Das 99. Capitel.
Wenn man Bier auf hat, und die Hauß-Magd kehret den Besen mit dem Stiele unten / so müssen sich die Bier-Gäste schlagen / und wenn sie auch die besten Freunde wären.

[423] Warum hat aber ein solcher umgekehrter Besen nur zu der Zeit, wenn Bier geschenckt wird, solchen Effect, die Gäste zu veruneinigen, und zu anderer Zeit nicht auch? fürwahr dieses macht die Kunst sehr verdächtig, daß solche erlogen seyn müsse. Von freyen stücken erhebt sich unter den Gästen nie keine Schlägerey, sondern sie müssen erst mit Worten einen Streit anfangen, so sie aber zancken, so muß eine Ursach seyn / warum sie sich zancken; ist nun aber eine Ursach des Zancks vorhanden, so kan der umgekehrte Besen nicht für die Ursach gehalten werden, man wolte denn gar zu weit gehen und sagen: der umgekehrte Besen hätte auch so viel Würckung, daß dadurch unter denen Bier-Gästen allerhand Ursachen zum zancken hervorgesucht würden, woran die Gäste sonst nimmermehr gedacht hätten. Aber dieses muß man nur Narren weiß machen, die alle Vernunfft verlohren haben; denn eine Sache vorgeben, ist noch lange nicht erwiesen.[423] Das will ich aber nicht wider sprechen, wenn sich die Gäste schon geschmissen, und es bund über Eck gehet, daß nicht irgend die Magd mit dem Besen auch ins Handgemenge kömmt und den Besen in die Höhe hebt, und damit zuschlagen hülffe / da sehen dann die Gäste freylich, daß die Magd den Besen das Untertheil zu oberst gekehret hat, und wenn es dann so hergehet, da liegt gemeiniglich ein Bier-Gast über den andern her, bey welchem Zustande die Magd einer Parthie beystehet, und auf die andere Part gut zuschlagen hülfft. Allein, an solchen Händeln ist kein umgekehrter Besen einige Schuld, sondern es ist der Zanck und die Schlägerey schon angefangen worden, ehe der Besen ist angegriffen gewesen. Es könnte sich auch wohl zutragen, daß einige Gäste um der Magd willen zu Bier gingen, wie es unter lüderlichen Purschen offt hergehet, daß sich ihrer etliche in eine Magd von feinen Ansehen verlieben, und nicht propter Rastrum, sed propter etc. die Mägde pflegen auch mehrentheils einen lieber zu haben, als den andern, und so sie nun vernehmen, daß der zum Biere kommen will, und jener kömmt auch, da macht sich manche Magd schon die Rechnung, daß es ohne Schlägerey nicht abgehen werde, legt demnach fein zum Voraus einen alten Besen auf die Warte in einen Winckel, und zwar kan es bey falscher Bewandnüs geschehen, daß der Stiel unten gelegt wird. Ich lasse aber[424] einen ieden bedencken, ob solcher Besen, natürlicher weise, eine Ursach einiger Schlägerey seyn kan, wo die Gäste nicht vorhero schon eine Lust darzu haben.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 423-425.
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