III.

[53] Oben ist erzählt worden, wie Doktor Faustus einen jungen Menschen, der damals um Brot sang, jedoch eines fähigen verschmitzten Kopfes war, mit Namen Christoph Wagner, zu einem Famulus angenommen, dem er auch, weil er seine Verschwiegenheit mehr als einmal erfahren, seine meisten heimlichen Sachen, Schriften und Bücher, nach der Zeit anvertraute; und weil jener sich allewege wohl in seines Herren Kopf zu schicken wußte, ja zu dieser und jener Schalkheit seinem Herrn treulich half, hat ihn dieser sein Herr sehr geliebt und ihn als seinen Sohn gehalten.

Als sich nun die Zeit mit dem Doktor Faust ändern wollte, weil bald das vierundzwanzigste Jahr seiner Verschreibung zu Ende ging, berief er einen bekannten Notarius, daneben etliche gute Freunde aus den Herrn Studenten, und vermachte in deren Gegenwart seinem Famulus Wagner Haus und Garten, bei dem Ei enthor in der Scheergasse an der Ringmauer: item, was an Barschaft, liegender und fahrender, an Hausrat, silbernen Bechern, Büchern u s. f. da war. Nachdem nun das Testament aufgerichtet und bekräftigt worden, berief er nochmals seinen Famulus zu sich, hielt ihm vor, wie er ihn in seinem Testament wohl bedacht hätte, dieweil er sich, so lang' er nun bei ihm gewesen, wohl verhalten, und sonderlich seine Heimlichkeit nicht geoffenbaret hätte. Jedoch solle er noch überdies von ihm etwas[53] bitten, er wolle ihm's gewiß nicht abschlagen. Da begehrte der Famulus seines Herrn Kunst und Geschicklichkeit, und daß er ein solches Leben, wie Doktor Faustus geführt, auch zu führen möchte in den Stand gesetzt werden. Darauf antwortete ihm Doktor Faustus: »Wohlan, lieber Sohn, ich habe viel Bücher und Schriften, die ich mit Mühe und großem Fleiß zusammen gebracht, diese nimm in acht, doch behalte sie bei dir und schaffe damit deinen Nutzen, studiere fleißig darin, so wirst du außer allem Zweifel das lernen und bekommen, was ich habe gekonnt und zuwege gebracht. Denn diese nekromantischen Bücher und Schriften sind nicht zu verwerfen, sondern in hohem Wert zu halten, obschon die Geistlichen solche verwerfen und nennen sie die Schwarzkunst und Zauberei, ein Teufelswerk: daran kehre du dich nicht, mein Sohn, brauche dich der Welt und laß die Schrift fahren. Denn die Nekromantie ist eine hohe Weisheit und ist im Anfang der Welt aufgekommen, ja nur von den Allergelehrtesten getrieben und geübt worden, die auch dadurch bei aller Welt in großes Ansehen gekommen sind; forsche nur fleißig darin, die werden dich schon unterrichten, wie du auch zu solcher Kunst kommen und gelangen mögest. Darnach sollst du, mein lieber Sohn, wissen, weil meine versprochene vierundzwanzig Jahre nach weniger Zeit werden zu Ende gelaufen sein, daß alsdann mein Geist Mephistopheles mir weiter zu dienen nicht schuldig ist; derohalben kann ich auch dir solchen nicht verschaffen, wie gern ich's gleich thäte; jedoch will ich dir einen andern Geist, so du einen verlangest, zuordnen: halte dich nur nach meinem Tode fein bescheiden, sei verschwiegen und still; und ob man schon bei dir meine hinterlassenen Zauberbücher und Schriften von Obrigkeits wegen suchen wollte, so werden doch diejenigen, die solche zu suchen gesendet werden, also verblendet werden, daß sie deren keines nimmer finden.«

Nach dreien Tagen fragte Doktor Faust seinen Famulus, den Wagner, ob er noch willens wäre, einen Geist zu haben, der um und bei ihm wohnen sollte, und in welch einer Gestalt er ihn gern haben möchte? Wagner antwortete hierauf mit ja: »Mein Verlangen«, spricht er, »ist nach einem sittsamen und unbetrüglichen Geist; auch daß er die Gestalt eines Affen an sich haben möchte.« – »Wohlan«. sprach Doktor Faustus, »so sollst du den bald sehen.«

Zur Stunde erschien ein Affe mittlerer Größe, der sprang behend[54] zur Stube herein; da sprach Doktor Faust zu dem Famulus: »Siehe, da hast du ihn, nimm ihn hin, doch wird er dir noch zur Zeit nicht zu Willen werden, bis erst nach meinem Tod, und diesem gib den Namen Auerhahn, denn also heißet er. Daneben bitte ich dich, daß du meine Kunst, Thaten und wunderliche Abenteuer, die ich bisher getrieben, wollest fleißig aufzeichnen, sie zusammenschreiben und in eine Historie bringen, dazu denn dir dein Geist Auerhahn treulich helfen wird: was du etwa vergessen haben möchtest, dessen wird er dich fleißig erinnern und in allem dir behilfliche Hand leisten. Allein offenbare solches eher nicht, denn nach meinem Tod; ich weiß gar wohl, daß man meine Geschichten und Thaten von dir allerorten her wird haben wollen.«

Doktor Faustus konnte leichtlich erachten, daß seine Abenteuer nach seinem Tod beschrieben und der Nachwelt überlassen würden, wodurch er denn einigermaßen in seiner Betrübnis wegen seines herannahenden erbärmlichen Endes getröstet wurde, daß er also doch einen Namen möchte überkommen. Solchen noch ansehnlicher zu machen, berief er seine Freunde, etliche Studenten, denen prophezeite er in Kraft seines Geistes von allerlei Veränderungen in geistlichen und weltlichen Ständen, welche inskünftig, nach seinem Tode, geschehen würden.

Solche Prophezeiung haben sie fleißig und mit Verwunderung angehöret, auch durch den Famulus Doktor Fausti von Wort zu Wort aufschreiben lassen, wie sie dieselbe denn auch hernach unter sich ausgeteilt und an andere Orte verschickt haben.


