Kapitel IV.

[35] Geschlachtet wurden Schafe, Schweine, Ziegen,

Der stolze Stier selbst muß der Axt erliegen;

Am Feu'r geröstet, ward das Fleisch genossen,

Und nie war Wein jemals so reich geflossen.

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Ulyss nimmt nur abseiten Theil am Fest

Da man am Nebentisch ihn sitzen läßt.

Er ist damit zufrieden.


Popes Odyssee.


Der Prior Aymer hatte die ihm gebotene Gelegenheit benutzt, sein kostbares Reitkleid gegen eins von noch kostbarerem Stoff zu vertauschen. Er trug jetzt einen kunstvoll gestickten Chorrock. Außer dem massiven goldenen Siegelringe, der als Zeichen seiner geistlichen Würde seinen Daumen zierte, waren seine Finger, der Ordensregel zuwider, mit köstlichen Edelsteinen beladen; seine Sandalen bestanden aus dem feinsten Leder, welches aus Spanien eingeführt wurde; sein Bart war so kurz geschnitten, als es die Ordensregel nur irgend erlaubte, und seine Tonsur unter einer reich gestickten, scharlachnen Mütze verborgen.

Das Aeußere des Tempelritters war ebenfalls verändert, und wenn auch weniger mit Schmuck beladen, war seine Kleidung doch eben so reich und sein Aeußeres um vieles gebieterischer als das seines Begleiters. Er hatte sein Panzerhemd gegen eine seidene mit Pelz besetzte Untertunica von dunkler Purpurfarbe vertauscht, über welche ein langes Gewand von fleckenlosem Weiß in weiten Falten niederfloß. Das achteckige Kreuz seines Ordens, aus schwarzem Sammet geschnitten, war auf der Schulter an seinen Mantel geheftet. Die hohe Mörsermütze bedeckte nicht mehr seine Stirn,[36] die nur von kurzem und dichtgelocktem rabenschwarzen Haar, das seiner ungewöhnlich dunklen Gesichtsfarbe entsprach, beschattet wurde. Nichts hätte graziöser und majestätischer zugleich sein können, als sein Schritt und seine Haltung, hätten sie nicht zu deutlich ein hochfahrendes Wesen gezeigt, wie man es sich so leicht bei Ausübung eines unbestrittenen Ansehens anzueignen pflegt.

Diesen beiden hohen Personen folgten ihre beiderseitigen Diener und in demüthiger Entfernung ihr Führer, dessen Aeußeres nichts bemerkenswerthes an sich hatte, außer dem, was zur gewöhnlichen Kleidung eines Pilgers gehörte. Ein grober Mantel von schwarzem Wollenzeug, der in seiner Form fast einem Husarenmantel glich, zumal er auch ähnlich geschlitzte Aermel hatte (man nannte diese Mäntel Slavonier) hüllte seinen ganzen Körper ein. Grobe Sandalen, die mit Riemen an die bloßen Füße gebunden waren, ein Muschelhut mit breitem Rande und ein langer eisenbeschlagener Stab, an dessen oberem Ende ein Palmenzweig befestigt war, vollendeten des Pilgers Anzug. Er folgte bescheiden dem letzten, der in die Halle trat, und da er bemerkte, daß der untere Tisch nicht Raum genug für die Dienerschaft Cedrics und seiner Gäste hatte, so ging er zu einem Sessel, der neben einem der großen Kamine stand, schien beschäftigt seine Kleider zu trocknen und wartete, bis ihm irgend jemand an dem Tische Platz machen, oder bis die Gastlichkeit des Haushofmeisters ihn an dem von ihm gewählten Orte mit Erfrischungen versehen werde.

Cedric erhob sich und empfing seine Gäste mit einer Miene würdevoller Gastfreiheit; er stieg von der Erhöhung hinunter, ging drei Schritte auf sie zu und erwartete dann ihre Annäherung.

»Es thut mir leid, ehrwürdiger Prior,« sagte er, »daß ein Gelübde mich bindet, nicht weiter als drei Schritte über diesen Fußboden meiner Väter zu gehen, selbst wenn ich solche Gäste wie Euch und diesen tapfern Ritter des heiligen Tempels empfange. Aber mein Haushofmeister hat Euch bereits die Ursache meiner anscheinenden Unhöflichkeit auseinander gesetzt. Ich bitte Euch auch, mich zu entschuldigen, wenn ich in meiner Muttersprache zu Euch rede; auch darum, daß Ihr mir in derselben antwortet, wenn Eure Kenntniß derselben es gestattet. Sonst verstehe ich aber auch das Normännische, um Euch in der Unterhaltung zu folgen.«[37]

»Gelübde,« sagte der Abt, »müssen gelöst werden, würdiger Frankelin, oder erlaubt mir vielmehr zu sagen, würdiger Freisasse, obgleich der Titel veraltet ist. Gelübde sind die Bande, die uns an den Himmel binden, sie sind die Stricke, welche das Opfer an die Hörner des Altars befestigen, und müssen daher, wie ich schon vorher sagte, gelöst und erfüllt werden, wenn nicht unsere heilige Kirche das Gegentheil ausspricht. Und was die Sprache betrifft, so unterhalte ich mich gerne in derjenigen, welche meine verehrte Großmutter, Hilda von Middleham, redete, die im Geruch einer Heiligen starb, und, wenn ich es zu sagen wagen darf, ihrer ruhm- vollen Namensschwester, der gesegneten heiligen Hilda von Whitby, deren Seele Gott gnädig sein wolle, wenig nachstand.«

Als der Prior diese nach seiner Meinung begütigende Anrede geendet hatte, sagte sein Begleiter kurz und mit Nachdruck: »Ich rede stets französisch, die Sprache König Richards und seiner Edlen; doch verstehe ich sächsisch genug, um mich mit den Eingebornen des Landes verständigen zu können.«

Cedric warf dem Redenden einen jener hastigen und ungeduldigen Blicke zu, welche der Vergleich zwischen den beiden feindlichen Nationen fast immer bei ihm erregte; doch erinnerte er sich der Pflichten der Gastfreundschaft, unterdrückte alle weiteren Zeichen des Zornes, nöthigte mit einer Handbewegung seine Gäste zwei Sitze einzunehmen, ein wenig niedriger als sein eigener, aber dicht neben ihm, und gab ein Zeichen, daß das Abendessen aufgetragen werde.

Während die Diener eilten, Cedrics Befehl zu erfüllen, bemerkte er Gurth, den Schweinehirten, der mit seinem Begleiter Wamba eben in die Halle eintrat. »Schickt jene trödelnden Kerle höher herauf,« sagte der Sachse ungeduldig. Und als die Delinquenten vor dem Heahsetl ankamen, fuhr er fort: »Wie kommt es, Schurken, daß Ihr so spät ausgeblieben seid? Hast Du Deine Herde heimgebracht, Gurth, oder hast Du sie Räubern und Landstreichern überlassen?«

»Die Herde ist in Sicherheit, wenn Ihr erlaubt,« sagte Gurth.

»Ich erlaube aber nicht, Schurke,« sagte Cedric, »daß man mich zwei Stunden in der Meinung läßt, daß es anders sein könnte, und daß ich hier sitzen und Rache sinnen muß gegen meine[38] Nachbarn, die mir gar kein Unrecht zugefügt haben. Ich sage Dir, Kerl, das nächste Vergehen dieser Art werde ich mit Ketten und Gefängniß bestrafen.«

Gurth, der seines Herrn Temperament kannte, versuchte keine Entschuldigung, doch der Narr, der vermöge seines Vorrechts auf Cedrics Toleranz rechnen konnte, antwortete für sie beide: »Meiner Treu, Onkel Cedric, Du bist heute Abend weder weise noch vernünftig.«

»Wie, Bursche?« sagte sein Herr, »Du sollst in die Pförtnerwohnung und dort die Peitsche schmecken, wenn Du Deiner Narrheit so freien Spielraum lässest.«

»Vorher laß Deine Weisheit mir sagen,« fiel Wamba ein, »ist es recht und vernünftig, eine Person für den Fehler einer andern zu bestrafen?«

»Gewiß nicht, Narr,« antwortete Cedric.

»Warum willst Du denn Gurth in Ketten legen, Onkel, wegen des Fehlers seines Hundes Packan? denn ich will schwören, wir verloren keine Minute unterwegs, als wir unsere Herde beisammen hatten, was Packan nicht eher gelang, als bis wir die Vesper schlagen hörten.«

»Dann hänge Packan,« sagte Cedric, indem er sich hastig zu dem Schweinehirten wendete, »wenn er die Schuld hat, und schaffe Dir einen andern Hund an.«

»Mit Vergunst, Onkel,« sagte der Possenreißer, »das wäre auch noch etwas weiter abgeglitscht von der Gerechtigkeit, denn es war nicht Packans Schuld, daß er lahm ist, und die Herde nicht zusammentreiben konnte, sondern die Schuld derjenigen, die ihm zwei von seinen Vorderzehen abschnitten, eine Operation, zu welcher der arme Kerl, wenn man ihn befragt hätte, gewiß nicht ja gesagt haben würde.«

»Und wer wagte, ein Thier zu lähmen, welches meinem Leibeigenen gehört?« sagte der Sachse mit aufflammender Wuth.

»Ei, das that der alte Hubert,« sagte Wamba, »Sir Philipp de Malvoisins Wildmeister. Er fing Packan auf, als er im Walde umherlief, und behauptete, er jage Wild, wodurch er das Jagdrecht seines Herrn verletze.«

»Der böse Feind hole Malvoisin,« antwortete der Sachse, »und[39] seinen Wildmeister dazu. Wâ tham men, the vrôhte thurh hyne and flît cymth! Ich will ihnen beweisen, daß mir das Jagdrecht so gut zusteht, wie ihnen. – Aber genug davon. Geh, Bursche, geh an Deinen Platz, und Du, Gurth, schaffe Dir einen andern Hund an, und sollte der Wildmeister ihn anzurühren wagen, so will ich ihm dagegen das Bogenschießen verleiden. Den Fluch eines Feiglings über mein Haupt, wenn ich ihm nicht den Vorderfinger seiner rechten Hand abschlage! Er soll keine Bogensehne mehr spannen. Ich bitte um Verzeihung, meine würdigen Gäste. Ich bin hier von Nachbarn umlagert, die es Euren Ungläubigen im gelobten Lande gleich thun, Herr Ritter. Aber Eure frugale Speise steht vor Euch; eßt, und laßt den freundlichen Willkommen die kärgliche Bewirthung entschuldigen.«

»Das Mahl, welches auf dem Tische stand, bedurfte indeß keiner Entschuldigung von Seiten des Hausherrn. Schweinefleisch, auf verschiedene Art zubereitet, zeigte sich auf dem niedrigen Theile der Tafel, sowie auch Geflügel, Wildpret, Ziegen und Hasen, verschiedene Arten von Fischen, nebst ungeheuren Broden, Kuchen und verschiedenem Eingemachten von Früchten und Honig. Die kleineren Arten von wildem Geflügel, welche im Ueberfluß da waren, wurden nicht auf Tellern servirt, sondern auf kleinen hölzernen Spießen hereingebracht und von den Pagen und Bedienten, welche sie trugen, jedem Gaste der Reihe nach angeboten, der so viel davon abschnitt, als ihm gefiel. Neben jeder Person von Rang und Würde stand ein silberner Becher, und die untere Tafel war mit großen Trinkhörnern versehen.«

Als das Mahl beginnen sollte, erhob plötzlich der Haushofmeister seinen Stab und sagte laut: »Habt Acht! Platz für die Hlaefdige Rowena!« Eine Seitenthür am obern Ende der Halle hinter der Tafel that sich auf, und Rowena, von vier Dienerinnen begleitet, trat ins Gemach. Cedric, obgleich nicht ganz angenehm überrascht, weil seine Mündel sich bei dieser Gelegenheit öffentlich zeigte, eilte ihr entgegen und führte sie mit respektvollem Ceremoniel zu dem erhöhten Sitze zu seiner Rechten, der für die Dame des Hauses bestimmt war. Alle standen auf, um sie zu begrüßen,[40] und diese Höflichkeit mit einer stummen Verbeugung erwidernd, ging sie anmuthsvoll vorwärts, um ihren Platz an der Tafel einzunehmen. Ehe sie noch Zeit hatte, dies zu thun, flüsterte der Templer dem Prior zu: »Ich werde kein goldenes Halsband von Euch beim Turnier tragen. Der Chierwein ist Euer.«

»Sagte ich es nicht?« antwortete der Prior; »aber mäßigt Euer Entzücken, der Frankelin beobachtet Euch.«

Ohne auf diese Vorstellung zu achten und gewohnt, allein nach dem unmittelbaren Antriebe seiner Wünsche zu handeln, heftete Brian de Bois-Guilbert seine Augen beständig auf die angelsächsische Schöne, die seiner Phantasie vielleicht darum desto auffallender war, weil sie sich so sehr von den orientalischen Sultaninnen unterschied.

Nach den edelsten Körperverhältnissen ihres Geschlechts gebildet, war Rowena groß von Statur, doch nicht so groß, daß sie gerade deshalb die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Ihre Gesichtsfarbe war außerordentlich zart und weiß, doch schlossen die edle Bildung ihres Hauptes und ihrer Züge den nichtssagenden Ausdruck aus, der zuweilen Schönheiten dieser Art eigen ist. Ihr klares blaues Auge, welches von anmuthig geschweiften Brauen von dunkler Farbe überschattet war, stark genug hervortretend, um der Stirn Ausdruck zu verleihen, schien gleich fähig zu zünden wie zu schmelzen, zu gebieten wie zu flehen. Wenn Milde der natürlichere Ausdruck einer Vereinigung von solchen Gesichtszügen war, so konnte man doch auch erkennen, daß die Ausübung gewohnter Hoheit und die allgemeine Huldigung der angelsächsischen Schönen einen majestätischen Charakter verliehen hatten, der sich in ihre natürlichen Züge mischte und sie bestimmend hervortrat. Ihr üppiges, dunkelblondes Haar war auf phantastische aber anmuthige Weise in zahlreiche Ringellocken vertheilt, die zu bilden Kunst die Natur unterstützt haben mußte. Diese Locken waren mit Edelsteinen durchwebt und wallten in ihrer vollen Länge hernieder, so daß dadurch die edelfreie Geburt und die unabhängige Lage des Mädchens angedeutet wurde. Eine goldene Kette, an der eine kleine ebenfalls goldene Reliquie befestigt war, hing an ihrem Halse, um die bloßen Arme trug sie Armspangen. Die Kleidung bestand aus Unterkleid und Mieder von blasser meergrüner Seide, darüber breitete sich ein langes, weites Gewand, das bis auf den Boden herabhing[41] und sehr weite Aermel hatte. Dieses Gewand war carmoisinroth und aus der feinsten Wolle verfertigt. Ein seidener, mit Gold durchwebter Schleier war an dem obern Theile desselben befestigt, der nach spanischer Sitte über Gesicht und Busen gezogen oder wie eine Art Draperie um die Schultern gelegt werden konnte.

Als Rowena bemerkte, daß des Tempelritters Augen mit einer Gluth auf sie gerichtet waren, die, mit den dunklen Höhlen, in denen sie sich bewegten, verglichen, ihnen das Aussehen brennender Steinkohlen verliehen, zog sie mit Würde den Schleier um ihr Gesicht, um anzudeuten, daß die Freiheit solcher Blicke ihr unangenehm sei. Cedric bemerkte die Bewegung und die Veranlassung derselben. »Herr Templer,« sagte er, »die Wangen unserer sächsischen Mädchen haben zu wenig von der Sonne gesehen, als daß sie fähig wären, den festen Blick eines Kreuzfahrers auszuhalten.«

»Wenn ich gefehlt habe,« versetzte Sir Brian, »so bitte ich um Verzeihung, das heißt, ich bitte um Lady Rowenas Verzeihung, denn tiefer läßt meine Demuth mich nicht herabsteigen.«

»Die Lady Rowena hat uns alle bestraft,« sagte der Prior, »da sie die Kühnheit meines Freundes zurückwies. Laßt mich hoffen, daß sie weniger grausam gegen die glänzende Ritterschaar sein wird, die sich beim Tournier versammelt.«

»Es ist ungewiß, ob wir dorthin gehen,« sagte Cedric. »Ich liebe diese Eitelkeiten nicht, die meinen Vätern unbekannt waren, als England noch frei war.«

»Laßt uns dennoch hoffen, daß unsere Gesellschaft Euch bestimmen wird, dorthin zu reisen,« sagte der Prior; »da die Wege so unsicher sind, ist die Begleitung des Ritters Brian de Bois-Guilbert nicht zu verachten.«

»Herr Prior,« antwortete der Sachse, »wohin ich auch immer in diesem Lande gereist bin, habe ich bis dahin außer der Hilfe meines guten Schwertes und meiner getreuen Diener keines andern Beistandes bedurft. Gegenwärtig, wenn wir wirklich nach Ashby de la Zouche gehen, reisen wir in Begleitung meines edlen Nachbars und Landsmanns Athelstane von Coningsburgh, und mit einem solchen Gefolge, daß wir Geächteten und Familienfeinden zu trotzen vermögen. – Ich trinke Euch diesen Becher Weines zu, der, wie ich hoffe, nach Eurem Geschmack sein wird, Herr Prior,[42] und danke Euch für Eure Höflichkeit. Solltet Ihr streng an Eurer Mönchsregel halten,« setzte er hinzu, »so daß Ihr Euer Getränk, die saure Milch, vorzieht, so werdet Ihr mir doch hoffentlich aus Gefälligkeit Bescheid thun.«

