Vierter Auftritt.

[326] Faust. Rosalinde, als Teufel


ROSALINDE. Faust.

FAUST. Ha du! Willkommen! Jezt verrichte deine Dienste, und zur Probe: verwandle dies Haus in einen Pallast.

ROSALINDE. Das kann ich nicht.[326]

FAUST. Was? den Augenblik las Rosenhekken hier hervorgehn, düftende Jasminlanden. Schaffe rieselnde Quellen hieher. Mach diesen Saal zu Elisium.

ROSALINDE. Wenn ich das könnte.

FAUST. Bringe mir das blühendste Mädchen des Landes, daß ich ihre Knie umfasse, küsse die Spizzen ihrer seidnen Finger.

ROSALINDE. Auch das kann ich nicht.

FAUST. Narre mich nicht länger, und gehorche! Türme Arabiens Schäzze vor mir auf, schaf Indiens Gold her.

ROSALINDE. Das kann ich noch weniger.

FAUST. Windiger Praler, was kannst du denn?

ROSALINDE. Null mit Null geht auf – Nichts!

FAUST. Machtloser Teufel, wenn du nichts kannst, was willst du denn hier?

ROSALINDE. Dich fragen: ob du fertig bist?

FAUST. Fertig? wozu?

ROSALINDE. Zum Abmarsch.

FAUST. Zum Abmarsch?

ROSALINDE. Nun ja! was starrst du? weist du nicht mehr, was du versprachst?

FAUST. Teufel! – Sind das die zwölf Jahre? kaum ein Punkt der bestimmten Zeit.

ROSALINDE. Ganz recht. Der Weise läst nicht den Punkt eines Augenbliks ungenüzt vorbei. Wir Teufel auch nicht. Jeder mus uns eine[327] Seele bringen. Wer hielte sonst die Langeweile der Ewigkeit aus?

FAUST. So seid ihr auch Sofisten, ihr Teufel?

ROSALINDE. O die ausgemachtesten: wir haben die Sekte gestiftet.

FAUST. Und du willst nicht erfüllen, was du versprachst?

ROSALINDE. Ha ha ha!

FAUST. Du lachst?

ROSALINDE. Mus ich nicht, armer Doktor?

FAUST. Geist der Finsternis, wirst du Wort halten?

ROSALINDE. Wort halten? ein Teufel? ha ha ha!

FAUST. Sklavischer, ohnmächtiger Geist, du vermagst nicht.

ROSALINDE. Freilich nicht! O daß Weisheit so zum Kinde werden kann! So was überlegt der grosse Mann erst nachher, was er mit Händen hätte greifen können, was ein Kind mit Händen greifen kann. Aber nun kömmt dir die Weisheit zu spät. Wenn die Gefar von ferne droht: dann flich; nicht, wenn sie dir schon auf der Ferse sizt, oder wenn du bis über die Ohren drinn stekst. Das ist eine Teufelsmoral, und ich will den von euren Pfaffen sehen, der eine bessere geben kann.

FAUST. Der Teufel ein Sittenlerer! – unbegreiflich![328]

ROSALINDE. Armer Tor, der du Teufel für Schöpfer hältst, die selbst Geschöpfe sind, hingeworfen im Abgrund, an ewigen Ketten geschlossen, niedergebeugt zum Sklavenstand; und sollen Schöpferkraft haben, Allmacht?

FAUST. O du hämischer Betrüger, elender Teufel!

ROSALINDE. Der wär ich, wenn ich Wort hielte. Kennst du den Teufel nicht besser? Mus dirs ja schon deine Amme gesagt haben, daß der Teufel der Vater der Lüge ist. Ha, ha, ha!

FAUST. Und du lachst noch?

ROSALINDE. Aus vollem Halse. Ueber eure Torheiten zu lachen, das ist ein Fest für uns Teufel.

FAUST. O des schreklichen Erwachens vom Traum, des schreklichen Erwachens zum Elend!

ROSALINDE. Spas du nicht mit Teufeln, die lonen nicht anders.

FAUST. O hab Erbarmen!

ROSALINDE. Erbarmen? das kennt kein Teufel. Die Menschen kennens nicht, und wir solltens!

FAUST. Was hab ich getan! Verderben gefunden, und suchte Warheit.

ROSALINDE. Torheit sage. Wer mehr wissen will, als er darf, wird ein Narr. Und wer höher klimmt, als es seine Kräfte zulassen, bricht den Hals, das ist natürlich.[329]

FAUST. Sagst du das, Teufel? und bist selbst so tief gefallen.

ROSALINDE. Eben deswegen. Der moralisirt immer am besten, der selber in die Grube stürzte. Ruch der Teufel fiel, weil er zu viel wissen wollte. Und nun fort.

FAUST. Unmöglich!

ROSALINDE. Du must!

FAUST. Nur noch einen kurzen Raum.

ROSALINDE. Keine Minute!

FAUST. So bin ich unwiederruflich verloren? Weh! weh!

ROSALINDE. Nun, Faust, du sollst sehen, daß ich ein honorabler Teufel bin. Hör, ich will dir ein Weib über den Hals schikken, ein schönes Weib. Wenn du vermagst ihrer Schönheit zu widerstehen: so bist du frank und frei vom Kontrakt, so will ich ihn zerreissen. Widerstehst du nicht, so bleibts beim Alten.

FAUST. O sende sie, und wenns die Göttin der Liebe selbst wäre, ich widersteh ihr gewis.

ROSALINDE. Nicht das Ding so auf die leichte Achsel genommen. Glaub mir: wenn der Teufel am sichersten verfüren will, so kriecht er in ein Weib. Daß deine Stammmutter Eva sich vom Satan verfüren lies, wundert mich nicht; aber daß Eva den Satan nicht verfürt hat, das wundert mich. Nimm dich in Acht! .... Ab.[330]


Quelle:
Schink, Johann Friedrich: Der neue Doktor Faust, eine Plaisanterie mit Gesang in zwei Aufzügen. In: Zum Behuf des Teutschen Teaters, Erster Beitrag, Graz 1782, S. 303–337, S. 326-331.
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