Die Glocke war nun einmal gegossen, und das Stundenglas Doktor Fausts lief nunmehr aus, denn er hatte nur noch einen Monat vor sich, nach welchem seine vierundzwanzig Jahre zu Ende waren. Über diese Rechnung brach ihm der bittre Angstschweiß aus, und war ihm alle Stund' und Augenblick gleich als einem Mörder, der der Strafe des Todes, die ihm bereits in dem Gefängnis ist angekündigt worden, gewärtig sein muß: indem er nun solches beherzigte, gehet seine Stubenthür auf, und tritt herein Luzifer in selbsteigener Person, so ganz schwarz und zotticht, gleich als ein Bär, der erhub seine gräßliche Stimme und sprach zu ihm: »Fauste, du weißt dich noch wohl zu erinnern, wie verstockt, ehrgeizig, auch gottesvergessen du im Anfang gewesen, und hast dich an Gottes Gaben nicht lassen begnügen, sondern bist[55] oben hinausgefahren, hast mir auch keine Ruhe gelassen, bis du mich beschworest, dir in allem zu Willen zu sein; da mußt du nun selbst sagen und bekennen, daß solches dein Begehren dir durch mich ganz reichlich sei erfüllet worden, ja, daß ich dir ganz keinen Mangel gelassen, alle Wollust nach deines Herzens Begierde dir verschafft habe; ich bin dir in aller Gefährlichkeit beigestanden, du hast mehr gesehen und erfahren, denn je einer erfahren hat: ich habe dich hervorgezogen bei männiglich, hohen und niedern Standes, daß du allenthalben wert und angenehm warest, das alles mußt du selbst sagen und bekennen. Weil nun aber deine bestimmte Zeit der vierundzwanzig Jahre bald wird aus sein, wo ich mein Pfand nehmen und holen will, also kündige ich anjetzo dir meinen Dienst auf, den ich dir doch jederzeit treulich habe geleistet: so halte du mir auch treulich, was du mir versprochen hast. Dein Leib und Seele ist nun mein, darein gib dich nur willig; und ob du schon wolltest hierüber unwillig werden, so beschwerest und kränkest du nur dein Herz desto mehr. Und so lade ich dich denn vor das Gericht Gottes, da gib du Rede und Antwort, weil ich an deiner Verdammnis nicht Schuld habe; und wenn die bestimmte Zeit sich wird verlaufen haben, will ich mein Pfand hinwegnehmen und holen.«

Doktor Faustus konnte vor Schrecken und Herzensbangigkeit nicht wissen, wo er daheim wäre; und als er wieder zu sich kam, hub er mit leiser Stimme, als ein verzweifelter Mensch an zu reden und sprach: »Ich habe solches alles gefürchtet, also wird es mir auch gehen: ach, ich bin verloren, meine Sünden sind größer, denn daß sie mir könnten vergeben werden.« Als nun inzwischen der Teufel verschwunden und sein Famulus, der Wagner, solches alles gesehen und mit angehört hatte, sagte dieser zu seinem Herrn: er sollte nicht so kleinmütig sein und verzagen, es wäre noch wohl Hilfe da, er sollte seine vert auten Freunde, die um ihn schon eine geraume Zeit gewesen, beschicken, ihnen die Sache, wie sie wären, entdecken, damit er von ihnen, oder so sie nach Bedarf in der Stille einen gelehrten Magister mitbrächten, Trost aus der Heiligen Schrift haben und nehmen möchte, und, ob ja der Leib müßte eingebüßt werden, die Seele wenigstens erhalten würde. Dem antwortete der geängstigte Doktor Faustus bitterlich weinend und sprach: »Ach, was hab' ich gethan, wohin hab' ich gedacht, daß ich wegen einer so kurzen Zeit, gleich als wegen eines Augenblicks, die Seligkeit habe verscherzt, da ich doch[56] vielleicht auch mit andern Auserwählten der Himmelsfreude hätte genießen können! Wie hab' ich doch so schändlich von wegen einer so kurzwährenden Wollust der Welt die unaussprechliche Herrlichkeit der ewigen Freude verscherzt! Es ist nun aus.« Und so wollte der elende Mensch verzweifeln, jedoch richtete ihn aufs möglichste sein Famulus auf und tröstete sich des bald ankommenden Beistandes der Studenten.

Als nun der Famulus zu einem und andern von den Studenten gegangen, ihnen in höchster Stille den ganzen Handel erzählt, sind sie darüber von Herzen erschrocken und hat keiner sich mehr zu Doktor Faust verfügen wollen, damit ihnen nicht auch ein Abenteuer begegne, denn sie wußten wohl, daß mit dem Teufel nicht zu scherzen wäre. Der Famulus aber hielt inständig an; damit nun der trostlose Doktor Faustus nicht gar ohne Trost gelassen würde, nahmen sie zu sich einen gelehrten Geistlichen, dem sie alles offenbarten, und baten ihn, daß er dem Doktor Faust, von welchem sie etliche Jahre her viel Freundschaft genossen hätten recht gründlich aus der Heiligen Schrift zusprechen und also dem Teufel begegnen möchte. Da diese nun, miteinander kommend, den Doktor Faust in der Stube auf seinem Sessel sitzen sahen, wo er wie ein wilder Stier sie ansah, die Hände zusammen drückte und oft seufzte, hatten sie alle ein herzliches Mitleiden mit ihm, und nachdem sie Sitze genommen, sprach der Magister zu ihm: Er solle solche Schwermütigkeit seines Herzens ablegen, es wäre ihm noch wohl zu helfen und zu raten; er solle nur mit festem Glauben und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und Christi teures Verdienst hoffen und also dem Satan Widerstand thun, weil Gott niemand ausschließe, sondern wolle, daß eben allen Menschen geholfen werde: und sprach ferner zu ihm, er solle sich fein vor Gottes Angesicht demütigen, sich für einen armen, großen Sünder bekennen und herzliche wahre Reue über die begangenen Sünden zeigen; und wenn denn gleich der Teufel käme, »wie er gewißlich nicht lang' außen bleiben wird, und Euch, Herr Doktor, anklaget und spricht: ›Siehe Fauste, du bist ein gar zu großer Sünder, du hast es mit deinen mutwilligen Sünden gar zu grob gemacht, darum mußt du verdammt sein und bleiben‹; so begegnet ihm und antwortet getrost: ›Ja Satan, eben darum, daß du mich für einen so großen Sünder anklagest und kurzum verdammen willst, will ich nicht verdammt, sondern vielmehr selig werden; denn ich halte mich an[57] Christum, der sich selbst für meine und der Welt Sünde dargegeben hat, darum wirst du, Satan, hier nichts ausrichten, wenn du mir die Menge und Größe meiner Sünden so genau vorhältst, mich damit zu schrecken und in Verzweiflung zu stürzen. Denn eben mit dem, was du sagst, wie ich ein allzugroßer Sünder sei, gibst du mir Waffen und Schwert in die Hand, womit ich dich gewaltig überwinden und alle deine Streiche vernichten will. Denn kannst du mir vorhalten, daß ich ein großer Sünder bin und Gott schwer und hoch beleidiget habe, so kann ich dir hinwiederum sagen, daß Christus für die Sünder gestorben ist, ja der ganzen Welt Sünde, also auch die meinige, auf sich geladen hat: denn der Herr hat alle Sünden und Ungerechtigkeit auf ihn gelegt, und um der Sünde willen, die sein Volk gethan, hat er ihn geschlagen; wie geschrieben stehet bei dem Propheten Esaja im dreiundzwanzigsten Kapitel.‹«

Diese und andere Tröstungen mehr hielt der Geistliche dem Doktor Faust fleißig vor, mit Anführung anderer Sprüche mehr, aus dem Alten und Neuen Testament; sonderlich stellte er ihm die Exempel der verrufensten Sünder, welche doch auf ihre Reue wieder bei Gott zu Gnaden gekommen, beweglichst vor: wofür ihm denn Doktor Faust fleißig dankte, mit der Zusage, daß er dem allen wolle nachkommen, sich damit zu trösten; zugleich bat er, daß der Magister und die andern Herren öfters einkehren möchten, ihn zu trösten, wo es anders bei ihm noch möglich wäre.


