Das 44. Capitel.
Wenn eine Braut heimgeholet wird / soll sie keine Umwege / sondern die gemeine Strasse fahren / sonst würde sie kein Glück haben.

[114] Gerade zu ist der kürtzeste Weg, sagt Herr D. Heinrich Müller in seinen geistlichen Erqvick-Stunden; und ist dieses auch wahr: Denn wenn man viel Umwege suchet, muß man immer in Sorgen stehen, daß hie und da einer einen Feld-Graben aufgeworffen hat, weßhalben man wieder umkehren muß, und zu der vorgesetzten Zeit nicht an Ort und Stelle anlangen kan. Es ist sonst ein Sprichwort gewöhnlich, das heißt: Sachte mit der Braut, sonst fällt sie. So man nun bey der Heimholung einer Braut wolte sachte fahren / und auch noch Umwege darzu suchen, so würde man langsam mit ihr heimkommen. Dahero ist das wohl am rathsamsten / daß man sachte fahre mit der Braut, aber fein in der ordentlichen Strasse bleibe, wenn sie ja alsdenn fället, so fället sie nicht aus dem Wege. Denn wenn eine Braut auf einem Schlupff-Wege fiel, und könte nicht selbst wieder aufstehen, wer würde sie sobald finden, als wie auf der gemeinen Strassen? Man hat ohnedem wohl eher gehöret, daß gesagt worden, die oder die Braut sey zu Falle gekommen; aber was gehet mich das an? der Bräutigam mag sie wieder aufheben, denn sonst gilt bey einer Braut kein anderer[115] nicht. Daß ich aber nicht zu weit aus dem Wege gehe, so frage ich die Jungfern Bräute auf der allgemeinen Strasse: Worinnen denn das Unglück bestehen würde, wenn sie einen Neben-Weg zögen? Oder worinnen das Glück bestehe, das sie erlangen, wenn sie auf der gemeinen Strasse fahren? Ich zweifele nicht, sie werden mir antworten: Gerade zu sey der kürtzeste Weg, und ie kürtzer der Weg, ie eher kämen sie heim zum Liebsten. Ja, wenn dieses Ihre eintzige Antwort wäre, möchte ihre Meynung wohl nicht zu tadeln seyn; aber so kommen sie mit dem Glück und Unglück aufgezogen, welches ich ihnen nicht zugestehen kan. Denn ob sie gleich sagen wolten. das Glück, so sie auf der gemeinen Land-Strassen hätten, könte darinnen bestehen, daß sie bald an Ort und Stelle kämen, und daß diejenigen, welche ihnen gewöhnlicher Massen entgegen ritten oder führen, sie nicht fehleten, und was dergleichen Lapalien mehr sind; Hingegen könten sie auf einem Um-Wege sich leichtlich verirren, oder, wenn sie irgend iemanden zu nahe auf seine Wiesen oder Aecker führen, gepfändet werden, oder, ander Unglück mehr haben, das in einer freyen Strasse nicht zu besorgen sey. Ja / das ist alle gut, ihr lieben Dinger, aber höret doch auch noch eines: Wenn denn nun auf der freyen Strasse Strassen-Räuber auf euch passeten, oder es gäbe gefährliche ausgefahrne Schläge und Löcher darinnen / welches aber auf Neben-Wegen nicht zu besorgen wäre, was woltet ihr alsdenn wohl einwenden? Heutiges Tages[116] wollen ja überall krumme Wege die besten seyn, und wolte es nicht vor gar langer Zeit ein Klein-Städtischer Bürgermeister gar nicht wohl leiden, wenn einer gerade zu in die Raths-Stube eingieng, sondern fuhr wohl ehe die Leute mit der grämischen Rede an: Oho! fein gerade zu, als wie die Lauß über die---! Darum wäre mein getreuer Rath, eine iede Braut führe den sichersten und beqvemsten Weg, ohne speciale Besorgung eines Unglücks, weil doch Glück und Unglück nur alleine bey GOtt stehet. Und ob zwar wohl bekannt ist, daß manche Braut, zu ihres Bräutigams höchsten Mißfallen, zuweilen Neben-Wege suchet, (welche Huren-Wege auch wohl Zweifels frey in diesem ietzt vorhabenden Punct von dem Urheber mögen verstanden, und von den einfältigen Weibern im abergläubischen Verstande angenommen worden seyn) so bleibt es doch dabey, daß bey Heimholung einer Braut, soferne der gemeine Weg böse ist, man ohne einige Besorgung einen beqvemern Weg fahren mag, alle Huren- und Ehebruchs-Wege aber ausgenommen.


Wers Glück hat, mag die Braut heimführen,

Verführen aber nicht,

Wiewohl es offt geschicht.

Da denn muß lassen sich vexiren

Der albre Bräutigam,

Der gute Hahnen-Kamm.

Drum führ ein jeder seine Braut

Fein selbst heim, geb ihr Ständel-Kraut,

Wenn sie ihm erst ist angetraut.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 114-117.
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