[247] Frau Richardinn. Lieschen. Frau Sylvesterinn.
RICHARDINN. Ich werde folgen.
LIESCHEN. Ich werde folgen.
SYLVESTERINN. Nein! ich werde folgen, und niemand anders.
RICHARDINN. Sie nicht aufzuhalten, will ich gehen.
LIESCHEN. Ihnen zu gehorchen, will ich es thun.
SYLVESTERINN. Sie belieben sich zu setzen.
RICHARDINN. Wir erwarten Exempel.
SYLVESTERINN. Und sie sollten das Exempel geben.
LIESCHEN. Ich dächte, wir entschlössen uns, das Exempel alle drey zu geben.[247]
SYLVESTERINN. Bey dem Vergnügen, das ich habe, sie bey mir zu sehen, bedaure ich nur meinen Sohn. Er hat um zwey Uhr einem Minister aufwarten sollen, und ist noch itzo nicht wieder zurück.
LIESCHEN. Um zwey Uhr? So dächte ich, er hätte etwas zu spät kommen müssen. Sie wissen ja, Mama, daß ich ihn um zwey Uhr und zwey Minuten auf der Gasse habe gehen sehen.
RICHARDINN. Wenn der Herr Sohn so ein nöthiges Geschaffte hat: so würde er sehr unrecht gethan haben, wenn er es unsertwegen versäumt hätte.
SYLVESTERINN. Ich zweifle, ob er es Jungfer Lieschen zu gefallen nicht würde gethan haben: wenn ich mir nicht schmäuchelte, sie zu kennen, und ihm gesagt hätte, daß sie es ihm zu gute halten würden.
LIESCHEN. Sie sagen zu wenig: ich muß ihn deswegen loben.
RICHARDINN. Ich muß meiner Tochter nachsagen, daß ihr die Ordnung fast lieber ist; als sie sich selber ist: ob das gleich viel gesagt ist.
LIESCHEN. Ich würde nicht zu trösten seyn, wenn jemand meinetwegen was versäumet hätte. Aus einer kleinen Versäumniß folgt immer noch eine größere: und man kann auf diese Art vielerley Unordnung in der Welt stiften.
SYLVESTERINN. Ich stehe ihnen doch nicht dafür, daß sie nicht zuweilen eine Unordnung stiften sollten.
LIESCHEN. Mit Willen gewiß nicht, meine Frau Sylvesterinn.
SYLVESTERINN. Ich glaube auch in der That, liebes Jungfer Lieschen, da sie die Ordnung so lieb haben: sie würden denenjenigen Leuten wieder aus der Unordnung helfen, die durch sie in Unordnung gekommen wären.
LIESCHEN. Es scheinet ganz billig zu seyn: aber ich habe ein gutes Gewissen. Ich weis, daß ich nichts gestiftet habe.
RICHARDINN. Lieschen, man ergreift manchmal die Leute bey ihren Worten, ehe sie sichs versehen.
LIESCHEN. Es ist auch nur so zu verstehen, wenn ich selber nicht dabey in Unordnung käme.
SYLVESTERINN. Wenn sie bey jemanden in meinem Hause Unordnung gestiftet hätten; so weis ich gewiß, sie hülfen der Unordnung wieder ab. Und ich wollte ihnen dafür stehen, daß sie in keine andre Unordnung darüber kommen sollten; es wäre denn, daß sie ein wenig roth würden.
LIESCHEN. Die Unordnung, daß ich roth würde, würden sie gewiß bey mir schon verursacht haben: wenn ich nicht überzeugt wäre, daß ich keine Unordnung in ihrem Hause gestiftet haben könnte.
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