Vierte Szene

[545] Paris. Ein Saal im Palast.


König Heinrich. Gloster und andre Lords; Vernon, Basset u.s.w. Zu ihnen Talbot und einige von seinen Offizieren.


TALBOT.

Mein gnäd'ger Fürst und ehrenwerte Pairs,

Von eurer Ankunft hier im Reiche hörend,[545]

Ließ ich ein Weilchen meine Waffen ruhn,

Um meinem Oberherrn die Pflicht zu leisten.

Zum Zeichen des senkt dieser Arm (der Euch

An funfzig Festen zum Gehorsam rief,

Zwölf Städte, sieben Mau'r-umgebne Flecken,

Benebst fünfhundert achtbaren Gefangnen)

Sein Schwert vor Euer Hoheit Füßen nieder;

Und, mit des Herzens untertän'ger Treu',

Schreib' ich den Ruhm gelungener Erob'rung

Erst meinem Gott, dann Euer Hoheit zu.

KÖNIG HEINRICH.

Ist dieses der Lord Talbot, Oheim Gloster,

Der sich so lang' in Frankreich aufgehalten?

GLOSTER.

Zu Euer Majestät Befehl, mein Fürst.

KÖNIG HEINRICH.

Willkommen, braver Kriegshauptmann und Held!

Als ich noch jung war (zwar auch jetzt nicht alt),

Erinnr' ich mich, wie mir mein Vater sagte,

Kein beßrer Streiter führte je das Schwert.

Seit lange war uns Eure Treu' bekannt,

Eu'r redlich Dienen, Eure Kriegsbeschwer;

Doch habt Ihr nimmer unsern Lohn geschmeckt,

Noch selber Dank ist Euch erboten worden,

Weil wir bis jetzt nie Euer Antlitz sahn.

Deshalb steht auf, und für so viel Verdienst

Seid hier ernannt zum Grafen Shrewsbury

Und nehmt bei unsrer Krönung Euern Platz.


König Heinrich, Gloster, Talbot und Lords ab.


VERNON.

Nun, Herr, der Ihr so hitzig wart zur See,

Beschimpfend diese Farben, die ich trage

Zu Ehren meinem edlen Lord von York:

Darfst du die vor'gen Worte noch behaupten?

BASSET.

Ja, Herr; so wohl als Ihr verteid'gen dürft

Der unverschämten Zunge boshaft Bellen

Auf meinen Lord, den Herzog Somerset.

VERNON.

Ha, deinen Lord ehr' ich so, wie er ist.

BASSET.

Nun, und wie ist er denn? So gut wie York.

VERNON.

Hört Ihr, nicht so! Zum Zeichen nehmt Ihr das!


Schlägt ihn.[546]


BASSET.

Du weißt es, Schurk', das Waffenrecht ist so,

Daß, wer den Degen zieht, des Todes stirbt;

Sonst zapfte dieser Schlag dein Herzblut an.

Allein ich will zu Seiner Majestät

Und bitt' um Freiheit, diese Schmach zu rächen:

Sieh zu, dann treff' ich dich zu deinem Schaden.

VERNON.

Verworfner, ich bin dort so bald wie Ihr

Und treffe dann Euch bälder, als Ihr wünscht.


Beide ab.[547]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 545-548.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Horribilicribrifax

Horribilicribrifax

Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon