Zwölfter Auftritt


[545] Vorige ohne Buttler. Gräfin Terzky tritt auf, bleich und entstellt. Ihre Sprache ist schwach und langsam, ohne Leidenschaft.


OCTAVIO ihr entgegen.

O Gräfin Terzky, mußt es dahin kommen?

Das sind die Folgen unglückselger Taten.

GRÄFIN.

Es sind die Früchte Ihres Tuns – Der Herzog

Ist tot, mein Mann ist tot, die Herzogin

Ringt mit dem Tode, meine Nichte ist verschwunden.

Dies Haus des Glanzes und der Herrlichkeit

Steht nun verödet, und durch alle Pforten

Stürzt das erschreckte Hofgesinde fort.

Ich bin die letzte drin, ich schloß es ab,

Und liefre hier die Schlüssel aus.

OCTAVIO mit tiefem Schmerz.

O Gräfin,

Auch mein Haus ist verödet![545]

GRÄFIN.

Wer soll noch

Umkommen? Wer soll noch mißhandelt werden?

Der Fürst ist tot, des Kaisers Rache kann

Befriedigt sein. Verschonen Sie die alten Diener!

Daß den Getreuen ihre Lieb und Treu

Nicht auch zum Frevel angerechnet werde!

Das Schicksal überraschte meinen Bruder

Zu schnell, er konnte nicht mehr an sie denken.

OCTAVIO.

Nichts von Mißhandlung! Nichts von Rache, Gräfin!

Die schwere Schuld ist schwer gebüßt, der Kaiser

Versöhnt, nichts geht vom Vater auf die Tochter

Hinüber, als sein Ruhm und sein Verdienst.

Die Kaiserin ehrt Ihr Unglück, öffnet Ihnen

Teilnehmend ihre mütterlichen Arme.

Drum keine Furcht mehr! Fassen Sie Vertrauen,

Und übergeben Sie sich hoffnungsvoll

Der kaiserlichen Gnade.

GRÄFIN mit einem Blick zum Himmel.

Ich vertraue mich

Der Gnade eines größern Herrn – Wo soll

Der fürstliche Leichnam seine Ruhstatt finden?

In der Kartause, die er selbst gestiftet,

Zu Gitschin ruht die Gräfin Wallenstein,

An ihrer Seite, die sein erstes Glück

Gegründet, wünscht' er, dankbar, einst zu schlummern.

O lassen Sie ihn dort begraben sein!

Auch für die Reste meines Mannes bitt ich

Um gleiche Gunst. Der Kaiser ist Besitzer

Von unsern Schlössern, gönne man uns nur

Ein Grab noch bei den Gräbern unsrer Ahnen.

OCTAVIO.

Sie zittern, Gräfin – Sie verbleichen – Gott!

Und welche Deutung geb ich Ihren Reden?

GRÄFIN sammelt ihre letzte Kraft und spricht mit Lebhaftigkeit und Adel.

Sie denken würdiger von mir, als daß Sie glaubten,

Ich überlebte meines Hauses Fall.

Wir fühlten uns nicht zu gering, die Hand[546]

Nach einer Königskrone zu erheben –

Es sollte nicht sein – Doch wir denken königlich,

Und achten einen freien, mutgen Tod

Anständiger als ein entehrtes Leben.

– Ich habe Gift – – –

OCTAVIO.

O rettet! helft!

GRÄFIN.

Es ist zu spät.

In wenig Augenblicken ist mein Schicksal

Erfüllt.


Sie geht ab.


GORDON.

O Haus des Mordes und Entsetzens!


Ein Kurier kommt und bringt einen Brief.


GORDON tritt ihm entgegen.

Was gibts? Das ist das kaiserliche Siegel.


Er hat die Aufschrift gelesen, und übergibt den Brief dem Octavio mit einem Blick des Vorwurfs.


Dem Fürsten Piccolomini.


Octavio erschrickt und blickt schmerzvoll zum Himmel.

Der Vorhang fällt.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 545-547.
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