»Nein,« sagte der Priester lachend, »wir beschränken uns nur in unserer Abtei auf lac dulce oder lac acidum. Im Umgange mit der Welt fügen wir uns der Weltsitte, und daher thue ich Euch in diesem rechtschaffenen Weine Bescheid und überlasse meinem Laienbruder das schwächere Getränk.«

»Und ich,« sagte der Templer, indem er seinen Becher füllte, »trinke ›waes hael‹ der schönen Rowena; denn seit ihre Namensschwester dieses Wort in England einführte, ist keine eines solchen Tributes würdiger gewesen. Meiner Treu, ich könnte es dem unglücklichen Vortigern verzeihen, hätte er nur halb so viel Ursache gehabt, wie wir jetzt, Schiffbruch an seiner Ehre und seinem Königreich zu leiden.«

»Ich will Euch Eure Höflichkeit ersparen, Herr Ritter,« sagte Rowena mit Würde und ohne sich zu entschleiern; »oder vielmehr ich will sie in so weit in Anspruch nehmen, als ich Euch um die neuesten Nachrichten aus Palästina bitte; diese Dinge sind unsern sächsischen Ohren angenehmer als die Complimente, welche die französische Erziehung Euch gelehrt hat.«

»Ich habe wenig Wichtiges zu sagen, Fräulein,« antwortete Brian de Bois-Guilbert, »außer daß der Waffenstillstand mit Saladin bestätigt ist.«

Er wurde von Wamba unterbrochen, der seinen gewöhnlichen Sitz auf einem Stuhle eingenommen hatte, dessen Rücklehne mit zwei Eselsohren verziert war, und der etwa zwei Schritte hinter dem seines Herrn stand, welcher ihm von Zeit zu Zeit Speisen von seiner eigenen Schüssel reichte – eine Gunst, die der Possenreißer[43] mit den Lieblingshunden theilte. Hier saß Wamba, einen kleinen Tisch vor sich, die Fersen auf die Querstange des Stuhls gestellt, und die Backen so sehr gefüllt, daß seine Kiefern einem Nußknacker glichen. Seine Augen waren halb verschlossen, beobachteten aber mit Lebhaftigkeit jede Gelegenheit, seine privilegirte Narrheit auszuüben.

»Diese Waffenstillstände mit den Ungläubigen,« rief er, ohne sich darum zu kümmern, wie plötzlich er den stattlichen Templer unterbrach, »machen mich zum alten Manne!«

»Nun, Schurke, wie so?« sagte Cedric, dessen Gesichtszüge darauf vorbereitet waren, den erwarteten Scherz günstig aufzunehmen.

»Weil ich mich in meiner Zeit dreier Waffenstillstände erinnere,« antwortete Wamba, »von denen jeder fünfzig Jahre dauern sollte, sodaß ich wenigstens hundert und fünfzig Jahre alt sein müßte, wenn man alles zusammennimmt.«

»Ich stehe Dir indeß dafür, daß Du an hohem Alter nicht stirbst,« sagte der Templer, der jetzt seinen Freund aus dem Walde erkannte; »ich kann Dir von den Todesarten nur eine gewaltsame versprechen, wenn Du allen Reisenden solche Weisungen ertheilst, wie Du diesen Abend dem Prior und mir sie gabst.«

»Wie Bursche,« sagte Cedric, »Du hast Reisende irre geführt? Ich werde Dich peitschen lassen; Du bist eben so sehr Schurke als Narr.«

»Ich bitte Dich, Onkel,« antwortete der Possenreißer, »laß diesmal meine Narrheit meine Schurkerei in Schutz nehmen. Ich irrte mich nur zwischen meiner rechten und meiner linken Hand; und wer einen Narren zum Rathgeber und Führer nahm, sollte noch einen größern Irrthum verzeihen.«

Hier wurde die Unterhaltung durch den Eintritt des Pagen unterbrochen, der das Amt des Thürstehers versah. Er meldete, daß ein Fremder am Thor sei und um Einlaß und Aufnahme bitte.

»Laßt ihn ein,« sagte Cedric, »er sei, wer er wolle. Eine Nacht, wie sie draußen stürmt, nöthigt selbst wilde Thiere, sich zu den zahmen zu gesellen, und den Schutz des Menschen, ihres tödtlichsten Feindes, lieber zu suchen, als daß sie durch die Elemente umkommen. Sieh zu, Oswald, daß seine Bedürfnisse mit aller Sorgfalt befriedigt werden!«

Und der Haushofmeister verließ den Speisesaal, um den Befehl seines Herrn auszuführen.

Quelle:
Scott, Walter: Ivanhoe. Berlin 1901, S. 35-44.
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