Als Doktor Faustus also wiederum in seinem Herzen Trost gefunden, in Erwägung der treuherzigen Vermahnung aus Gottes Wort, legte er sich damit zur Ruhe nieder, und sein Famulus blieb bei ihm in der Kammer. Indem kommt der Teufel zu ihm vor das Bett, schlug gleich anfangs ein großes Gelächter auf und sagte mit lauter Stimme: »Mein Fauste, bist du einmal fromm geworden, ei so beharre darauf, schaue nur zu, was deine Frömmigkeit dir helfen werde: Lieber, ziehe zu solcher deiner Frömmigkeit eine Mönchskappe an und thue stets Buße, es wird dir wohl not sein; denn du hast es zu grob gemacht, und deiner Sünden sind mehr, als der Sandkörnlein am Meer. Lieber, wie magst du dich der Seligkeit trösten, der du aller Sünden, Büberei und Schalkheit voll bist? Willst dich trösten der Zuversicht auf Christum, so du doch jederzeit diesen gelästert hast: stelle gleich alle Zuversicht zu Gott, so wirst du dennoch verdammt und fährst[58] hinunter in die Hölle, das ist dein rechter Lohn, und warten bereits viel Teufel auf dich; wo bleibet deine Hoffnung auf Gott? Du heuchelst dir selber und dichtest dir eine nichtige Hoffnung; während doch alles umsonst und vergebens ist, es wird nichts daraus, hoffe so lang' du willst. Kannst du dich auch deiner guten Werke rühmen? Links um, es ist zu spät mit deiner Buße. – Noch eines, Fauste, sage mir die Wahrheit, was gilt's, es ficht dich deine Seligkeit nicht so viel an, als wenn du bedenkest, daß du bald sterben mußt und mußt die angenehme Wohnung der Welt verlassen und mußt verlassen gute Freunde und Gesellen: sollte es dich nicht betrüben und bekümmern, daß du von hinnen scheiden sollst? sage, ist dem nicht also?«

Doktor Faustus schwieg still und gab darauf keine Antwort, brachte die Nacht zu mit schwermütigen Gedanken, und als es Tag ward, befahl er seinem Famulus, daß er den Geistlichen wieder mit sich brächte, welcher denn bald mit zwei Studenten kam. Als ihm nun Doktor Faustus, nachdem sie Sitze genommen, angesagt, was der Teufel in der vergangenen Nacht für ein Gespräch mit ihm gehabt, antwortete der Geistliche: »Ja, es ist wahr, der Teufel kann solche Stücke hervorbringen und will sich helfen. Wenn er denn wieder zu Euch kommt, so sprecht getrost: ›Hörest du, Satan, diese und jene Beschwerungen, meiner Seligkeit halber, hast du mir vorgehalten; ich bekenne, daß ich ein armer Sünder bin, daß ich ein schwer gefallener Sünder bin, aber die Barmherzigkeit Gottes, so er durch die Liebe seines Sohnes über alle hat reichlich ausgeschüttet, ist weit größer. Gott hat nie einen Sünder verstoßen, der ernstliche Buße gethan hat, auch in der Stunde seines Todes nicht, wie den Schächer am Kreuz. So hab' ich auch einen guten Herrn, einen solchen Richter, dem wohl abzubitten ist, einen getreuen Fürsprecher Jesum Christum, den Seligmacher, der wird mich vertreten bei seinem himmlischen Vater. Und daß du mir die Verdammnis vorwirfst, das ist bei dir nichts Neues, das ist dein altes Liedlein, du bist ein Lästermaul und kein Richter, ein Verdammter und kein Verdammer. Du wirfst mir auch meine bösen Werke vor: das bekenne ich, daß nichts Gutes um und an mir ist, aber von meiner Ungerechtigkeit fliehe ich zu meinem Gerechtmacher Jesu Christo, ja zu meinem Gnadenthron; in seine Hände und Barmherzigkeit befehle ich meine Seele.‹ Und darum, mein Herr Doktor Faust«, sagte endlich der Geistliche, »seid ohne Sorge, und wenn[59] der Teufel mit Disputieren wieder an Euch will, so haltet ihm mit dem Wort Gottes diese Streiche auf.«

Doktor Faustus hatte nun etliche Tage lang Ruhe vor dem Teufel; einst aber zur Nachtzeit kam ihn in dem Bette eine Angst an, daß er nicht wußte, wo er bleiben sollte: es kamen ihm allerhand verzweifelte Gedanken in das Herz (ohne Zweifel aus Eingebung des bösen Geistes) als: »Es wird doch damit nichts sein, daß Gott mir sollte barmherzig und gnädig werden, ich hab' es allzugrob gemacht mit meinen Sünden: Gott kann nicht gleich Sünde vergeben, wie wir meinen, es ist zu spät mit meiner Buße und Bekehrung; komme ich zur Vergebung meiner Sünde und zur Gnade Gottes, so werden gewiß auch die Teufel selig, zumal ich ja nicht geringere Stücke gethan, denn was die Teufel selbst thun: zudem so ist das Büßen ja nicht wohl möglich, weil ich Gott meinen Schöpfer hab' aufgegeben und alles himmlische Heer, denen habe ich abgesagt, dagegen mich versprochen, daß ich dem Teufel eigen sein wolle mit Leib und Seel'; dies ist nun eine Sünde gegen den Heiligen Geist, die nimmermehr kann und mag vergeben werden; darum kann ich nicht glauben, daß ich bei Gott wieder zu Gnaden könne kommen.«

