Achter Auftritt.

[92] Das Mädel und Frau Knips.


DAS MÄDEL.

Abscheulich, ich möchte vor Bosheit zerplazen,

Und Dir die Augen aus dem Kopfe krazen,

Verwünschte Mutter, der hundsfüt'sche Wallfisch,

Hätt' er Dich doch ewig bei sich behalten

So müst' ich nicht als Jungfer erkalten.

Seitdem Du verdammter Flederwisch,

Hierher bist kommen, hat der verfluchte Sultan

Auf einmal alles Gefühl verloren.

FRAU KNIPS.

Länger, Nikkel, hör' ich Dich nicht an,

Da hast Du eins hinter die Ohren.

Hätt' ich doch nie Dich Hure geboren.

DAS MÄDEL.

Was mich zu schlagen – warte Du nur –

Was unterstehst Du Dich, o Hur –[92]

Die Haare will ich Dir aus dem Kopfe raufen,

Kontest Du Bestie nicht ersaufen,

Was kömst Du hierher und verführst mir den Sultan,

Hast Du Kanalje denn keinen Mann?

FRAU KNIPS.

Ein'n Mann, ein'n Mann, wo hätt' ich ihn denn,

Hat sich der Kerl nicht lassen beschneiden,

Meinst Du, ich könnte den Lumpen noch leiden?

Da irrst Du Dich, mein Töchterchen.

Mit Einem Worte sei mausestill,

Oder zerkraz Dich am ganzen Leib.

DAS MÄDEL.

Wenn ich nun aber nicht schweigen will,

Du Rabenas von einem Weib.

Was willst Du denn machen? Kraze einmal

Ich kraze Dich wieder, und solt' der Saal

Ein Ocean von Blut werden.

Du magst Dich noch so abscheulich geberden,

So steh' ich dafür, abscheuliches Weib,

Solst wenigstens nicht mit ganzem Leib,

Des Herrn Sultans Hure werden.

Will Dich mit meinen Fäusten so zerbläuen,

Daß, kömst Du die Nacht zum Sultan hin,

Er Dich für Ekel soll anspeien.

FRAU KNIPS.

Abscheuliches Weibsstük, vergibst denn gar,

Dein'n Respekt, und daß ich Mutter bin,[93]

Hast's vierte Gebot, Du saubres Haar

Denn ganz vergessen, wart' will Dich's lehren

Solst Deinen Vater und Mutter ehren.

So steht's mit klaren Buchstaben da.

DAS MÄDEL.

Wenn sonst nichts ist, Madam, ha ha, ha,

Darüber lach' ich – Gnug will's nicht haben,

Daß Du an's Sultans Küssen Dich

Statt mein'r diese Nacht solst laben,

Müste keine Fäuste und Nägel mehr haben.

FRAU KNIPS.

Länger ertrag's nicht, Du Satanskind,

Fühl' meinen Zorn, zu Muß zertreten

Will ich Dich jezt.


Sie schlägt sie zu Boden.


Quelle:
Johann Friedrich Schink: Marionettentheater. Heidelberg 1925, S. 92-94.
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