Sechste Szene

[823] Irene und Julian.


IRENE. Was haben die zwei für Geheimnisse? Was geht hier überhaupt vor?

JULIAN. Gar nichts Geheimnisvolles. Dieser junge Mann will auch die Expedition mitmachen, hör' ich. Und da haben sie natürlich einiges zu besprechen.

IRENE hat Felix und Sala nachgesehen. Julian. – Er ist es.

JULIAN schweigt.

IRENE. Du brauchst nicht zu antworten. Ich hab' ununterbrochen darüber nachdenken müssen ... ich begreif nur nicht, daß ich's nicht früher gewußt hab'. Er ist es. – Und dreiundzwanzig Jahre ist er alt. – Und ich hab' mir damals wirklich gedacht, wie du mich davongejagt hast: Wenn er sich nur nicht umbringt! ... Und dort spaziert sein Sohn.

JULIAN. Was hilft's mir? Mir gehört er nicht.

IRENE. Schau' doch hin! Er ist da, er lebt, er ist jung und schön! Ist das nicht genug? Sie steht auf. Und ich war ruiniert.

JULIAN. Wie? ...

IRENE. Verstehst du mich? Ruiniert ...

JULIAN. Das hab' ich nicht geahnt.

IRENE. Du hättest mir doch nicht helfen können. Pause. Adieu. Entschuldig' mich. Sag' ihnen, was du willst. Ich fahr' fort, ich will nichts mehr wissen.

JULIAN. Was hast du denn? Es hat sich ja nichts geändert.

IRENE. Glaubst du? ... Mir kommt vor, diese ganzen dreiundzwanzig Jahre sind plötzlich was ganz anderes geworden. – Leb' wohl.

JULIAN. Leb' wohl. Auf Wiedersehen.

IRENE. Auf Wiedersehen? Liegt dir denn was daran? Ja? – Bist du traurig, Julian? ... Jetzt tust du mir schon wieder leid. Kopfschüttelnd. Ihr seid halt so. Was soll man da machen!

JULIAN. Nimm dich zusammen, da kommen sie.


Quelle:
Arthur Schnitzler: Die Dramatischen Werke. Band 1, Frankfurt a.M. 1962, S. 823-824.
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