Mit solchen verzweifelten Gedanken schleppte er sich die ganze Nacht, und als er früh aufstand, schickte er zum drittenmal nach dem Geistlichen, meldete ihm, sobald er in die Stube getreten, die Ursache solches frühen Berufens und sprach: »Es ist mir leid, daß ich Euch, Herr Magister, so viel bemühe, denn ich besorge, daß keine Hilfe noch Rat bei mir wird statthaben, daß ich doch verdammt sein und bleiben werde.« Der Geistliche, von Herzen erschrocken, erinnerte ihn viel aus der Heiligen Schrift, legte ihm nochmal die Exempel derer vor die Augen, welche Gott, obgleich sie sich schon schwer versündiget, wieder zu Gnaden angenommen: solche verzweifelte Gedanken, sagte er, wären lauter giftige Pfeile des leidigen Teufels: »Solchergestalt hat er Euch gleichsam Thür und Thor zur Verzweiflung aufgethan; wo Ihr nun diesen unseligen Gedanken Raum gebet, so stehet die ewige Verdammnis und Hölle für Euch schon offen. Darum beileibe nicht also, verbannet vielmehr solche Gedanken aus Eurem Herzer und lasset solche bei Euch nicht einwurzeln, denn sie rühren vom Teufel her, der machet Euer Herz betrübt und ängstiget es, gleich als hättet Ihr einen unerbittlichen Gott. Demnach, wenn solche Gedanken bei Euch aufsteigen, als wolle sich Gott Euer[60] nimmer erbarmen, so sprecht: ›Teufel siehe, kommst du abermal? Ich hab' forthin nichts mehr mit dir zu schaffen, denn Gott betrübet nicht, schrecket nicht, tötet nicht, sondern ist ein Gott der Lebendigen, hat auch seinen eingebornen Sohn in diese Welt gesandt, daß er die Sünder nicht schrecken, sondern trösten solle; auch ist Christus darum gestorben und wieder auferstanden, daß er des Teufels Werk zerstörete, ein Herr darüber würde und uns lebendig machte.‹ Derohalben sollet Ihr in solcher Schwermut und Anfechtung einen Mut fassen und gedenken: ›Ich bin forthin nicht mehr eines Menschen, viel weniger des Teufels, sondern Gottes Kind, durch den Glauben an Christum, in welches Namen ich mich meiner heiligen Taufe erinnere: ich hab' mir nicht Leib und Seele gegeben, sondern der allmächtige Schöpfer hat sie mir gegeben, darum hab' ich auch nicht Macht, mich des Bundes meiner heiligen Taufe zu verzeihen.‹ Auf diese tröstliche Erinnerung pochet, Herr Doktor, unverzagt, denket nicht zurück, was Ihr gethan, sondern nehmet Euch vor, wie Ihr dem Teufel und seinem Eingeben möget kräftigen Widerstand thun mit dem Wort Gottes; und wenn Ihr zu Bette gehet, so sprecht: ›Ach, lieber Gott, ich bin freilich ein armer großer Sünder und finde nichts denn Ungerechtigkeit bei mir; aber dein lieber Sohn hat mehr Gerechtigkeit mir und allen bußfertigen Sündern mitzuteilen, als wir alle von ihm nehmen und begehren können, um welches willen du, getreuer Gott und Vater, mir wollest gnädig und barmherzig sein. Amen!‹«


Doktor Faustus legte sich nun von der Zeit an ziemlich wider den Teufel; denn ihm ward von einem seiner guten Freunde, der ein großes Mitleiden mit ihm hatte, die heilige Bibel in die Hand gegeben, ja darin die vornehmsten Machtsprüche bemerkt, daß er sie bald aufschlagen und daraus Trost schöpfen möchte. Dieses nun war dem Teufel nicht angenehm, und weil er ihm nicht anders beikommen konnte, versuchte er ihn davon abwendig zu machen, kommt deswegen nach etlichen Tagen auf einen Abend zu ihm und spricht: »Es ist nicht zu leugnen, daß dein Herz jetzt anders gerichtet ist, als es je gewesen, es fehlet auch nicht weit, du möchtest die Barmherzigkeit Gottes und was sein Wille ist, ergreifen und zu solcher Erkenntnis kommen, aber eines fehlt dir noch sehr, dahin du nimmer denken wirst. Denn Gott hat Gute und Böse erschaffen, also bleibet es vom Anfang bis zum Ende[61] der Welt. Denn du bist nicht erwählet zur Seligkeit, sondern bist ein Stück vom bösen Baum, und wenn du gleich alle Tugend und Frömmigkeit dieser Welt an dir hättest, so bist du doch nicht zum ewigen Leben versehen. Dagegen die, so auserwählet sind, ob sie schon Sünde gethan und also sterben, so sind sie doch gute Bäume und im Anfang zu dem ewigen Leben versehen. Denn Gott hat Gute mit den Bösen erschaffen, dabei lässet er's auch bleiben und nimmt sich der Menschen weiter nicht an, wie sie auch leben und sterben, bis zu dem allgemeinen Gerichte: wer denn zu dem ewigen Leben erkoren ist, der kommt darein, also ist es auch mit den Verdammten; darum ist es nichts mit deinem Vorhaben, daß du allererst um dich sehen willst, wie du möchtest in das ewige Leben kommen, so du doch von Anfang nicht dazu versehen bist.« Dieses war nun dem Doktor Faust eine seltsame Predigt und dachte solchem eine gute Weile nach, so daß er auch endlich sagte: »Es mag wahrlich wohl also sein, ich werde zu dem ewigen Leben nicht geboren sein, dieweil doch Firmament und Gestirn des Himmels ausweiset, was dem Menschen Gutes und Böses begegnen solle, und solche Exempel ereignen sich täglich, daraus geschlossen werden kann, wie Gott im Anfang sein Werk, alle Kreaturen, hat verordnet, daß solcher Lauf werde fortgehen bis an der Welt Ende. Nun ist der Mensch auch Gottes Kreatur, zum Bösen und Guten geneigt, wie ihn Gott dazu hat erschaffen, darüber ich jetzt nicht weiter reden will. Bin ich zum ewigen Leben versehen, so wird es sein müssen, wo nicht, so muß ich wohl, wie andere, dahin fahren.«

