Dritter Auftritt.


[196] Canut, Ulfo.


CANUT.

So muß ich, dich als Freund versöhnet zu umfassen,

Dir selbst entgegen gehn und erst dich ruffen lassen?

Du brauchst nicht mein Gesicht zu meiden noch zu scheun.

Mein Herz ist stets gewohnt, aufrichtig zu verzeyhn.

Vom abgelegten Zorn bleibt mir kein Ernst im Blicke,

Im Herzen kein Verdruß und kein Verdacht zurücke.

Wer die verletzte Treu mir ernstlich wiedergiebt,

Und wer sie niemals brach, sind beyde gleich geliebt,

Und keiner, der mich sucht, ist meines Blicks beraubet,

Wem sein Gewissen nur mich anzusehn erlaubet.

Du weißt, wie gern mein Blick vergnügte Menschen sieht,

Und ieden, der mir dient, zu kennen sich bemüht:

Und du, der mich noch mehr als andre lieben sollte,

Du wärest es allein, der mich nicht sprechen wollte.

Glaub, Ulfo, dieses Band, das dich mit mir vereint,

Erfodert ein Vertraun, das dir zu fehlen scheint.

Du hast dieß Band geknüpft, ich will es nicht zerreissen.

Eh du mich drum ersucht, hab ich es gut geheissen.

Dieß Band wird deine Treu noch künftig fester ziehn.

Doch wessen ist dieß Schwerdt?

ULFO.

Es ist des Godewin.

CANUT.

Und er?

ULFO.

Mir ist genug, daß ich ihm dieß genommen.

Entwafnet ist durch mich noch niemand umgekommen.

CANUT.

Die Großmuth seh ich zwar: wo ist die Bürgertreu?

Ich will, daß dieser Sieg hinfort der letzte sey,

Wo Glieder eines Staats gewinnen und verlieren,

Und Bürger im Triumph die Nebenbürger führen.

Ein Sieg verdienet Ruhm, iedoch nicht iederzeit;

Dem Feinde zeige Muth, dem Freund Verträglichkeit.

Du sollst dem Godewin dieß Schwerdt zurückegeben.

ULFO.

Ich gab ihm mehr als dieß: denn ich schenkt ihm das Leben.

CANUT.

Was seh ich hier für Blut, das deine Kleider netzt?

ULFO.

Eh ich dieß Schwerdt ersiegt: so hat es mich verletzt.[196]

CANUT.

So hast du deinen Sieg nicht ohne Müh gefunden?

ULFO.

Er bringt mir Ruhm genug, und kostet wenig Wunden.

CANUT.

Du leidest, daß dieß Blut so ungehindert fließt?

ULFO.

Es fliesset ohne Schimpf, weil es gerächet ist.

CANUT.

Um es gestillt zu sehn, darfst du dich nur entfernen.

ULFO.

Du weißt, daß ich mein Blut schon längst verachten lernen.

Vor Wunden ist noch nie mein Angesicht verblaßt.

Fahr fort, und rede nur, was du zu sprechen hast.

Zu thun, wozu mich Muth und Ehrbegierde treiben,

Wird stets noch Blut genug in mir zurücke bleiben.

CANUT.

Für diesen Muth, der stets zu deiner Ehre wacht,

Hab ich ein würdig Werk, das ihn vergnügt, erdacht.

Du klagst, daß ich allein die Ehre zu mir reisse,

Und andre nur für mich ihr Blut vergiessen heisse,

Daß niemand unter mir unsterblich werden kann;

Ich masse mich allein des Rechts zum Himmel an;

Kein Sieg, den man erhält, werd ohne mich erfochten,

Und nie ein Lorbeerkranz, als für mein Haupt, geflochten;

Ich sorge nur für mich, und wolle selbst allein

Den Meinigen geliebt, den Feinden furchtbar seyn.

Du weißt, ob ich das Lob, das ich vielleicht ereile,

Nicht, so wie Sorg und Schweiß, mit meinen Helden theile,

Ob iemand unbelohnt was grosses sich erkühnt,

Und ob der Dank dem fehlt, der Dank von mir verdient.

Doch andern gleich zu seyn, das kann dich nicht vergnügen.

Der Ruhm ist dir zu schlecht, nur unter mir zu siegen.

Ein Sieg scheint dir kein Sieg, ist er nicht gänzlich dein.

Du selbst willst Oberhaupt und andrer Führer seyn.

So nimm denn, was du suchst. Ein junger Prinz der Slaven,

Der muntre Gottschalk, will des Vaters Mörder strafen,

Den Harnisch, den er itzt zum erstenmale trägt,

Hat er voll Rachbegier mit Drohen angelegt.

Um dem gerechten Zorn den Nachdruk zu verschaffen:

So stütz ich seinen Muth durch meines Heeres Waffen.

Ein Hauffe, der schon längst bey meinen Fahnen stand,

Von Kriegern seines Volks, die sich zu mir gewandt,

Ist ihm von mir geschenkt, und will mit edlen Werken

Den hier erlangten Ruhm im Vaterland bestärken.

ULFO.

Und dieß erlesne Heer hast du schon fertig stehn?

CANUT.

Es lieget vor der Stadt, und wünscht zur See zu gehn.

Den Prinzen und dieß Heer geb ich dir zu regieren.

Zur Rache sollst du sie und auch zum Ruhme führen.[197]

Der Sache ganzes Glück leg ich in deine Hand.

Des Prinzen jungen Muth bezähme dein Verstand.

Dein Beyspiel und dein Rath soll ihm zur Richtschnur dienen,

Und ohne deinen Wink soll niemand was erkühnen.

Hier, Ulfo, hast du nun ein Feld für deinen Ruhm;

Der Lorbeer, den du brichst, ist ganz dein Eigenthum.

Hier laß nun deinen Muth und deine Klugheit blicken.

Hier kann, was dich erhebt, kein andrer unterdrücken.

Hier hast du über dir kein neidisch Oberhaupt,

Das stets dir einen Theil von deinen Thaten raubt.

Du selbst wirst nun die Frucht von andrer Schweiß gemessen,

Nur dir zur Ehre wird dein Heer sein Blut vergiessen,

Ja wenn man einst den Ruhm des Prinzen schallen hört,

Sagt noch die späthe Welt, er sey durch dich gelehrt,

Und mir bleibt von dem Werk, das ich dir anbefehle,

Kein Lob, als daß ich dich dabey zum Führer wähle.

Sprich ob dich diese Wahl zufrieden stellen wird.

ULFO.

In dieser Wahl, Canut, hast du dich nicht geirrt.

Gieb mir nur dieses Heer; auch ohne dein Ermahnen

Will ich mir schon damit den Weg zur Ehre bahnen.

CANUT.

Es hat schon den Befehl. Doch hier kömmt Godewin.

Nicht anders, als versöhnt, laß ich dich von mir ziehn.

Der Kampf soll keinen Zorn in beyden hinterlassen.

Die, so ich lieben soll, die dürfen sich nicht hassen.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 196-198.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Schau-Platz der Betrieger. Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.

310 Seiten, 17.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon