1.

Ave Maria

[305] Die Jungfrau ruht, nur Demuth ihr Geschmeide,

Im Abendschatten an der Hütte Thor.

Sie weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkor,

Doch stilles Sinnen ist ihr Seelenweide.


Da sieh! ein Jüngling tritt im lichten Kleide,

Den Palmenzweig in seiner Hand, hervor.

Voll süßen Schauers bebet sie empor,

Denn seine Stirn ist Morgenroth der Freude.


Gegrüßt, Maria! tönt sein holder Mund,

Und thut das wundervolle Heil ihr kund,

Wie Kraft von oben her sie soll umwallen.


Und sie, die Arm' auf ihre Brust gelegt,

Wo sich's geheim und innig liebend regt,

Spricht: Mir geschehe nach des Herrn Gefallen.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 305.
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