Als nun gleich des andern Tags, vielleicht aus Gottes Schickung, der Geistliche samt drei andern Studenten Doktor Faust besuchte, fand er denselben etwas freudiger in seinem Mut als früher, vermeinte demnach, der Trost aus dem Wort Gottes habe ein solches verursacht; allein er fand sich in seinem Wahn betrogen, da er vernahm, daß solches aus dem Gespräche, so der Teufel mit dem armseligen Faust von der ewigen Vorsehung gehalten, herrührte; daher der gute Geistliche wohl einsah, daß es fast mißlich sein würde mit dem Doktor Faust seiner Bekehrung halber, denn er gebe seiner Vernunft zu viel Raum und Statt, daß ihn daher der Teufel leichtlich gefangen nehmen könnte. Darum sagte er, nachdem er Sitz genommen, zu Doktor Faust: er sollte seine Vernunft in solchen hohen Artikeln der Vorsehung Gottes nicht urteilen lassen, sondern sie unter[62] den Glauben gefangen nehmen und alles das aus seinem Sinn verbannen, was ihm der Teufel vorgeschwätzet habe. »Denn«, fährt er fort, »menschliche Vernunft und Natur kann Gott in seiner Majestät nicht begreifen, darum sollen wir nicht weiter suchen noch erforschen, was Gottes Wille in diesem sei. Sein Wort hat er uns gegeben, darin er reichlich geoffenbaret hat, was wir von ihm wissen, halten, glauben und uns zu ihm versehen sollen, nach demselben sollen wir uns richten, so werden wir nicht irren; wer aber von Gottes Willen, Natur und Wesen Gedanken hat außer dem Wort, will mit menschlicher Vernunft und Wissenschaft aussinnen, der macht sich viel vergebliche Unruhe und Arbeit und fehlet sehr weit. ›Denn die Welt‹ spricht St. Paulus, ›erkennet durch ihre Weisheit Gott nicht in seiner Weisheit, auch werden diese nimmermehr lernen noch erkennen, wie Gott gegen sie gesinnet sei, die sich darüber vergeblich bekümmern, ob sie versehen oder auserwählet seien.‹ Welche in diese Gedanken geraten, denen geht ein Feuer im Herzen an, das sie nicht löschen können, also daß ihr Gewissen nicht zufrieden wird, und müssen endlich verzweifeln. Wer nun diesem Unglück und ewiger Gefahr entgehen will, der halte sich an das Wort, so wird er finden, daß unser lieber Gott einen starken, festen Grund geleget, darauf wir sicher und gewiß fußen mögen, nämlich Jesum Christum, unsern Herrn, durch welchen allein und sonst durch kein anderes Mittel wir in das Himmelreich gelangen mögen: denn er und sonst niemand ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Sollten wir nun Gott in seinem göttlichen Wesen, und wie er uns gesinnet sei, recht und wahrhaftig erkennen, so muß es durch sein Wort geschehen; und eben darum hat Gott der Vater seinen eingebornen Sohn in die Welt gesandt, daß er sollte Mensch werden, allerdings uns gleich, doch ohne Sünde, unter uns zu wohnen und des Vaters Herz und Willen uns zu offenbaren.«

Dieser Trost des Magisters, nachdem er mit den andern Abschied von Doktor Faust genommen, wollte ebensowenig bei dem Armen fruchten, als die vorigen, und mit bekümmerten Gedanken legte er sich damals auf den Abend ungegessen und ungetrunken zu Bette. Er hatte zwar bei sich in der Kammer seinen getreuen Famulus, den Wagner, aber tausenderlei Gedanken betrübten seine Seele, die ihn denn so bald, ob er's schon wünschte, nicht einschlafen ließen, noch ihm Ruhe gönnten. »Ach«, sprach[63] er ganz wehmütig, »du armseliger Mensch, du bist wohl mit allem Recht mit unter den Unseligen, da du alle Stunden den Tod erwarten mußt, während du doch noch viel gute Zeit und Stunden hättest erleben können! Ach, Vernunft, Mutwill', Vermessenheit und freier Will'! O du Blinder und Unverständiger, der du deine Glieder, Leib und Seele so blind machtest, blinder als blind! O zeitliche Wollust, in was Verderben hast du mich geführt, daß du mir meine Augen gar so verdunkelt hast! Ach, schwaches Gemüt, betrübte Seele, wo ist, wo bleibet deine Erkenntnis? O verzweifelte Hoffnung, da deiner nimmermehr gedacht wird! Ach Leid über Leid, Jammer über Jammer, wer wird mich daraus erlösen? wo soll ich mich verbergen? wohin soll ich mich verkriechen oder fliehen? ja, ja, ich sei gleich, wo ich wolle, so bin ich gefangen.«

In solchen bekümmerten Herzensgedanken und Klagen genoß Doktor Faustus doch die Gnade, daß er einschlummerte und endlich recht einschlief; er schlief aber nicht so gar lange, als er von einem bösen Traum beunruhiget und wieder aus dem Schlaf gebracht wurde. Es träumte ihm, als sähe er in seine Kammer einhertreten mehr denn tausend böse Geister, welche sämtlich feurige Schwerter in den Händen hatten und ihn zu schlagen droheten, unter denen aber einer, als der Vornehmste sich hervorthat und mit erschrecklicher Stimme zu ihm sprach: »Nun, Fauste, sind wir bereit, dich einmal an den Ort zu bringen, von welchem du oft mehrere Wissenschaft zu haben verlangt hast, wir aber haben solches bis anher versparen wollen. Nun wirst du selbst sehen, was für ein mächtiger, großer Unterschied sein wird unter den Verdammten und Auserwählten, welches dir etwa vor diesem ist gleich einer Fabel und einem Märlein gewesen.« Doktor Faust erwachte darob zur Stund' und grämte sich heftig ob diesem Gesicht, denn er konnte sich leicht die Rechnung machen, was des Traumes Bedeutung sein werde.

Indessen vermehrte sein herannahendes elendes Ende von Stund' zu Stunde seine Herzensbangigkeit, daß er ganz still und einsam blieb und war ihm nichts lieber, als solche Einsamkeit, so daß er auch nicht mehr zugeben wollte, daß der Magister mit den andern Studenten, die alle ein herzliches Mitleiden mit ihm hatten und aufs wenigste seine Seele zu erhalten suchten, zu ihm kommen und ihn trösten sollten: und ob er schon zu unterschiedlichen Malen Trostsprüche aus dem Alten und Neuen[64] Testament, welche der Geistliche vor etlichen Tagen ihm bemerkt hatte, aufschlug, so konnte er sich doch damit nicht trösten, noch darauf ein einziges Wörtlein sich zu Herzen führen, sich damit zu stärken; sondern wenn ihm gleich ein Blick eines Trostspruchs vorleuchtete, so sagte er denn bei sich selbst: »Ach, ach! das gehet mich nicht an.« Nun begegnete ihm auch etlichemal, weil er sich in die Einsamkeit zu sehr vertieft, voller Schwermut und Herzensbangigkeit war, auch keines Trostes fähig werden konnte, daß er nach Messern griff, sich damit zu entleiben: allein der Teufel ließ es nicht zu, und wenn Doktor Faust den Selbstmord ins Werk richten wollte, so war er an den Händen gleich als lahm, daß er nichts ausrichten konnte: und war ihm also in solcher seiner Einsamkeit wie einem Übelthäter oder Mörder, der in dem Gefängnis alle Stunden und Augenblicke erwarten muß, wann und zu welcher Zeit er seiner Übelthat Endurteil ausstehen solle.


