3. Wie drei Könige sich aufmachten, dem Sterne nachzuziehen

[384] Drei Kön'ge machten da sich auf,

(Doch keiner wußte von dem andern),

Die merkten auf des Sternes Lauf,

Und huben an mit ihm zu wandern.

Schon lange harrten sie des Herrn,

Den des Propheten Wort verkündet,

Der Sehnsucht Funken hat der Stern

Zur lichten Flamme jetzt entzündet.


Ein jeder nun bereitet sich

In den drei fern geschiednen Landen

Mit Opfern, Gaben, königlich,

Zierraten, köstlichen Gewanden.

Und Mäuler und Kameele drückt

Die Last der aufgeladnen Güter,

Manch gutes Saumroß geht gebückt,

Und nebenher die Schar der Hüter.


Und jeder, neben andrem Gut,

Nimmt seines Landes eigne Gaben;

Des Golds und der Gesteine Glut

Sucht aus der König der Araben;

Der Herr von Saba drückt den Saft

Des edlen Weihrauchs aus dem Baume,

Dem dunkeln Myrrhenkraut entrafft

Der Tharser fürst von seinem Flaume.
[384]

Was zu des Leibes Notdurft frommt,

Lädt jeder auf, zur langen Reise;

»Von Jakob's fernem Volke kommt

Der Herr der Herren!« sprach der Weise.

Dorthin zieht sie das Sterngebild,

Doch weiß es keiner von dem andern:

Einöde voll Gewürm und Wild

Trennt ihre Pfade, die sie wandern.


Sie rüsten große Heeresmacht,

Den Neugebornen zu empfangen,

Sie sehn im Geiste schon die Pracht

Der königlichen Hofburg prangen;

Sie baun im Geiste den Palast,

Das Cedernthor, die Marmelstiege; –

Und drinnen schläft in Duft und Glast

Der Königssohn in goldner Wiege.


Denn solch' und größre Herrlichkeit

Verspricht der Stern, der golden leuchtet,

Und all das funkelnde Geleit

Mit seines Lichtes Thau befeuchtet;

Wo solche Stralen mild und klar

Sich auf die dunkeln Wege streuen,

Ja, müßten ziehen sie ein Jahr,

Es will sie dennoch nicht gereuen.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 384-385.
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