I. Von der Welt insgemein.

[112] 1. Was ist die Welt, worinn wir wohnen?


Die Welt ist eine große runde Kugel, die aus Erde und Wasser besteht. Das Wasser ist theils Meer, theils See, theils Flüsse. Das Meer, welches die großen Stücke der Erde umgiebt, heißt der Ozean, das hohe Meer, oder die offne See. Das trockne Land aber ist die Erde.


2. Wie kann die Welt rund seyn, da sie doch so viel hohe Berge und tiefe Thäler hat?


Antw. Es ist wahr, daß sie hohe Berge und tiefe Thaler hat; aber all Dieses trägt gegen die Größe der Erde so Wenig aus, als der kleinste Splitter an einer Kugel. Zudem, wenn die Erde nicht rund wäre, sondern gerade Seiten hin hätte, so könnte man von einer Höhe dieselbe ganze Seite über 1000 Meilen übersehen, als wie man einen glatten Tisch übersehen kann. Nun ist aber bekannt, daß man nirgends über 30 Meilen weit auf der Erde oder zu Wasser hinsehen kann, weil sie sich gewölbet.


3. Wie groß ist die Welt?


Antw. Sie hat 5400 deutsche Meilen (eine deutsche Meile machet zwey Stunden aus)[112] im Umkreise; wenn Einer also alle Tage 5 Meilen gerade fortreisen könnte, so hätte er 1080 Tage, das ist 3 Jahre, weniger 5 Tage herum zu reisen.


4. Wenn Einer unter seinen Füßen durchfallen sollte, wo fiele er hin?


Antw. Er fiel nicht weiter, als bis in die Mitte der Erde, weiter kann er nicht fallen: denn was von dieser Mitte der Erde weggeht, das geht aufwärts. Wollte also ein Mensch über die Mitte der Erde hinüber, so müßte er steigen, und nicht fallen.


5. Wie weit ist es hinunter bis in die Mitte der Erde?


Antw. Es sind, wie die Meisten dafür halten, 900 deutsche Meilen bis in die Mitte der Erde, aufwärts sind wiederum 900 Meilen; folglich ist die Welt 1800 Meilen dick. Wenn nun Einer in einer Stunde 16 Meilen hinauf liefe, so käme er in zween Tagen, acht und einer Viertelstunde zu der Mitte der Erde.


6. Wohnen unter uns auch Leute?


Antw. Ja, es wohnen dort auch Leute, und diese heißt man Antipodes, Gegenfüßler, das ist, die ihre Füße gegen die unsrigen kehren. Einige Ungeschickte meynen, wenn Menschen unter uns wohnen sollten, so stünden sie unter über sich, kehrten die Füße über sich, und müßten also fallen etc. Aber nein: denn, weil Das, was von der Mitte der Erde weggeht, also aufwärts zu ihnen geht, als wie es zu uns[113] heraufgeht, so kehren sie die Füße zur Mitte der Erde, und treten also die Erde mit Füßen, wie wir; sehen über sich den Himmel, wie wir. Fallen können sie auch nicht, sie müßten nur gegen den Himmel hinauf fallen.


7. Kann man die Welt auf dem Meere umfahren?


Antw. Bey den Alten war es ein Mährchen, wenn Einer vorgab, daß er die ganze Welt umgereiset; heut zu Tage aber sehen wir, daß es wohl möglich sey, die ganze Welt zu umfahren. Also hat dieselbe zu Wasser umsegelt im Jahre 1510, innerhalb 3 Jahren, Ferdi nandus Magellanus, ein Portugiese. Dem ist nachgefolget Franciscus Draco, ein engländischer Edelmann, im Jahre 1577, der innerhalb 2 Jahren und 10 Monaten die ganze Welt auch umsegelt, und mehr als 24 Tonnen Golds mit sich nach Haus gebracht. Diese Reise haben auch glücklich vollbracht Thomas Candischius, ein Engländer, im Jahre 1586; Olivier, von Nort, ein Holländer, im Jahre 1698; Georg Spiegelberg, ein Niederländer, im Jahre 1614; und Wilhelmus Schout, im Jahre 1615. Mehrere Andere bey unsern Zeiten.


8. Wie viel hat die Welt Theile?


Antw. Sie hat vier Haupttheile, oder Länder, die uns bekannt sind. Als 1. Europa, so gegen Mitternacht liegt; 2. Asia, so gegen Aufgang liegt; 3. Afrika, so gegen Mittag liegt; Amerika, so gegen Abend liegt.


[114] 9. Giebt es auch Länder, die noch nicht bekannt sind?


Antw. Obschon von der Zeit an, als Christophorus Columbus im Jahre 1492 Amerika oder die sogenannte neue Welt erfunden, sehr viel Länder entdecket worden, so giebt es doch noch einige, die noch nicht recht bekannt sind, absonderlich das Land, welches ganz gegen den Nordpol liegt: denn man kann wegen Eis und Kälte nicht recht zukommen.


10. Wie viel sind Menschen auf der ganzen Welt?


Antw. Das läßt sich eigentlich nicht sagen; doch will Isaak Volsius behaupten, daß über 500 Millionen nicht seyn sollen. Der gelehrte Engländer Petrus will gar nur 400 Millionen zulassen. Aber sie irren sich weit: indem heut zu Tage das Kaiserthum China in Asien allein über 200 Millionen Menschen zählet. Besser trifft die Sache der vortreffliche Mathematiker Erhard Weigel, welcher saget, daß 1000 Millionen Menschen auf der ganzen Welt wohnen; und rechnetalso:

In Asia zum wenigsten500 Million.

In Afrika nur100 Million.

In Amerika, und den300 Million.

unbekannten Ländern

In Europa 99 Millionen,100 Million.

anstatt derer man wohl die

volle Zahl setzen mag

Zusammen1000 Million.


[115] 11. Ist die Erde größer als das Meer?


Antw. Nein, sondern das Meer ist weit größer als die Erde: denn das Merr nimmt schier dreymal so viel Platz ein, als die Erde; daß also die Erde gleichsam in dem Wasser schwimmt.


12. Giebt es Berge und Thäler in dem Meere?


Antw. Ja, es giebt nicht nur Berge und Thäler darinn, sondern auch Bäume, Hecken, Wiesen, und allerhand Gewächse, wiewohl einer andern Art, als auf der Erde: denn im Wasser sind sie weich, wann mans aber über das Wasser bringet, so werden sie hart, wie Stein.


13. Giebt es auch Thiere im Meere?


Antw. Ja, es giebt allerhand Thiere darinn, als: Meeraffen, Meerdracken, Meerschweine, Meerfüchse, Meerigel, Meerkälber, Meerochsen, Meerkühe, Meerkatzen, Meerhunde, Meermenschen, Meermänner, Meerweiber, die man Sirenen heißt, und die am obern Leibe einem Weibsbilde, am unterm Leibe aber einem Fische gleichen.


14. Wie tief ist das Meer?


Antw. Das Meer ist gemeiniglich drey deutsche Meilen tief, an etlichen Orten ist es auch tiefer, bisweilen findet man gar keinen Grund.

Quelle:
Schreger, Odilo: Odilo Schregers lustiger und nützlicher Zeitvertreiber [...]. Eilfte, vermehrte und verbesserte Auflage, Augsburg 1802, S. 112-116.
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