Doktor Faustus hatte nur noch zehn Tage zu seinem erschrecklichen Ende, weswegen er an einem Morgen seinen Famulus, weil er bisher andere Gesellschaft nicht leiden mochte, zu sich vor sein Bett berief, gleich als wenn er nur von ihm Trost und Erquickung haben könnte, und ganz zaghaft und erschrocken zu ihm sprach: »Ach, lieber Sohn, was hab' ich mir bereitet, daß ich so roh gelebt und mein gottloses Leben bisher also geführt habe! Was habe ich jetzt davon? ich bringe nicht allein einen bösen Namen davon, sondern auch einen nagenden Wurm und böses Gewissen; ach! ich sollte zeitiger an das Ende, an mein Ende gedacht haben! und wenn ich an solches gedenke, das nun nicht mehr ferne ist, so überläuft meinen Leib ein eiskalter Schweiß, ein Zittern und Zagen meines Herzens ist da, und wenn ich nun bald davon muß und mein Leib und Seele den Teufeln zu teil werden, so sehe ich alsdann vor mir das strenge Gericht Gottes, ich weiß nicht, wo ich aus oder ein soll: es wäre mir tausendmal besser, daß ich als ein unvernünftiges Tier wäre geboren worden, oder doch in meiner zarten Kindheit gestorben! Nun, aber, ach, nun ist's aus, Leib und Seeie die fahren dahin, wohin sie geordnet sind.«

Auf solches Wehklagen und Seufzen sprach sein Famulus, den seines Herrn jammerte: »Ach, Herr Doktor, warum seid Ihr doch fort und fort so schwermütig und kränket Euer Herz[65] stets? schaffet Euch einmal Ruhe, thut dem Satan Widerstand, denn dieser peinigt und martert Euch also: ich will's nicht mehr zugeben, daß Ihr allein seid, sondern Ihr müsset entweder Leute um Euch haben, daß Ihr Euch mit ihnen ergötzet und sie Euch die melancholischen Gedanken vertreiben, oder Ihr müsset den Magister wieder zu Euch berufen, damit Ihr völligen Trost bekommet. Denn es ist ja kein Sünder so groß, er kann durch seinen Widerruf, herzliche Reue, Bekehrung und Buße zur Gnade Gottes kommen.« Doktor Faustus antwortete: »Mein lieber Christoph, schweige nur, ich bin nicht wert, daß gute, ehrliche Leute mehr zu mir kommen sollen, ich, der ich in Leibeigener des Teufels bin; so will ich auch von keinem Trost aus der Schrift mehr hören noch wissen, sintemal es doch damit alles vergebens und verloren ist, mich zu bekehren: ich will mein Leben vollends mit Trauern, Seufzen und Wehklagen zubringen.«


Das Stundenglas hatte sich nunmehr umgewendet, war ausgelaufen, die bestimmten vierundzwanzig Jahre Doktor Faustus' oder die Endschaft seiner Verschreibung war nun am nächsten: deswegen erschien ihm der Teufel abermal, und zwar in ebendieser Gestalt, wie er damals den verdammlichen Bund mit ihm aufgerichtet hatte, zeigte ihm seine Handschrift, darin er ihm mit seinem eigenen Blut seinen Leib und seine Seele verschrieben hatte, mit der Weisung, daß er auf folgende Nacht sein verschriebenes Unterpfand holen und ihn hinwegführen wollte, dessen er sich denn gänzlich versehen solle: darauf der Teufel verschwand.

Wie dem Doktor Faust hierüber müsse zu Mute gewesen sein, läßt sich leichtlich denken; es kam das Bereuen, Zittern, Zagen und seines Herzens Bangigkeit mit aller Macht an ihn, er wandte sich hin und wieder, klagte sich selbst an ohne Unterlaß, wegen seines abscheulichen und greulichen Falls, weinte, zappelte, focht, schrie und grämte sich die ganze Nacht über. In solchem erbärmlichen Zustand erschien ihm sein biheriger Hausgeist Mephistopheles zur Mitternachtszeit, sprach ihm freundlich zu, tröstete ihn und sprach: »Mein Fauste, sei doch nicht so kleinmütig, daß du von hinnen fahren mußt, gedenke doch, ob du gleich deinen Leib verlierst, ist's doch noch lang' dahin, daß du vor dem Gericht Gottes erscheinen wirst; du mußt doch ohne das sterben, es sei über kurz oder über lang, obschon du etliche hundert Jahre, so es möglich wäre, lebtest: und ob du schon als[66] ein Verdammter stirbst, so bist du es doch nicht allein, bist auch der erste nicht; gedenke an die Heiden, Türken und alle Gottlosen, die in gleicher Verdammnis mit dir sind und zu dir kommen werden. Sei beherzt und unverzagt, denke doch an die Verheißung unsers Obersten, der dir versprochen hat, daß du nicht leiden solltest in der Hölle wie die andern Verdammten.« Mit solchen und andern Worten wollte der Geist ihn beherzt machen und ihn etwas aufrichten.

Da nun Doktor Faustus sah, daß dem ja nicht anders sein konnte, und daß der Teufel sicher seinen Unterpfand nicht würde dahinten lassen, sondern auf die folgende Nacht es gewiß holen, stehet er früh morgens auf, spaziert etwas vor die Stadt hinaus und nach Verfluß von etwa anderthalb Stunden, nachdem er wieder nach Haus gekommen, befiehlt er seinem Famulus, daß er die Studenten, ehedessen seine vertrauten Freunde, noch einmal zu ihm in das Haus berufen sollte, er hätte ihnen etwas Notwendiges anzukündigen.

Weil nun diese vermeinten, Doktor Faust würde sich vollends bekehren, nahmen sie den Magister mit sich. Als sie aber angekommen, bat er sie, daß sie sich doch sämtlich wollten gefallen lassen, mit ihm noch einmal in das Dorf Rimlich zu spazieren, denn daselbst wolle er sich mit ihnen lustig erzeigen, welches er etliche Zeit bisher unterlassen hatte.

Der Geistliche verließ auf diese Worte die Behausung des Doktors, denn es hatte ihn ein Schauder bei seiner Rede ergriffen. Die Studenten aber waren dessen zufrieden und spazierten miteinander dahin, hatten unterwegs allerlei Gespräche, und nachdem sie daselbst angelanget, ließ Doktor Faust ein gutes Mahl zurichten und stellte sich auf das möglichste mit ihnen fröhlich, daß sie also beisammen recht lustig waren bis auf den Abend, da sie alle, ausgenommen Faustus, wieder nach Hause begehrten. Doktor Faustus aber bat sie gar freundlich, daß sie doch wollten nur noch dieses einzige Mal die Nacht über in dem Wirtshaus bei ihm verharren, es wäre doch schon die Zeit zur Heimkunft zu spät, er müsse ihnen nach dem Nachtessen etwas Besonderes vorhalten. Welches sie denn, weil es doch nicht anders sein könne, ihm zusagten.


Als nun das Mahl und der Schlaftrunk vorbei waren, bezahlte Doktor Faustus den Wirt und bat die Gäste, sie sollten[67] ein kleines mit ihm in die nächste Stube geben, er hätte ihnen etwas Wichtiges zu sagen, welches er bisher hätte verborgen gehalten, das betreffe sein Heil und seine Seligkeit; mit solcher Vorrede, ohne fernern Umschweif, fing er an und sprach: »Wohlgelehrte, ihr meine liebe, vertraute Herren, daß ich euch heute morgen durch meinen Famulus habe ersuchen lassen, einen Spaziergang hierher zu machen, und ihr mit einer schlechten Mittagmahlzeit vorlieb genommen, auch auf mein Anhalten bei mir als auf die Nacht anjetzo verharret, dafür sage ich euch schuldigen Dank; wisset aber zugleich, daß es um keiner andern Ursache willen geschehen, als euch zu verkündigen, daß ich mich von meiner Jugend an, während ich von Gott mit einem guten Verstand bin begabt gewesen, jedoch mit solcher Gabe nicht zufrieden war, sondern viel höher steigen und über andere hinauskommen wollte, mit allem Fleiß und Ernst auf die Schwarzkunst gelegt, in welcher ich mit der Zeit so hoch bin gekommen, daß ich einen unter den allergelehrtesten Geistern, Namens Mephistopheles, erlangt: jedoch solche Vermessenheit geriet mir bald zum Bösen und zu einem solchen Fall, wie er dem Luzifer selber widerfahren, da er um seiner Hoffart aus dem Himmel verstoßen worden. Denn als der Satan mir willig in allem meinem Vorhaben war, setzte er zuletzt mir zu, daß, so ich würde einen Bund mit ihm aufrichten und mich mit meinem eigenen Blut verschreiben, ich nach Verfluß von vierundzwanzig Jahren sein wollte sein mit Leib und Seele, dazu Gott, der heiligen Dreifaltigkeit und allem himmlischen Heer absagen, denselben nimmermehr in Nöten und Anliegen anrufen, auch alle diejenigen anfeinden, so mich von meinem Vorhaben abwendig machen und bekehren wollten: daß ich alsdann nicht allein mit hohen trefflichen Künsten begabt sein, sondern auch Geister um und neben mir haben sollte, die mich in aller Gefährlichkeit schützen und meinen Widerwärtigen zuwider sein müßten; dazu, und welches eben das meiste war, was ich auch in diesem Leben verlangte, Geld, gutes Essen und Trinken und tägliches Wohlleben, das sollte mir nimmermehr mangeln, ja, er wollte mich so hoch ergötzen nach allen meines Herzens Begierden, daß ich das Ewige nicht für das Zeitliche nehmen würde. Mit solchen übergroßen Verheißungen erfüllte er mir das Herz, daß ich bei mir gedachte: dieses Freudenleben ist gleichwohl nicht zu verwerfen, obschon der Bund gottlos und verdammlich ist; so darf ich auch den Satan[68] nicht länger aufhalten, denn sonst möchte ich um alle meine Kunst kommen, und er möchte von mir weichen; dazu so bin ich vorhin geneigt zum müßigen Leben; Fressen, Saufen und Spiel ist meine Lust, allein die Mittel dazu hab' ich nicht, allhie könnte ich alles ohne Mühe überkommen. Käme es denn einmal dahin, daß der Teufel sein Unterpfand holen und haben wollte, müßte ich's wohl geschehen lassen, ich würde doch über die bestimmte Zeit nicht viel länger leben können; zudem so kann noch wohl die Zeit kommen, dachte ich, daß ich mich möchte bekehren, Buße thun und also die Barmherzigkeit Gottes ergreifen. Da denn ohne Zweifel der Teufel nicht wird gefeiert haben, sondern mich regieret und getrieben, daß ich also den Bund mit ihm aufgerichtet, Gott und der heiligen Dreifaltigkeit abgesagt und mich mit Leib und Seele verschrieben habe.

Es hat aber der Teufel, wie ich's bekennen muß, anfänglich mir eine geraume Zeit Glauben gehalten, mir alles dasjenige erfüllt und geleistet, was mein Herz begehret hat; doch aber hat er zuweilen gefehlt und mich in etlichen Sachen stecken lassen, mit Vorwänden, ich sollte selbst durch meine Kunst mich fortbringen; und da ich mich darüber beklagte, so hat er nur ein Gespött mit mir getrieben: bin also aus Vermessenheit und Wollust in solchen Jammer geraten, zum ewigen Schaden meiner armen Seele, daraus mir nimmermehr kann geholfen werden. Nun aber sind solche Jahre auf diese Nacht aus und verlaufen; da wird denn der Teufel sein Unterpfand holen und mit mir ganz erschrecklich umgehen; das alles wollte ich doch gerne ausstehen, wenn nur die Seele erhalten würde. Ich bitte euch nun, günstige liebe Herren, ihr wollet nach meinem Tod alle diejenigen, so mich geliebet und wegen meiner Kunst im Wert gehalten haben, freundlich grüßen und von meinetwegen ihnen viel Gutes wünschen: was ich auch diese vierundzwanzig Jahre über für Abenteuer getrieben, und meine andern Geschichten, die werdet ihr in meiner Behausung aufgeschrieben finden, und mein Famulus soll sie euch nicht vorenthalten. Ihr wollet euch anjetzt miteinander zur Ruhe begeben, sicher schlafen und euch nichts anfechten lassen, auch so ihr ein Gepolter und ungestümes Wesen im Hause hören und vernehmen werdet, wollet ihr euch darob nicht entsetzen, noch euch fürchten, denn euch soll kein Leid widerfahren, wollet auch vom Bette nicht aufstehen; allein dieses möchte ich zuguterletzt von euch erbeten haben, daß, so ihr[69] meinen Leib findet, ihr solchen zur Erde bestatten lasset. Gehabt euch ewig wohl, ihr Herren, und nehmet ein Exempel an meinem Verderben. Gute Nacht, es muß geschieden sein!« Auf solches Lebewohl traten die Gäste, einer nach dem andern zu Doktor Faust, hatten ein herzliches Mitleiden und sprachen mit erschrockenem Herzen: »Herr Doktor, hiermit wünschen wir Euch auch eine gute Nacht und zwar eine bessere, als Ihr vermeinet; wir bitten sämtlich nochmals, Ihr wollet Eures Heils und Eurer Seelen Wohlfahrt bei jetziger letzten Zeit wahrnehmen; und weil Ihr nicht anders glaubet, denn der Teufel werde diese Nacht Euren Leib hinwegnehmen, so rufet den Heiligen Geist um Beistand an, damit er Eure Seele möge regieren und zu einem unzweifelhaften Glauben an Christum bringen: diesem befehlet alsdann, wenn es je nicht anders wird sein können, Euren Geist in seine barmherzigen Hände mit reuigem Herzen, sprecht mit dem König David: ›Ich harre des Herrn, meine Seele harret und ich hoffe auf sein Wort, denn bei dem Herrn ist die Gnade, und viel Erlösung ist bei ihm.‹« Darauf sagte Doktor Faust ganz weinend: »Ach, liebe Herren, ich will in meinem Herzen seufzen und ächzen, ob etwa mich Verlornen Gott wieder möchte zu Gnaden aufnehmen; aber ich besorge leider, daß nichts daraus werden dürfte, denn meiner Sünden sind zu viel.« Unter solchen Reden sank er gleich einem Ohnmächtigen hin auf die nächste Bank, darüber sie alle erschraken und sich bemüheten, ihn aufzurichten. In solchem Schrecken hörten sie im Haus ein großes Poltern, darob sie sich noch mehr entsetzten und zu einander sprachen: »Laßt uns von dannen weichen, damit uns nicht etwas Arges widerfahre, lasset uns zu Bette gehen«; wie sie denn auch solches thaten. Da sie nun dahin gegangen waren, konnte keiner aus Furcht und Entsetzen einschlafen, zudem, so wollten sie doch vernehmen, was es für einen Ausgang mit dem Doktor Faust nehmen würde.


