Fünfter Auftritt.

[73] Der Sultan, das Mädel.


DER SULTAN.

Dieweil ich heute noch, geliebtes Schäzgen, mein,

Dich nehmen will zu mir, in's weiche Bett hinein;

So wiß' mein Liebchen schön, mein Trautchen zukkersüße,

Das ganze Weibsgeschlecht, belekt sonst meine Füsse,

Gepfropft ist mein Serail von Mädeln wunderschön:

Mit allen insgesamt, kan, darf ich mich begehn.

Ich kann nach Herzenslust mit Weibern mich vergnügen,

Bald bei 'nem Kutscherweib, bald bei 'ner Prinzessin liegen,

Und in der Weiberarm, vergraben in dem Bett,

Halt' ich auf Ordnung doch, und seh auf Etikett'.[73]

Allein, ich hab' nachdem, nicht ohne Graus entdekket,

Wie Wollust gar zu viel, die Menschen straks betrekket,

Daß vieler Weiber Kus zwar bei'm Genus vergnügt,

Doch, daß man auch davon, schier die Franzosen kriegt.

Und ich mag nicht der Raub von solchem Unflat seyn,

Mag durch Merkurius nicht meinen Leib verhein.

Du, Liebchen, solst allein an meiner Seite liegen,

Dein Brüstlein soll allein mein lüstern Aug vergnügen.

Doch, Liebchen, soll das sein, so mus denn auch bei Dir

Stets ein Verschnittner sein, Dich wahren für und für:

Damit kein Bösewicht statt meiner Dich belege,

Sonst, tausend Sapperment, Du Weibsstük, sezt es Schläge!

Wenn Du Zayre wärst, so macht' ich Dich zur Frau,

Doch bist Du gegen sie nichts weiter als 'ne Sau.

Drum kann ich Dich auch nicht zu meinem Weib erkiesen:

Und glaubst Du das etwa, so werd' ich Dir was niesen.

Doch meine Hure kanst und zwar die einz'ge sein.[74]

Ich seh' kein Mensch sonst an, als Dich nur ganz allein.

Die andern insgesamt, die im Serail jezt stekken,

Die können nach der Reih mich all im Arsche lekken;

Du bist allein mein Schaz, mein's ganz allein mit Dir.

Bist Du auch so gesinn't, meinst Du's nun auch mit mir,

So ist's Dein Glük! Solst stets mich bei Dir sehen,

Will mich, so oft ich kann, des Tags, mit Dir begehen.

Doch säh' ich es einmal, Du auserwählte Perl,

Du meiner Seelen Lust! daß sich ein andrer Kerl,

Statt meiner Sultanheit mit Dir zu schaffen machte,

Und mein's Regiment's und meiner Order lachte:

So zittre nur, Du Hur'. Poz tausend Sapperment,

Du kennst den Sultan nicht, ist der einmal entbrennt,

Dann ist der Teufel los, in tausend kleinen Stükken

Hau ich Dich dann zusamm'n, kein Mensch soll's wieder flikken.11[75]

DAS MÄDEL durch die Fistel.

Ach, werthester Herr Sultan,

Sie sehen Ihre Magd mit zu viel Gnade an.

Ich bin's mein Six nicht werth die Ehre zu genießen,

Um eines Sultans Lust, so ganz allein zu büssen.

Doch wünscht' ich wol – gesteh's – Herr Sultan, o verzeih,

Daß meine Wenigkeit mit unter auch dabei

Von einer frischen Flasch zuweilen zu sich näme;

Daß, wenn ich nun bei Euch, bis auf die Hefen käme,

Ich doch des süßen Tranks nicht quitt und ledig wär.

Für Einen ist kein Weib, mein Herr, es ist für mehr.

Doch Eure Herrlichkeit, halt's Ihrer Magd zur Gnade

Daß ich so dreiste sprech',[76]

DER SULTAN zornig sich auf den Bauch schlagend, einen Fußschneller machend, und die Angen verdrehend mit hohler aus der Brust gurgeln der Stimme.

Verdammte Käsemade!

Du Regenwurm von Weib, die klein als wie 'ne Laus,

Verdammtes Trampelthier, was nimmst Du Dir heraus?

Du Rabenas Du Sau, Du Nikkel Du, Du Luder!

DAS MÄDEL einen Knix machend.

Ereifern Sie sich nicht, liebwerthester Herr Bruder!

DER SULTAN in obiger Attitüde.

Du Maulaffengezücht, Du wilde Bestia12[77]

Was unterstehst Du Dich, und was erkühnst Dich da?

Was? willst mit andern Kerl'n Dich neben mir vermengen?

Wart, bei den Beinen will ich Dich, Du Trampel hängen.

Was für ein freches Maul, und das für einen Sultan?

DAS MÄDEL durch die Fistel.

Nu, ist das nicht ein Lerm, was hab' ich denn gethan?

Ich folge nur dem Trieb, der mir ist angeboren,

Und käm' ich auch dabei um Nase und um Ohren.

Ich thue, was ich mus, denn mich hat ein Genie

Gezeuget – was schiert ihn, ob man fy!

Zu seinen Werken sagt – Meint Eure Herrlichkeiten,

Daß ein Genie sich läst von Zucht und Ordnung leiten,

Das wäre ganz was neu's. Was? Wäre meine Brust

So voll, so gros, so weis für eines Mannes Lust?

Sie irren, gnädger Herr, für einen? Nein mit nichten,[78]

Nach mir kann jederman sein Herz mit Lüsten richten,

Und wenn es ihm beliebt, genießen meinen Kus

Und meine Wenigkeit in Naturalibus,

Wenn's ihm beliebt, beseh'n – Doch können Euer Gnaden

So oft es nur gefällt, sich Ihres Spleens entladen,

Nur bitt' ich allemal mir ein Aviso aus,

So bleibt dann vor dasmal Ihr Nebenbuler aus.

DER SULTAN.

Du plauderst schreklich frech doch mus ich drüber lachen,

Denn mein Verschnittner sol Dich Hure so bewachen,

Daß sich kein Mensch nur um zwölf Schritt Dir

Ohn' mein Erlaubnis nah't, Du unverschämtes Thier.


Quelle:
Johann Friedrich Schink: Marionettentheater. Heidelberg 1925, S. 73-79.
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