Das 69. Capitel.
So lange die Lerche vor Lichtmeß singet / so lange schweigt sie nacht Lichtmeß wieder stille.

[300] Die Lerchen schweigen offt noch eine geraume Zeit nach Lichtmeß stille / ob sie gleich vor Lichtmeß auch nicht sind gehöret worden: Und ob es auch zuweilen, iedoch selten, geschicht / daß sie vor Lichtmeß singet, so verursacht doch solches eben nicht, daß sie auch so lange nach Lichtmeß stille schweigen müsten. Denn offt singen sie bald nach Lichtmeß, offt auch erst in 3. 4. und mehr Wochen hernach, ob sie gleich nur 2. oder 3. Tage vor Lichtmeß gesungen haben. Und kömmt bloß auf das warme und schöne Wetter an; denn wenn dieses Vöglein in der Lufft noch grosse Kälte mercket, schwinget es sich nicht in die Höhe / und lässet seinen angenehmen Gesang nicht hören; trägt sichs aber zu, daß der stärckste Frost-Schnee und Winter vor Lichtmeß heraus kömmt, so wird es gewöhnlicher massen hernach schön Frühlings-Wetter, und lässet sich alsdenn die Lerche hören. Es ist aber keinesweges auf das Singen zu Lichtmeß zu reflectiren; iedoch ist es auch eine Sache, da ein jeder, ohne Verletzung seines Gewissens, davon halten mag, was er will.


Laß die Lerchen sich hoch schwingen,

Und fein angenehme singen,

Ob sie gleich auch spät anfiengen,

Und Mit-Fasten vorbey giengen,

Dürfft es doch noch kaum gelingen,

Daß sie wird schön Wetter bringen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 300-301.
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