Als nun die Mitternachtsstunde erschienen, da erhub sich plötzlich ein großer, ungestümer Wind, der riß und tobte, als ob er das Haus zu Grund stoßen wollte. Wem war nun ängster und bänger als den Studenten? Sie wünschten zehn Meilen von da zu sein und sprangen aus den Betten mit großer Furcht, da sie denn kurz darauf in der Stube, in welcher Doktor Faustus liegen geblieben, ein greuliches Zischen und Pfeifen, als ob[70] lauter Schlangen und Nattern zugegen wären, vernommen; noch mehr aber wurden sie bestürzt, da sie das Stoßen und Herumwerfen in der Stube hörten, den armseligen Faust Zeter und Mordio schreien, bald aber nichts mehr. Und es verging der Wind und legte sich und ward alles wieder ganz still. Kaum hatte es recht getagt und das Tageslicht in alle Gemächer des Hauses geleuchtet, da waren die Studenten auf, gingen miteinander ganz erschrocken in die Stube, um zu sehen, wo Doktor Faustus wäre, und was es für eine Bewandtnis diese Nacht mit ihm gehabt hätte. Sie kamen aber kaum dahin, so sahen sie bei Eröffnung der Stube, daß die Wände, Tisch und Stühle voll Blutes waren; ja sie sahen mit Erstaunen, daß das Hirn Doktor Fausts an den Wänden anklebte, die Zähne lagen auf dem Boden; und also mußten sie augenscheinlich abnehmen, wie ihn der Teufel von einer Wand zu der andern müsse geschleudert und daran zerschmettert haben. Den Körper suchten sie allenthalben im Hause, fanden ihn zuletzt außerhalb des Hauses auf einem nahe gelegenen Misthaufen liegen, er war aber ganz abscheulich anzusehen: denn es war kein Glied an dem Leichnam ganz, alles schlotterte und war ab; der Kopf war mitten voneinander, und das Hirn war ausgeschüttet. Sie trugen also den Leichnam in aller Stille in das Haus und beratschlagten sich, was ferner anzufangen sei.


Als die Studenten des Doktor Fausts Leichnam gefunden und beiseits gelegt hatten, gingen sie zu Rat, wie es nun anzugreifen wäre, daß seiner letzten Bitte ein Genügen gethan und sein Leichnam zur Erde möchte bestattet werden, und beschlossen zuletzt, daß sie dem Wirt ein Geschenk machen wollten, damit er schwiege und mit ihnen übereinstimmte, daß Doktor Faustus eines schnellen Todes wäre verstorben. Demnach näheten sie mit Beihilfe des Wirts den zerstümmelten Leichnam in ein Leintuch ein und meldeten dem Pfarrherrn des Orts, wie sie einem fremden Studenten hätten das Geleite gegeben, welchen diese Nacht ein schneller Schlagfluß getroffen, der ihn auf der Stelle hätte seines Lebens beraubt; sie bäten den Herrn Pfarrer, er wolle es bei dem Schultheißen anbringen und um die Erlaubnis bitten, solchen allhier zu begraben, sie wollten alle Unkosten auslegen: wie sie denn auch dem Pfarrherrn einen Goldgulden gaben, die Sache zu befördern, weil sie sich allda nicht lang' aufzuhalten[71] hätten. Dieses wurde denn auch am selbigen Nachmittag ins Werk gesetzt. Es hat aber der Wind damals, als man den Leichnam begrub, sich so ungestüm erzeigt, als ob er alles zu Boden reißen wollte, da doch weder vor noch nach dergleichen verspürt worden. Woraus denn die Studenten schließen mochten, welch ein verzweifeltes Ende Doktor Faust müsse genommen haben.

Aber nachdem Doktor Faustus tot und begraben war, hatte seine Seele auf Erden noch keine Ruhe. Sein Geist regte sich, erschien zum öfteren seinem Diener Christoph Wagner und hielt mancherlei Gespräche mit ihm. Zu demselben kam auch Justus Faustus, des Doktor Faust und der schönen Helena Sohn, der selbst ein bildschöner Mensch war, der sprach ganz freundlich zu dem Famulus: »Nun, ich gesegne dich, lieber Diener, ich fahre dahin, weil mein Vater tot ist; so hat meine Mutter auch hie kein Bleibens mehr, sie will auch davon; darum so sei du Erbe an meiner Statt, und wenn du die Kunst meines Vaters hast recht ergriffen, so mache dich von hinnen, halte die Kunst in Ehren; du wirst dadurch ein hohes Ansehen überkommen.« Als er solches geredet, trat auch die schöne Helena herein, nahm ihren Sohn bei der Hand, und beide verschwanden also vor des Wagners Augen, der nicht wußte, was er dazu sagen sollte; so daß man sie hernach nimmer gesehen hat. Die Nachbarn aber gewahrten den Geist des Doktor Faustus bei Nacht oftmals in seiner Behausung im Fenster liegend, sonderlich wenn der Mond schien. Er ging auch in dem Hause herum, ganz leibhaftig, in Gestalt und Kleidung, wie er auf Erden gegangen war. Denn Doktor Faustus war ein höckeriges Männchen, von dürrer Gestalt und hatte ein kleines, graues Bärtlein. Zuzeiten fing sein Geist im Hause ganz ungestüm an zu poltern, was viele Nachbarn mit erschrockenem Herzen hörten. Sein Famulus Wagner aber beschwur den Geist und verhalf ihm auf Erden zu seiner Ruhe. Und jetzt ist es in diesem Hause ganz friedlich und still.[72]

Quelle:
Schwab, Gustav: Doktor Faustus. Aus den deutschen Volksbüchern wieder erzählt, Leipzig & Wien 1888, S. 53-73.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Doktor Faustus
Das Volksbuch vom Doktor Faustus
Das Volksbuch vom Doktor Faustus
Das Volksbuch vom Doktor Faustus
Doktor Faustus

Buchempfehlung

Aristoteles

Physik

Physik

Der Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Prinzipiellen zum Indiviudellen ist der Kern der naturphilosophischen Lehrschrift über die Grundlagen unserer Begrifflichkeit von Raum, Zeit, Bewegung und Ursache. »Nennen doch die Kinder zunächst alle Männer Vater und alle Frauen Mutter und lernen erst später zu unterscheiden.«

158 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon