Das 42. Capitel.
Die erete Loosung oder Handkauff soll man an die Erde werffen / und mit Füssen treten, so wird der Handel den Tag desto glücklicher gehen.

[110] Ich habe wohl eher selbst mit Augen gesehen, daß die Kramer das Geld, so sie früh zuerst einbekommen haben, nicht allein auf die Erde geworffen, und mit Füssen darauf getreten, sondern es auch nicht eher, als auf den Abend, wieder aufgehoben haben. Woher nun aber dieses närrische Vornehmen seinen Ursprung haben mag, weiß ich nicht. Die Erstlinge derer Früchte im Alten Testament wurden GOtt gewidmet und übergeben, ohne Zweifel darum, daß damit GOtt solte gedancket, und durch das Dancken zu fernern gnädigen Gedencken bewogen werden. Die erste Loosung oder der erste Handkauff ist in der Handlung nicht anders, als die Erstlage des Seegens GOttes zu achten; dahero wohl nicht übel gethan würde, so die Krämer solch Geld oder die Erstlinge GOtt widmeten, oder seine Glieder, nehmlich Lehrer und Prediger, Kirchen und Schulen / auch arme fromme Christen, damit begabten. Aber, aber! ob sie gleich die erste Loosung hin auf die Erde, oder, wie es einige aussprechen, zu GOttes Boden werffen, so sind sie doch / wie die unverschämten, irraisonnablen Kinder, welche zwar offt einem etwas schencken, aber bald wieder haben wollen. Sie nehmen das bald wieder zu sich / und heben es von GOttes Boden oder der Erden wieder auf, nehmen es zu sich, nicht bedenckend, daß Gott ihnen anderer Zeit wieder eine Vergeltung[111] thun werde. Was vor allerhand Thorheiten zwischen Käuffern und Verkäuffern ersonnen werden, in Ansehung der ersten Loosung oder so genannten Hanckff, das ist theils im vorigen, theils auch im 88. und 89. Capitel des ersten Hundert dieser Aberglauben mit mehrern abgehandelt und gewiesen / und will ein jeder bemühet seyn, durch allerhand albere Künste sein Interesse zu befördern. Der Käuffer denckt, wenn er den ersten Hanckff giebt, so bekömmt er die Waare etwas bessers Kauffs; der Verkäuffer kan es auch dem Käuffer so einschwatzen; auch gehet es also mit der letzten Loosung auf den Abend oder zum Feyerabend zu. Da gehet es beyderseits an ein Lügen, Schweren und Vermessen, daß einem, der zuhöret, der Schauer möchte überlauffen. Da heißt es wohl recht, wie Sirach cap. 27. schreibet: Ein Kauffman kan sich schwerlich hüten für Unrecht, und ein Krämer für Sünden. Denn um Guts willen thun viel Unrecht, und die reich werden wollen / wenden die Augen ab. Wie ein Nagel in der Mauren zwischen zweyen Steinen steckt, also steckt auch Sünde zwischen Käuffer und Verkäuffer. Solte zu Sirachs Zeiten nicht auch Aberglauben unter denen Kramern getrieben worden seyn, solte michs Wunder nehmen? Aber was bekümmert mich dieselbige Zeit, gnug, daß ietzo so vielerley solche Zauber-Possen getrieben werden, daß mancher abergläubischer Narr gern noch mehr thäte, wenn die alten Weiber nur noch mehr erfinden könten. Was diesen ietzt vorhabenden Punct anlanget /[112] würde mir es wenig Mühe machen, solchen gründlich und zur Gnüge zu widerlegen; ich hoffe aber, ein verständiger Mensch wird aus dem jenigen, was ich schon angeführet habe, zur Gnüge ersehen, daß der Canon auf einer thörichten Phantasie beruhet, die in der Natur keinen Grund findet, sondern allerdings eine Stelle unter denen Aberglauben haben muß.


So du dein Geld werffen wilt,

Wirffs in GOttes-Kasten.

Daselbst wird es reich und mild,

Ohne Ruh und Rasten,

Dir vielfache Zinnse tragn;

Aber von der Erden

Wird man wenig Danck dir sagn,

Nichts wird dir dafür werden.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 110-113.
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