[99] Gosford-Aue bei Coventry.
Der Lord Mqrschall und Aumerle treten auf.
LORD MARSCHALL.
Mylord Aumerle, ist Heinrich Hereford rüstig?
AUMERLE.
In voller Wehr, begehrend einzutreten.
LORD MARSCHALL.
Der Herzog Norfolk, wohlgemut und kühn,
Harrt nur auf die Trompete seines Klägers.
AUMERLE.
So sind die Kämpfer denn bereit und warten
Auf nichts als Seiner Majestät Erscheinung.
Trompetenstoß. König Richard tritt auf und setzt sich auf seinen Thron; Gaunt und verschiedne Edle nehmen gleichfalls ihre Plätze. Eine Trompete wird geblasen und von einer andern Trompete draußen erwidert. Alsdann erscheint Norfolk in voller Rüstung, mit einem Herold vor ihm her.
KÖNIG RICHARD.
Marschall, erfraget von dem Kämpfer dort
Die Ursach' seiner Ankunft hier in Waffen;
Auch seinen Namen, und verfahrt mit Ordnung,
Den Eid ihm abzunehmen auf sein Recht!
LORD MARSCHALL.
In Gottes Namen und des Königs, sprich:
Wer bist du, und weswegen kommst du her,
So ritterlich mit Waffen angetan?
Und wider wen kommst du, und was dein Zwist?
Sprich wahrhaft, auf dein Rittertum und Eid,
So schütze dich der Himmel und dein Mut!
NORFOLK.
Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Norfolks Herzog;
Ich komme her, durch einen Eid gebunden
(Verhüte Gott, daß den ein Ritter bräche!),[99]
Um zu verfechten, daß ich Treu' und Pflicht
Gott und dem König halt' und meinen Erben,
Wider den Herzog Hereford, der mich anklagt;
Und will, durch Gottes Gnad' und meinen Arm
Mich wehrend, ihn erweisen als Verräter
An Gott, an meinem König und an mir.
So schütze Gott mich, wie ich wahrhaft fechte!
Er nimmt seinen Sitz ein.
Eine Trompete wird geblasen. Bolingbroke erscheint in voller Rüstung, mit einem Herold vor ihm her.
KÖNIG RICHARD.
Marschall, befragt den Ritter dort in Waffen
Erst, wer er ist, und dann, warum er komme,
Mit kriegerischem Zeuge so gestählt;
Und förmlich, unserem Gesetz gemäß,
Vernehmt ihn auf das Recht in seiner Sache!
LORD MARSCHALL.
Wie ist dein Nam', und warum kommst du her
Vor König Richard in die hohen Schranken?
Und wider wen kommst du, und was dein Zwist?
So schütz' dich Gott, sprich als wahrhafter Ritter!
BOLINGBROKE.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby
Bin ich, der hier bereit in Waffen steht,
Durch Gottes Gnad' und meines Leibes Kraft
Hier in den Schranken gegen Thomas Mowbray,
Herzog von Norfolk, darzutun, er sei
Ein schnöder und gefährlicher Verräter
An Gott, an König Richard und an mir;
Und schütze Gott mich, wie ich wahrhaft fechte!
LORD MARSCHALL.
Bei Todesstrafe sei kein Mensch so kühn,
Daß er die Schranken anzurühren wage,
Den Marschall ausgenommen und Beamten,
Die dies Geschäft gebührend ordnen sollen.
BOLINGBROKE.
Lord Marschall, laßt des Fürsten Hand mich küssen
Und niederknie'n vor Seiner Majestät:
Denn ich und Mowbray sind zwei Männern gleich,
Die lange, schwere Pilgerfahrt gelobt.[100]
Laßt uns denn feierlichen Abschied nehmen
Und Lebewohl von beiderseit'gen Freunden!
LORD MARSCHALL.
Der Kläger, grüßt Eu'r Hoheit ehrerbietigst
Und wünscht zum Abschied Eure Hand zu küssen.
KÖNIG RICHARD.
Ihn zu umarmen steigen wir herab. –
Vetter von Hereford, wie dein Handel recht,
So sei dein Glück im fürstlichen Gefecht!
