser Angst

Der schwer beladnen Seele – vor ihm singen –

Der meine Mutter stürzt ins Grab!

HERZOGIN.

Wie, Thekla, Launen? Soll dein gütger Vater

Vergeblich einen Wunsch geäußert haben?

GRÄFIN.

Hier ist die Zither.

THEKLA.

O mein Gott – wie kann ich –


Hält das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und geht schnell ab.


HERZOGIN.

Mein Kind – o sie ist krank!

WALLENSTEIN.

Was ist dem Mädchen? Pflegt sie so zu sein?

GRÄFIN.

Nun weil sie es denn selbst verrät, so will

Auch ich nicht länger schweigen.

WALLENSTEIN.

Wie?

GRÄFIN.

Sie liebt ihn.

WALLENSTEIN.

Liebt! Wen?

GRÄFIN.

Den Piccolomini liebt sie.

Hast du es nicht bemerkt? Die Schwester auch nicht?

HERZOGIN.

O war es dies, was ihr das Herz beklemmte!

Gott segne dich, mein Kind! Du darfst

Dich deiner Wahl nicht schämen.

GRÄFIN.

Diese Reise –

Wenns deine Absicht nicht gewesen, schreibs

Dir selber zu. Du hättest einen andern

Begleiter wählen sollen!

WALLENSTEIN.

Weiß ers?[459]

GRÄFIN.

Er hofft sie zu besitzen.

WALLENSTEIN.

Hofft

Sie zu besitzen – Ist der Junge toll?

GRÄFIN.

Nun mag sies selber hören!

WALLENSTEIN.

Die Friedländerin

Denkt er davonzutragen? Nun! Der Einfall

Gefällt mir! Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.

GRÄFIN.

Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,

So –

WALLENSTEIN.

– Will er mich auch endlich noch beerben.

Nun ja! Ich lieb ihn, halt ihn wert, was aber

Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?

Sind es die Töchter, sinds die einzgen Kinder,

Womit man seine Gunst bezeugt?

HERZOGIN.

Sein adeliger Sinn und seine Sitten –

WALLENSTEIN.

Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.

HERZOGIN.

Sein Stand und seine Ahnen –

WALLENSTEIN.

Ahnen! Was!

Er ist ein Untertan, und meinen Eidam

Will ich mir auf Europens Thronen suchen.

HERZOGIN.

O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch

Hinauf, daß wir zu tief nicht fallen mögen.

WALLENSTEIN.

Ließ ich mirs soviel kosten, in die Höh

Zu kommen, über die gemeinen Häupter

Der Menschen wegzuragen, um zuletzt

Die große Lebensrolle mit gemeiner

Verwandtschaft zu beschließen? – Hab ich darum –


Plötzlich hält er inne, sich fassend.


Sie ist das Einzige, was von mir nachbleibt

Auf Erden, eine Krone will ich sehn

Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.

Was? Alles – Alles! setz ich dran, um sie

Recht groß zu machen – ja in der Minute,

Worin wir sprechen –


Er besinnt sich.


Und ich sollte nun[460]

Wie ein weichherzger Vater, was sich gern hat

Und liebt, fein bürgerlich zusammengeben?

Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich

Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen –

Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,

Die höchste, letzte Münze meines Schatzes,

Nicht niedriger fürwahr gedenk ich sie

Als um ein Königsszepter loszuschlagen –

HERZOGIN.

O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen

Bis in die Wolken, bauen fort und fort

Und denken nicht dran, daß der schmale Grund

Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.

WALLENSTEIN zur Gräfin.

Hast du ihr angekündigt, welchen Wohnsitz

Ich ihr bestimmt?

GRÄFIN.

Noch nicht. Entdeckts ihr selbst.

HERZOGIN.

Wie? Gehen wir nach Kärnten nicht zurück?

WALLENSTEIN.

Nein.

HERZOGIN.

Oder sonst auf keines Ihrer Güter?

WALLENSTEIN.

Sie würden dort nicht sicher sein.

HERZOGIN.

Nicht sicher

In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?

WALLENSTEIN.

Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.

HERZOGIN.

O Gott, bis dahin haben Sies gebracht!

WALLENSTEIN.

In Holland werden Sie Schutz finden

HERZOGIN.

Was?

Sie senden uns in lutherische Länder?

WALLENSTEIN.

Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr

Geleitsmann dahin sein.

HERZOGIN.

Der Lauenburger?

Ders mit dem Schweden hält, des Kaisers Feind?

WALLENSTEIN.

Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.

HERZOGIN sieht den Herzog und die Gräfin schreckensvoll an.

Ists also wahr? Es ist? Sie sind gestürzt?

Sind vom Kommando abgesetzt? O Gott

Im Himmel![461]

GRÄFIN seitwärts zum Herzog.

Lassen wir sie bei dem Glauben.

Du siehst, daß sie die Wahrheit nicht ertrüge.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 457-462.
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