[79] Ein andrer Teil des Schlachtfeldes.
Salisbury, Pembroke, Bigot und andre treten auf
SALISBURY.
Ich hielt den König nicht so reich an Freunden.
PEMBROKE.
Noch einmal auf! Ermutigt die Franzosen!
Mißglückt es ihnen, so mißglückt es uns.
SALISBURY.
Der mißgeborne Teufel, Faulconbridge
Trotz allem Trotz, hält er die Schlacht allein.
PEMBROKE.
Es heißt, der König räumte krank das Feld.
Melun kommt, verwundet und von Soldaten geführt.
MELUN.
Führt mich zu den Rebellen Englands hier!
SALISBURY.
In unserm Glück gab man uns andre Namen.
PEMBROKE.
Es ist Graf Melun.
SALISBURY.
Auf den Tod verwundet.
MELUN.
Flieht, edle Englische, ihr seid verkauft;
Entfädelt der Empörung rauhes Öhr
Und neu bewillkommt die entlaßne Treu'![79]
Sucht euren König auf, fallt ihm zu Füßen:
Denn wird der Dauphin Herr des schwülen Tags,
So denkt er euch genommne Müh' zu lohnen,
Indem er euch enthauptet; er beschwor's,
Und ich mit ihm, und viele mehr mit mir
Auf dem Altare zu Sankt Edmunds-Bury,
Auf eben dem Altar, wo teure Freundschaft
Und ew'ge Liebe wir euch zugeschworen.
SALISBURY.
O wär' das möglich! Sollt' es Wahrheit sein!
MELUN.
Hab' ich nicht grausen Tod im Angesicht?
Und heg' in mir nur etwas Leben noch,
Das weg mir blutet, wie ein wächsern Bild,
Am Feuer schmelzend, die Gestalt verliert?
Was in der Welt kann mich zum Trug bewegen,
Jetzt, da kein Trug Gewinn mir bringen kann?
Warum denn sollt' ich falsch sein, da ich weiß,
Daß ich hier sterb' und dort durch Wahrheit lebe?
Ich sag' es noch: ist Louis Sieger heut,
So schwur er falsch, wenn diese eure Augen
Je einen andern Tag anbrechen sehn.
Ja, diese Nacht noch, deren schwarzer Hauch
Schon dampfet um den glüh'nden Federbusch
Der alten, schwachen, tagemüden Sonne, –
Noch diese böse Nacht sollt ihr verscheiden,
Zur Buße für bedungenen Verrat,
Verräterisch gebüßt um euer Leben,
Wenn Louis unter eurem Beistand siegt.
Grüßt einen Hubert, der beim König blieb:
Die Freundschaft zwischen uns, und überdies
Die Rücksicht, daß mein Ahn aus England stammte,
Weckt mein Gewissen auf, dies zu bekennen.
Dafür, ich bitt' euch, tragt von hinnen mich,
Aus dem Getös' und Lärm des Feldes weg,
Wo ich in Frieden der Gedanken Rest
Ausdenken kann und Leib und Seele trennen
In der Betrachtung und in frommen Wünschen.
SALISBURY.
Wir glauben dir, – und strafe mich der Himmel,[80]
Gefällt mir nicht die Mien' und die Gestalt
Von dieser freundlichen Gelegenheit,
Den Weg verdammter Flucht zurückzumessen,
Wir wollen uns, gesunknen Fluten gleich,
Die Ausschweifung und irre Bahn verlassend,
Den Schranken neigen, die wir überströmt,
Und in Gehorsam ruhig gleiten hin
Zu unserm Meer, zu unserm großen König. –
Mein Arm soll helfen, dich hier wegzubringen,
Denn schon seh' ich die bittre Todesangst
In deinem Blick. – Fort, Freunde! Neue Flucht!
Neuheit ist Glück, wenn altes Recht die Frucht.
Alle ab. Melun wird weggeführt.
Ausgewählte Ausgaben von
König Johann
|
Buchempfehlung
Der Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Prinzipiellen zum Indiviudellen ist der Kern der naturphilosophischen Lehrschrift über die Grundlagen unserer Begrifflichkeit von Raum, Zeit, Bewegung und Ursache. »Nennen doch die Kinder zunächst alle Männer Vater und alle Frauen Mutter und lernen erst später zu unterscheiden.«
158 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro