Prewald

[226] Von Laibach aus geht es nun allmählich immer aufwärts, und man hat die hohe Bergspitze des Loibels rechts hinter sich. Bei Oberlaibach, einem ziemlich kleinen Städtchen, kommt die Laibach aus den Bergen und trägt, gleich einige hundert Schritte von dem Orte des Ausgangs, Fahrzeuge von sechzig Zentnern. Von hier geht es immer höher bis nach Loitsch und so fort bis nach Planina, das, wie der Name zeigt, in einer kleinen Ebene, ziemlich tief zwischen den rund umher emporsteigenden Bergen liegt. Der Weg von Laibach bis Oberlaibach hat noch ziemlich viel Kultur; aber von da ist er wild und rauh, und man trifft außer den Stationen bis nach Adlersberg wenig Häuser an. Hier in Planina hatte das Wasser wieder Unfug angerichtet. Es dringt überall aus den Bergen hervor und hat das ganze schöne Tal zu einer außerordentlichen Höhe[226] überschwemmt, so daß die Eichen desselben bis an die Äste im Wasser stehen. Dieses war noch nicht ganz festgefroren, und man setzte auf mehrern Fahrzeugen beständig über nach Planina. Der Fall ist nicht selten in dieser Jahreszeit; aber diesesmal war die Flut außerordentlich hoch. Die Hälfte von Planina, auf der andern Seite des Tals, stand unter Wasser. Vorzüglich soll die Flut auch mit vermehrt werden durch den Bach von Adlersberg, der dort bei der Schloßhöhle sich in die Felsen stürzt, so einige Meilen unter der Erde fortschießt und hier in einer Schlucht wieder zum Vorschein kommt.

Von Planina aus windet sich der Weg in einer langen Schneckenlinie den großen Berg hinan und gibt in mehreren Punkten rückwärts sehr schöne Partien, wie auch schon, wenn ich nicht irre, Herr Küttner bemerkt hat. Mich deucht, daß man ohne großen Aufwand die Straße in ziemlich gerader Linie hinauf hätte ziehen können, die auch, mit gehörigen Absätzen, eben nicht beschwerlich sein würde. Ehrliche Krainer hatten es hier und da schon mit ihren kleinen Wagen getan, und zu Fuße konnte man schon überall mit Bequemlichkeit durchschneiden. Die Herrschaft Adlersberg liegt oben auf der größten Höhe und ist nur von noch höheren Bergspitzen umgeben. Der Schloßberg ist bei weitem nicht der höchste, sondern nur der höchste in der Ebene, welche die Herrschaft ausmacht. Von allen Seiten sammelt sich das Wasser und bildet einen ziemlichen Fluß, der bei der Grotte am Schloßberge, nahe bei der Mühle, wie oben erwähnt worden ist, in die Felsen stürzt. Ich wollte, wie Du denken kannst, die Höhle sehen, und es ward mir schwer, einen Menschen zu finden, der mich begleiten wollte. Endlich ging ein Mensch von der Maut mit mir, kaufte Fackel und Licht und führte mich weit, weit vor den Ort[227] hin aus durch den tiefsten Schnee immer waldeinwärts. Das ging eine starke halbe Stunde ohne Bahn so fort, und der Mensch wußte sodann nicht mehr, wo er war, und suchte sich an den Felsenspitzen und Schluchten zu orientieren. Wir arbeiteten noch eine halbe Stunde durch den hohen Schnee, in dem dicksten Fichtenwalde, und – keine Grotte! Du begreifst, daß es mir etwas bedenklich ward, mit einem wildfremden, baumstarken Kerl so allein in den Schluchten herumzukriechen und in Krain eine Höhle zu suchen; mich beruhigte aber, daß ich von dem öffentlichen Kaffeehause in der Stadt vor aller Augen mit ihm abgegangen war. Ich sagte ihm, die Höhle müsse, wie ich gehört habe, doch nahe an der Stadt, am Schloßberge sein, und er antwortete, jene in der Nähe der Stadt solle ich auf dem Rückwege sehen; aber diese entfernte sei die merkwürdigere. Endlich kamen wir nach vielem Irren und Suchen nach einer halben Stunde am Eingange der Höhle an. Dieser ist wirklich romantisch, wild und schauerlich, in einem tiefen Kessel, rund umher mit großen Felsenstücken umgeben und mit dem dichtesten Schwarzwalde bewachsen. Hier zündeten wir in dem Gewölbe halb am Tage die Fackel an und gingen in die Höhle hinein, ungefähr eine Viertelstunde über verschiedene Felsenfälle, sehr abschüssig, immer bergab. Beim Hinabsteigen hörte ich links in einer ungeheuren Tiefe einen Strom rauschen, welches vermutlich das Wasser ist, das bei der Stadt in den Felsen fällt und bei Planina wieder herausdringt. Wir stiegen nicht ohne Gefahr noch einige hundert Schritte weiter über ungeheure eingestürzte Felsenstücke immer bergab, und mein Führer sagte mir, weiter würde er nicht gehen, er wisse nun keinen Weg mehr, und die Fackel würde sonst nicht den Rückweg dauern. Er mochte wohl nicht der beste Wegweiser[228] sein. Aber die Fackel brannte wirklich in der großen Tiefe und vermutlich in der Nähe von Dünsten nur mit Mühe; wir stiegen also wieder heraus und förderten uns bald zu Tage. Nun fand mein Begleiter den Weg rückwärts nach der Stadt sehr leicht. Unterwegs erzählte er mir von allen den vornehmen und großen Personagen, welche die Höhlen gesehen hätten. Diese entferntere sähen nur wenige; und unter diesen wenigen nannte er vorzüglich den Prinzen Konstantin von Rußland. Mein Führer hatte den kürzesten Weg nehmen wollen und hatte mich unbemerkt auf den hohen Felsen über der Höhle am Schlosse gebracht, wo wir nun wie die Gemsen hingen und mit Gefahr hinunterklettern mußten, wenn wir nicht einen Umweg von einer halben Stunde machen wollten. Einige Untenstehende riefen uns und zeigten uns die Pfade, auf denen es möglich war, hinunterzukommen. Nun standen wir am Eingange der andern Grotte, wo sich der Fluß in den Felsen hineinstürzt. Der Fluß nimmt sodann die Richtung ein wenig links; der Weg in der Grotte geht ziemlich gerade fort rechts. In einiger Entfernung vom Eingange erweitert sich das Gewölbe; es wird sehr hoch und breit, man hört links den Fluß wieder herrauschen, und bald kommt man auf einer natürlichen Felsenbrücke über demselben mitten unter dem Gewölbe. Hier tut die Flamme der Fackeln eine furchtbar schöne Wirkung. Man hört das Wasser unter sich, und sieht über sich und rund um sich die Nacht des hohen, breiten Gewölbes. Hier haben die Führer die Gewohnheit, einige Bund Stroh auf den Felsenwänden der Brücke anzuzünden, und hatten diesmal sehr reichlich zugetragen. Die magische Beleuchtung der ganzen unterirdischen Brückenregion mit ihrem schauerlichen Felsengewölbe, den grotesken Felsenwänden und dem unten im Abgrunde rauschenden[229] Strome macht einen der schönsten Anblicke, deren ich mir bewußt bin. Wenn der Strohhaufen fast verzehrt ist, stürzt man ihn von der Brücke hinab in den Strom, und so sieht man ihn unten in der Tiefe auf dem Wasserbett noch einige Augenblicke fortglühen. Die plötzlich aufsteigende weite Flammenhelle und die schnell zurückkehrende Finsternis, wo man bei dem schwachen Fackellichte nur einige Schritte sieht, macht einen überraschenden Kontrast. Es hatten sich einige gemeine Krainer zu uns gesellt, die gern die Gelegenheit mitnehmen, das schöne Schauspiel in der Grotte wiederzusehen, dabei ihre Geschichten auszukramen und noch einige Groschen zu verdienen. »Bis hierher sind die Franzosen gekommen«, sagten sie, als wir auf der Brücke standen; »aber weiter wagten sie sich nicht.« – »Warum nicht?« fragte ich. Die Kerle zogen ein wichtiges Gesicht beim Fackelschein und suchten den Mut der Franzmänner verdächtig zu machen. Die Franzmänner mochten wohl andere Ursachen haben. Sie waren höchstwahrscheinlich nicht zahlreich genug, hatten draußen nicht gehörige Maßregeln genommen und besorgten in der großen Tiefe der Höhle irgendein unterirdisches Abenteuer kriegerischer Natur. Außerdem ist nichts zu fürchten. Ich ging nun links am Flusse jenseits der Brücke ungefähr noch einige hundert Schritte weiter fort; dann aber mußten wir anfangen, mit Lebensgefahr über die Felsen am Wasser hinzuklettern. Mein Führer sagte, es sei unmöglich weiterzukommen. Das glaubte ich nun eben nicht: aber es war Schwierigkeit und Gefahr; ich wollte noch heute den Weg im Sonnenlicht weiter, und wir krochen und wandelten zurück. Die Bielshöhle bei Elbingerode hat mehr Verschiedenheit und die benachbarte Baumannhöhle einige vielleicht ebenso große Partien aufzuweisen; aber sie haben nichts Ähnliches,[230] wie die furchtbare Höllenfahrt in der ersten und der Fluß und die Brücke in der letzteren sind. Die Tropfsteine sind in den Harzhöhlen häufiger, grotesker und schöner als hier. Zum Beweis, daß dieser Fluß das bei Planina wieder herausströmende Wasser sei, erzählte man mir, man habe vor einiger Zeit hier bei dem Einstruz ungefähr eine Metze Korke hineingeworfen, und diese seien dort in der Bergschlucht wieder zum Vorschein gekommen.

Hier sitze ich nun in Prewald, einer sehr hohen Bergspitze gegenüber, und zittere vor Frost, bis man mein Zimmer heizt. Die Höhle zu Lueg, einem Gute des Grafen Kobenzl, habe ich nicht gesehen. Mein Wirt in Adlersberg erzählte mir abenteuerliche Dinge davon. Sie soll ehemals von dort vier Stunden bis nach Wippach gegangen, aber jetzt durch ein Erdbeben sehr verschüttet sein. Küttner hat sie gesehen und den Eingang abgebildet. Das Land ist rund umher voll von dergleichen Höhlen und wäre wohl der Bereisung eines Geologen wert. Vor einigen Jahren baute ein Landmann Weizen auf einem schönen Feldstriche am Abhange eines Berges und erntete sehr reichlich; als er für das künftige Jahr bestellen wollte, schoß der ganze Acker gegen zehn Klafter tief herab und es fand sich, daß ein unterirdischer Fluß unter demselben hin gegangen war und den Grund so ausgewaschen hatte, daß er einstürzen mußte. Auch soll in einem See unweit Adlersberg eine noch ganz unbekannte Art von Eidechsen hausen, von der man erst seit kurzem den Naturkundigen einige Exemplare eingeschickt habe. Vor einigen Jahren soll sogar ein Bauer ein Krokodil geschossen haben. Das alles lasse ich indessen auf der Erzählung des Herrn Merk in Laibach beruhen, der mir jedoch ein sehr wahrhafter, unterrichteter Mann zu sein scheint.[231]

Quelle:
Johann Gottfried Seume: Prosaschriften. Köln 1962, S. 226-232.
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