[496] Buttler und Gordon.
GORDON.
Seid Ihrs? O wie verlangt mich, Euch zu hören.
Der Herzog ein Verräter! O mein Gott!
Und flüchtig! Und sein fürstlich Haupt geächtet!
Ich bitt Euch, General, sagt mir ausführlich,
Wie alles dies zu Pilsen sich begeben?
BUTTLER.
Ihr habt den Brief erhalten, den ich Euch
Durch einen Eilenden vorausgesendet?
GORDON.
Und habe treu getan, wie Ihr mich hießt,
Die Festung unbedenklich ihm geöffnet,
Denn mir befiehlt ein kaiserlicher Brief,
Nach Eurer Ordre blindlings mich zu fügen.
Jedoch verzeiht! als ich den Fürsten selbst
Nun sah, da fing ich wieder an zu zweifeln.
Denn wahrlich! nicht als ein Geächteter
Trat Herzog Friedland ein in diese Stadt.
Von seiner Stirne leuchtete wie sonst
Des Herrschers Majestät, Gehorsam fodernd,
Und ruhig, wie in Tagen guter Ordnung,
Nahm er des Amtes Rechenschaft mir ab.
Leutselig macht das Mißgeschick, die Schuld,
Und schmeichelnd zum geringern Manne pflegt
Gefallner Stolz herunter sich zu beugen;
Doch sparsam und mit Würde wog der Fürst
Mir jedes Wort des Beifalls, wie der Herr
Den Diener lobt, der seine Pflicht getan.
BUTTLER.
Wie ich Euch schrieb, so ists genau geschehn.
Es hat der Fürst dem Feinde die Armee
Verkauft, ihm Prag und Eger öffnen wollen.
Verlassen haben ihn auf dies Gerücht
Die Regimenter alle, bis auf fünfe,
Die Terzkyschen, die ihm hieher gefolgt.
Die Acht ist ausgesprochen über ihn,
Und ihn zu liefern, lebend oder tot,[496]
Ist jeder treue Diener aufgefodert.
GORDON.
Verräter an dem Kaiser – solch ein Herr!
So hochbegabt! O was ist Menschengröße!
Ich sagt es oft: das kann nicht glücklich enden,
Zum Fallstrick ward ihm seine Größ und Macht
Und diese dunkelschwankende Gewalt.
Denn um sich greift der Mensch, nicht darf man ihn
Der eignen Mäßigung vertraun. Ihn hält
In Schranken nur das deutliche Gesetz
Und der Gebräuche tiefgetretne Spur.
Doch unnatürlich war und neuer Art
Die Kriegsgewalt in dieses Mannes Händen;
Dem Kaiser selber stellte sie ihn gleich,
Der stolze Geist verlernte sich zu beugen.
O schad um solchen Mann! denn keiner möchte
Da festestehen, mein ich, wo er fiel.
BUTTLER.
Spart Eure Klagen, bis er Mitleid braucht,
Denn jetzt noch ist der Mächtige zu fürchten.
Die Schweden sind im Anmarsch gegen Eger,
Und schnell, wenn wirs nicht raschentschlossen hindern,
Wird die Vereinigung geschehn. Das darf nicht sein!
Es darf der Fürst nicht freien Fußes mehr
Aus diesem Platz, denn Ehr und Leben hab ich
Verpfändet, ihn gefangen hier zu nehmen,
Und Euer Beistand ists, auf den ich rechne.
GORDON.
O hätt ich nimmer diesen Tag gesehn!
Aus seiner Hand empfing ich diese Würde,
Er selber hat dies Schloß mir anvertraut,
Das ich in seinen Kerker soll verwandeln.
Wir Subalternen haben keinen Willen,
Der freie Mann, der mächtige allein
Gehorcht dem schönen menschlichen Gefühl.
Wir aber sind nur Schergen des Gesetzes,
Des grausamen, Gehorsam heißt die Tugend,
Um die der Niedre sich bewerben darf.
BUTTLER.
Laßt Euch das enggebundene Vermögen[497]
Nicht leid tun. Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum,
Doch sicher ist der schmale Weg der Pflicht.
GORDON.
So hat ihn alles denn verlassen, sagt Ihr?
Er hat das Glück von Tausenden gegründet,
Denn königlich war sein Gemüt und stets
Zum Geben war die volle Hand geöffnet –
Mit einem Seitenblick auf Buttlern.
Vom Staube hat er manchen aufgelesen,
Zu hoher Ehr und Würden ihn erhöht,
Und hat sich keinen Freund damit, nicht einen
Erkauft, der in der Not ihm Farbe hielt!
BUTTLER.
Hier lebt ihm einer, den er kaum gehofft.
GORDON.
Ich hab mich keiner Gunst von ihm erfreut.
Fast zweifl ich, ob er je in seiner Größe
Sich eines Jugendfreunds erinnert hat –
Denn fern von ihm hielt mich der Dienst, sein Auge
Verlor mich in den Mauren dieser Burg,
Wo ich, von seiner Gnade nicht erreicht,
Das freie Herz im stillen mir bewahrte.
Denn als er mich in dieses Schloß gesetzt,
Wars ihm noch Ernst um seine Pflicht, nicht sein
Vertrauen täusch ich, wenn ich treu bewahre,
Was meiner Treue übergeben ward.
BUTTLER.
So sagt, wollt Ihr die Acht an ihm vollziehn,
Mir Eure Hilfe leihn, ihn zu verhaften?
GORDON nach einem nachdenklichen Stillschweigen, kummervoll.
Ist es an dem – verhält sichs, wie Ihr sprecht –
Hat er den Kaiser, seinen Herrn verraten,
Das Heer verkauft, die Festungen des Landes
Dem Reichsfeind öffnen wollen – Ja, dann ist
Nicht Rettung mehr für ihn – Doch es ist hart,
Daß unter allen eben mich das Los
Zum Werkzeug seines Sturzes muß erwählen.
Denn Pagen waren wir am Hof zu Burgau
Zu gleicher Zeit, ich aber war der ältre.
BUTTLER.
Ich weiß davon.[498]
GORDON.
Wohl dreißig Jahre sinds. Da strebte schon
Der kühne Mut im zwanzigjährgen Jüngling.
Ernst über seine Jahre war sein Sinn,
Auf große Dinge männlich nur gerichtet,
Durch unsre Mitte ging er stillen Geists,
Sich selber die Gesellschaft, nicht die Lust,
Die kindische, der Knaben zog ihn an,
Doch oft ergriffs ihn plötzlich wundersam,
Und der geheimnisvollen Brust entfuhr,
Sinnvoll und leuchtend, ein Gedankenstrahl,
Daß wir uns staunend ansahn, nicht recht wissend,
Ob Wahnsinn, ob ein Gott aus ihm gesprochen.
BUTTLER.
Dort wars, wo er zwei Stock hoch niederstürzte,
Als er im Fensterbogen eingeschlummert,
Und unbeschädigt stand er wieder auf.
Von diesem Tag an, sagt man, ließen sich
Anwandlungen des Wahnsinns bei ihm spüren.
GORDON.
Tiefsinnger wurd er, das ist wahr, er wurde
Katholisch. Wunderbar hatt ihn das Wunder
Der Rettung umgekehrt. Er hielt sich nun
Für ein begünstigt und befreites Wesen,
Und keck wie einer, der nicht straucheln kann,
Lief er auf schwankem Seil des Lebens hin.
Nachher führt' uns das Schicksal auseinander,
Weit, weit. Er ging der Größe kühnen Weg,
Mit schnellem Schritt, ich sah ihn schwindelnd gehn,
Ward Graf und Fürst und Herzog und Diktator,
Und jetzt ist alles ihm zu klein, er streckt
Die Hände nach der Königskrone aus,
Und stürzt in unermeßliches Verderben!
BUTTLER.
Brecht ab. Er kommt.[499]
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