Leb wohl, mein Blut! Mußt du es heut verströmen,
Darf ich's beklagen, doch nicht Rache nehmen.
BOLINGBROKE.
Kein edles Aug' müss' eine Trän' um mich
Entweihn, wenn ich von Mowbrays Speer erblich;
So zuversichtlich, wie des Falken Stoß
Den Vogel trifft, geh' ich auf Mowbray los.
Zum Lord Marschall.
Mein güt'ger Herr, ich nehme von Euch Abschied, –
Von Euch, mein edler Vetter, Lord Aumerle: –
Nicht krank, hab' ich zu schaffen gleich mit Tod,
Nein, lustig Atem holend, frisch und rot. –
Seht, wie beim Mahl, das Ende zu versüßen,
Will ich zuletzt das Auserwählt'ste grüßen: –
Zu Gaunt.
O du, der ird'sche Schöpfer meines Bluts,
Des jugendlicher Geist, in mir erneuert,
Mit doppelter Gewalt empor mich hebt,
Den Sieg zu greifen über meinem Haupt!
Mach' meine Rüstung fest durch dein Gebet,
Durch deinen Segen stähle meine Lanze,
Daß sie in Mowbrays Panzerhemde dringe,
Und glänze neu der Nam' Johann von Gaunt
Im mutigen Betragen seines Sohns!
GAUNT.
Gott geb' dir Glück bei deiner guten Sache!
Schnell, wie der Blitz, sei in der Ausführung,
Und laß, zwiefach verdoppelt, deine Streiche
Betäubend, wie den Donner, auf den Helm
Des tödlichen, feindsel'gen Gegners fallen!
Reg' auf dein junges Blut, sei brav und lebe!
BOLINGBROKE.
Mein Recht und Sankt Georg mir Beistand gebe!
Er nimmt seinen Sitz.[101]
NORFOLK aufstehend.
Wie Himmel oder Glück mein Los auch wirft,
Hier lebt und stirbt, treu König Richards Throne,
Ein redlicher und biedrer Edelmann.
Nie warf mit froherm Herzen ein Gefangner
Der Knechtschaft Fesseln ab und hieß willkommen
Die goldne, ungebundne Loslassung,
Als wie mein tanzendes Gemüt dies Fest
Des Kampfes wider meinen Gegner feiert.
Großmächt'ger Fürst, und meiner Freunde Schar!
Es wünscht mein Mund euch manch beglücktes Jahr.
Ich geh' zum Kampfe, munter, wie zur Lust,
Denn Ruhe wohnt in einer treuen Brust.
KÖNIG RICHARD.
Gehabt Euch wohl: ich kann genau erspähn,
Wie Mut und Tugend aus dem Aug' Euch sehn. –
Befehlt den Zweikampf, Marschall, und beginnt!
Der König und die Herren kehren zu ihren Sitzen zurück.
LORD MARSCHALL.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby,
Empfang' die Lanz', und schütze Gott dein Recht!
BOLINGBROKE aufstehend.
Stark wie ein Turm in Hoffnung, ruf' ich Amen.
LORD MARSCHALL zu einem Beamten.
Bring' diese Lanz' an Thomas, Norfolks Herzog!
ERSTER HEROLD.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby
Steht hier für Gott, für seinen Herrn und sich,
Bei Strafe, falsch und ehrlos zu erscheinen,
Um darzutun dem Thomas Mowbray, Herzog
Von Norfolk, er sei schuldig des Verrats
An Gott, an seinem König und an ihm,
Und fodert ihn zu dem Gefecht heraus.
ZWEITER HEROLD.
Hier stehet Thomas Mowbray, Norfolks Herzog,
Bei Strafe, falsch und ehrlos zu erscheinen,
Sich zu verteidigen und darzutun
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby
Treulos an Gott, an seinem Herrn und ihm:[102]
Mit williger Begehr und wohlgemut,
Erwartend nur das Zeichen zum Beginn.
LORD MARSCHALL.
Trompeten, blast! und Streiter, macht euch auf!
Es wird zum Angriff geblasen.
Doch halt! der König wirft den Stab herunter.
KÖNIG RICHARD.
Laßt sie beiseit die Helm' und Speere legen
Und beide wiederkehren zu dem Sitz!
Zu Gaunt und den übrigen Großen, indem er sich gegen den Hintergrund der Bühne zurückzieht.
Ihr, folget uns! – und laßt Trompeten schallen,
Bis wir den Gegnern kund tun unsern Schluß!
Trompeten, anhaltend.
Wieder vortretend zu den Streitern.
Kommt her!
Vernehmt, was wir mit unserm Rat verfügt: –
Auf daß nicht unsers Reiches Boden werde
Befleckt mit teurem Blut, das er genährt;
Weil unser Aug' den grausen Anblick scheut
Von Wunden, aufgepflügt durch Nachbarschwerter;
Und weil uns dünkt, der stolze Adlerflug
Ehrsücht'ger, himmelstrebender Gedanken
Und Neid, der jeden Nebenbuhler haßt,
Hab' euch gereizt, zu wecken unsern Frieden,
Der, in der Wiege unsers Landes schlummernd,
Die Brust mit süßem Kindes-Odem schwellt;
Der, aufgerüttelt nun von lärm'gen Trommeln,
Samt heiserer Trompeten wildem Schmettern
Und dem Geklirr ergrimmter Eisenwehr,
Aus unsern stillen Grenzen schrecken möchte
Den holden Frieden, daß wir waten müßten
In unsrer Anverwandten Blut: – deswegen
Verbannen wir aus unsern Landen euch. –
Ihr, Vetter Hereford, sollt bei Todesstrafe,
Bis unsre Au'n zehn Sommer neu geschmückt,
Nicht wiedergrüßen unser schönes Reich
Und fremde Pfade der Verbannung treten.[103]
BOLINGBROKE.
Gescheh' Eu'r Wille! Dies muß Trost mir sein:
Die Sonne, die hier wärmt, gibt dort auch Schein;
Und dieser goldne Strahl, Euch hier geliehn,
Wird auch um meinen Bann vergüldend glühn.
KÖNIG RICHARD.
Norfolk, dein wartet ein noch härtrer Spruch,
Den ich nicht ohne Widerwillen gebe:
Der Stunden leise Flucht soll nicht bestimmen
Den grenzenlosen Zeitraum deines Banns;
Das hoffnungslose Wort »Nie wiederkehren!«
Sprech' ich hier wider dich bei Todesstrafe.
NORFOLK.
Ein harter Spruch, mein höchster Lehensherr,
Ganz unversehn aus Eurer Hoheit Mund!
Erwünschten Lohn, nicht solche tiefe Schmach,
Daß man mich ausstößt in die weite Welt,
Hab' ich verdient von seiten Eurer Hoheit.
Die Sprache, die ich vierzig Jahr gelernt,
Mein mütterliches Englisch, soll ich missen;
Und meine Zunge nützt mir nun nicht mehr
Als, ohne Saiten, Laute oder Harfe,
Ein künstlich Instrument im Kasten, oder
Das, aufgetan, in dessen Hände kömmt,
Der keinen Griff kennt, seinen Ton zu stimmen.
Ihr habt die Zung' in meinen Mund gekerkert,
Der Zähn' und Lippen doppelt Gatter vor;
Und dumpfe, dürftige Unwissenheit
Ist mir zum Kerkermeister nun bestellt.
Ich bin zu alt, der Amme liebzukosen,
Zu weit in Jahren, Zögling noch zu sein:
Was ist dein Urteil denn als stummer Tod,
Das eignen Hauch zu atmen mir verbot?
KÖNIG RICHARD.
Es hilft dir nicht, in Wehmut zu verzagen:
Nach unserm Spruche kommt zu spät das Klagen.
NORFOLK.
So wend' ich mich vom lichten Vaterland,
In ernste Schatten ew'ger Nacht gebannt.
Er entfernt sich.
KÖNIG RICHARD.
Komm wieder, nimm noch einen Eid mit dir!
Legt die verbannten Händ' auf dies mein Schwert,
Schwört bei der Pflicht, die ihr dem Himmel schuldet[104]
(Denn unser Teil dran ist mit euch verbannt),
Den Eid zu halten, den wir auferlegen: –
Nie sollt ihr, so euch Gott und Wahrheit helfe!
Mit Lieb' einander nahn in eurem Bann,
Noch jemals ins Gesicht einander schaun,
Noch jemals schreiben, grüßen, noch besänft'gen
Die Stürme des daheim erzeugten Hasses,
Noch euch mit überlegtem Anschlag treffen,
Um Übles auszusinnen gegen uns
Und unsre Untertanen, Staat und Land.
BOLINGBROKE.
Ich schwöre.
NORFOLK.
Und ich auch, all dies zu halten.
BOLINGBROKE.
Norfolk, so weit sich's unter Feinden ziemt: –
Um diese Zeit, ließ es der König zu,
Irrt' in der Luft schon eine unsrer Seelen,
Verbannt aus unsers Fleisches morschem Grabe,
Wie jetzt dies Fleisch verbannt ist aus dem Lande:
Bekenne den Verrat, eh' du entweichst;
Weil du so weit zu gehn hast, nimm nicht mit
Die schwere Bürde einer schuld'gen Seele!
NORFOLK.
Nein, Bolingbroke: war ich Verräter je,
So sei getilgt mein Nam' im Buch des Lebens
Und ich verbannt vom Himmel, wie von hier!
Doch was du bist, weiß Gott und du und ich.
Und nur zu bald wird es den König reu'n.
Lebt wohl, mein Fürst! – Nicht fehlgehn kann ich jetzt:
Die weite Welt ist mir zum Ziel gesetzt.
Ab.
KÖNIG RICHARD.
Oheim, ich seh' im Spiegel deiner Augen
Dein tiefbekümmert Herz; dein traur'ger Anblick
Hat vier aus seiner Zahl verbannter Jahre
Entrückt: –
Zu Bolingbroke.
sobald sechs frost'ge Winter aus,
Kehr' du willkommen aus dem Bann nach Haus!
BOLINGBROKE.
Wie lange Zeit liegt in so kleinem Wort!
Vier träge Winter und vier lust'ge Maien
Beschließt ein Wort, wenn Kön'ge Kraft ihm leihen.
GAUNT.
Dank meinem Fürsten, daß er mir zu lieb
Vier Jahre meines Sohns Verbannung kürzt!
Allein ich ernte wenig Frucht davon.[105]
Eh' die sechs Jahre, die er säumen muß,
Die Monde wandeln und den Lauf vollenden,
Erlischt in ew'ger Nacht mein schwindend Licht,
Die Lampe, der vor Alter Öl gebricht;
Mit meinem Endchen Kerze ist's geschehn,
Und blinder Tod läßt mich den Sohn nicht sehn.
KÖNIG RICHARD.
Ei, Oheim, du hast manches Jahr zu leben.
GAUNT.
Nicht 'ne Minute, Herr, die du kannst geben.
Verkürzen kannst du meine Tag' in Sorgen,
Mir Nächte rauben, leihn nicht einen Morgen;
Du kannst der Zeit wohl helfen Furchen ziehn,
Doch nicht sie hemmen in dem raschen Fliehn:
Ihr gilt dein Wort für meinen Tod sogleich,
Doch, tot, schafft keinen Odem mir dein Reich.
KÖNIG RICHARD.
Dein Sohn ist weisem Rat gemäß verbannt,
Wozu dein Mund ein Miturteil gegeben:
Nun scheinst du finster auf das Recht zu schaun?
GAUNT.
Was süß schmeckt, wird oft bitter beim Verdau'n.
Ihr setztet mich als Richter zum Berater;
Oh, hießt Ihr doch mich reden wie ein Vater!
Wär' er mir fremd gewesen, nicht mein Kind,
So war ich milder seinem Fehl gesinnt.
Parteien-Leumund sucht' ich abzuwenden,
Und mußte so mein eignes Leben enden.
Ach! Ich schaut' um, ob keiner spräche nun,
Ich sei zu streng, was mein, so wegzutun;
Doch der unwill'gen Zung' habt ihr erlaubt,
Daß sie mich wider Willen so beraubt.
KÖNIG RICHARD.
Vetter, lebt wohl! – Und, Oheim, sorgt dafür:
Sechs Jahr' ist er verbannt und muß von hier.
Trompetenstoß. König Richard und Gefolge ab.
AUMERLE.
Vetter, lebt wohl! Was Gegenwart verwehrt
Zu sagen, melde Schrift von da, wo Ihr verkehrt.
LORD MARSCHALL.
Kein Abschied, gnäd'ger Herr! denn ich will reiten,
So weit das Land verstattet, Euch zur Seiten.[106]
GAUNT.
Oh, zu was Ende sparst du deine Worte,
Daß du den Freunden keinen Gruß erwiderst?
BOLINGBROKE.
Zu wen'ge hab' ich, um von Euch zu scheiden,
Da reichlich Dienst die Zunge leisten sollte,
Des Herzens vollen Jammer auszuatmen.
GAUNT.
Dein Gram ist nur Entfernung für 'ne Zeit.
BOLINGBROKE.
Lust fern, Gram gegenwärtig für die Zeit.
GAUNT.
Was sind sechs Winter? Sie sind bald dahin.
BOLINGBROKE.
Im Glück, doch Gram macht zehn aus einer Stunde.
GAUNT.
Nenn's eine Reise, bloß zur Lust gemacht!
BOLINGBROKE.
Mein Herz wird seufzen, wenn ich's so mißnenne,
Und findet es gezwungne Pilgerschaft.
GAUNT.
Den traur'gen Fortgang deiner müden Tritte
Acht' einer Folie gleich, um drein zu setzen
Das reiche Kleinod deiner Wiederkehr!
BOLINGBROKE.
Nein, eher wird mich jeder träge Schritt
Erinnern, welch ein Stück der Welt ich wandre
Von den Kleinodien meiner Liebe weg.
Muß ich nicht eine lange Lehrlingschaft
Auf fremden Bahnen dienen, und am Ende,
Bin ich nun frei, mich doch nichts weiter rühmen,
Als daß ich ein Gesell des Grames war?
GAUNT.
Ein jeder Platz, besucht vom Aug' des Himmels,
Ist Glückes-Hafen einem weisen Mann.
Lehr' deine Not die Dinge so betrachten;
Es kommt der Not ja keine Tugend bei.
Denk' nicht, daß dich der König hat verbannt,
Nein, du den König: Leid sitzt um so schwerer,
Wo es bemerkt, daß man nur schwach es trägt.
Geh, sag, daß ich dich ausgesandt nach Ehre,
Nicht, daß der Fürst dich bannte; oder glaube,
Verschlingend hänge Pest in unsrer Luft,
Und du entfliehst zu einem reinern Himmel.
Was deine Seele wert hält, stell' dir vor
Da, wo du hingehst, nicht, woher du kommst:[107]
Die Singevögel halt' für Musikanten,
Das Gras für ein bestreutes Prunkgemach,
Für schöne Frau'n die Blumen, deine Tritte
Für nichts als einen angenehmen Tanz:
Denn knirschend Leid hat minder Macht, zu nagen
Den, der es höhnt und nichts danach will fragen.
BOLINGBROKE.
Oh, wer kann Feu'r dadurch in Händen halten,
Daß er den frost'gen Kaukasus sich denkt?
Und wer des Hungers gier'gen Stachel dämpfen
Durch bloße Einbildung von einem Mahl?
Wer nackend im Dezemberschnee sich wälzen,
Weil er phantast'sche Sommerglut sich denkt?
O nein! die Vorstellung des Guten gibt
Nur desto stärkeres Gefühl des Schlimmern;
Nie zeugt des Leides grimmer Zahn mehr Gift,
Als wenn er nagt, doch durch und durch nicht trifft.
GAUNT.
Komm, komm, mein Sohn, daß ich den Weg dir weise;
So jung wie du, verschöb' ich nicht die Reise.
BOLINGBROKE.
Leb wohl denn, Englands Boden! Süße Erde,
Du Mutter, Wärterin, die noch mich trägt!
Wo ich auch wandre, bleibt der Ruhm mein Lohn:
Obschon verbannt, doch Englands echter Sohn.
Alle ab.[108]
Ausgewählte Ausgaben von
König Richard II.
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