[124] Die Wildnis in Glostershire.
Bolingbroke und Northumberland treten auf mit Truppen.
BOLINGBROKE.
Wie weit, Herr, haben wir bis Berkley noch?
NORTHUMBERLAND.
Glaubt mir, mein edler Herr,
Ich bin ein Fremdling hier in Glostershire.
Die rauhen Weg' und hohen wilden Hügel
Ziehn unsre Meilen mühsam in die Länge;
Doch Euer schön Gespräch macht, wie ein Zucker,
Den schweren Weg süß und vergnüglich mir.
Doch ich bedenke, wie so lang der Weg[124]
Von Ravenspurg bis Cotswold dünken wird
Dem Roß und Willoughby, die Euer Beisein missen,
Das, ich beteur' es, die Verdrießlichkeit
Und Dauer meiner Reise sehr getäuscht.
Zwar ihre wird versüßet durch die Hoffnung
Auf diesen Vorzug, des ich teilhaft bin;
Und Hoffnung auf Genuß ist fast so viel
Als schon genoßne Hoffnung: dadurch werden
Die müden Herrn verkürzen ihren Weg,
So wie ich meinen durch den Anblick dessen,
Was mein ist, Eure edle Unterhaltung.
BOLINGBROKE.
Viel minder wert ist meine Unterhaltung
Als Eure guten Worte. Doch wer kommt?
Heinrich Percy kommt.
NORTHUMBERLAND.
Mein Sohn ist's, Heinrich Percy, abgeschickt,
Woher es sei, von meinem Bruder Worcester. –
Heinrich, was macht Eu'r Oheim?
PERCY.
Ich dachte, Herr, von Euch es zu erfahren.
NORTHUMBERLAND.
Ei, ist er denn nicht bei der Königin?
PERCY.
Nein, bester Herr, er hat den Hof verlassen,
Des Amtes Stab zerbrochen und zerstreut
Des Königs Hausgesinde.
NORTHUMBERLAND.
Was bewog ihn?
Das war nicht sein Entschluß, als wir zuletzt uns sprachen.
PERCY.
Weil man Eu'r Gnaden als Verräter ausrief.
Er ist nach Ravenspurg gegangen, Herr,
Dem Herzog Hereford Dienste anzubieten,
Und sandte mich nach Berkley, zu entdecken,
Was Herzog York für Truppen aufgebracht,
Dann mit Befehl, nach Ravenspurg zu kommen.
NORTHUMBERLAND.
Vergaßest du den Herzog Hereford, Knabe?
PERCY.
Nein, bester Herr, denn das wird nicht vergessen,
Was niemals im Gedächtnis war: ich sah,
So viel ich weiß, ihn nie in meinem Leben.
NORTHUMBERLAND.
So lern' ihn kennen jetzt: dies ist der Herzog.[125]
PERCY.
Mein gnäd'ger Herr, noch jung und unerfahren,
Biet' ich Euch meinen Dienst, so wie er ist,
Bis ältre Tage ihn zur Reife bringen
Und zu bewährterem Verdienst erhöhn.
BOLINGBROKE.
Ich dank' dir, lieber Percy! Sei gewiß,
Ich achte mich in keinem Stück so glücklich,
Als daß mein Sinn der Freunde treu gedenkt.
Und wie mein Glück mit deiner Liebe reift,
Soll dieser Sinn der Liebe Lohn dir spenden.
Dies Bündnis schließt mein Herz, die Hand besiegelt's.
NORTHUMBERLAND.
Wie weit ist Berkley, und wie rührt sich dort
Der gute alte York mit seinem Kriegesvolk?
PERCY.
Dort steht die Burg bei jenem Haufen Bäume,
Bemannt, so hört' ich, mit dreihundert Mann.
Und drinnen sind die Lords von York, Berkley und Seymour,
Sonst keine von Geburt und hohem Rang.
Roß und Willoughby kommen.
NORTHUMBERLAND.
Da sind die Lords von Roß und Willoughby,
Vom Spornen blutig, feuerrot vor Eil'.
BOLINGBROKE.
Willkommen, Herrn! Ich weiß es, eure Liebe
Folgt dem Verbannten und Verräter nach.
Mein ganzer Schatz besteht nur noch in Dank,
Der nicht gespürt wird, aber, mehr bereichert,
Euch eure Lieb' und Mühe lohnen soll.
ROSS.
Eu'r Beisein macht uns reich, mein edler Herr.
WILLOUGHBY.
Und übersteigt die Müh', es zu erreichen.
BOLINGBROKE.
Nur immer Dank, des Armen Kasse, die,
Bis mein unmündig Glück zu Jahren kommt,
Für meine Güte bürgt. Doch wer kommt da?
Berkley tritt auf.
NORTHUMBERLAND.
Es ist der Lord von Berkley, wie mich dünkt.
BERKLEY.
An Euch, Lord Hereford, lautet meine Botschaft.
BOLINGBROKE.
Herr, meine Antwort ist: an Lancaster;
Und diesen Namen such' ich jetzt in England
Und muß in Eurem Mund den Titel finden,
Eh' ich, auf was Ihr sagt, erwidern kann.[126]
BERKLEY.
Herr, mißversteht mich nicht; ich meine gar nicht
Zu schmälern einen Titel Eurer Ehre.
Zu Euch, Herr, komm' ich (Herr von was Ihr wollt)
Vom rühmlichen Regenten dieses Landes,
Dem Herzog York, zu wissen, was Euch treibt,
Von der verlaßnen Zeit Gewinn zu ziehn
Und unsern heim'schen Frieden wegzuschrecken
Mit selbstgetragnen Waffen?
York tritt auf mit Gefolge.
BOLINGBROKE.
Ich bedarf,
Zum Überbringer meiner Wort' Euch nicht:
Hier kommt er in Person. – Mein edler Oheim!
Er knieet vor ihm.
YORK.
Zeig' mir dein Herz demütig, nicht dein Knie,
Des Ehrbezeigung falsch und trüglich ist!
BOLINGBROKE.
Mein gnäd'ger Oheim!
YORK.
Pah! pah!
Nichts da von Gnade, und von Oheim nichts!
Ich bin's nicht dem Verräter; das Wort Gnade
In einem sünd'gen Mund ist nur Entweihung.
Warum hat dein verbannter Fuß gewagt,
Den Staub von Englands Erde zu berühren?
Noch mehr Warum: warum so viele Meilen
Gewagt zu ziehn auf ihrem milden Busen,
So kriegerisch mit schnöder Waffen Pomp
Die bleichen Dörfer schreckend? – Kommst du her,
Weil der gesalbte König fern verweilt?
Ei, junger Tor, der König blieb daheim:
In meiner treuen Brust liegt seine Macht.
Wär' ich nur jetzt so heißer Jugend voll,
Als da dein wackrer Vater Gaunt und ich
Den Schwarzen Prinzen, diesen jungen Mars,
Aus der Franzosen dichten Reih'n gerettet:
O dann, wie schleunig sollte dieser Arm,
Den jetzt die Lähmung fesselt, dich bestrafen
Und Büßung deinem Fehler auferlegen![127]
BOLINGBROKE.
Mein gnäd'ger Oheim, lehrt mich meinen Fehler,
In welcher Übertretung er besteht?
YORK.
In Übertretung von der schlimmsten Art:
In grobem Aufruhr, schändlichem Verrat.
Du bist verbannt, und bist hieher gekommen,
Eh' die gesetzte Zeit verstrichen ist,
In Waffen trotzend deinem Landesherrn.
BOLINGBROKE.
Da ich verbannt ward, galt es mir als Hereford;
Nun, da ich komme, ist's um Lancaster.
Und, edler Oheim, ich ersuch' Eu'r Gnaden,
Seht unparteilich meine Kränkung an:
Ihr seid mein Vater, denn mich dünkt, in Euch
Lebt noch der alte Gaunt: O dann, mein Vater!
Wollt Ihr gestatten, daß ich sei verdammt
Als irrer Flüchtling, meine Recht' und Leh'n
Mir mit Gewalt entrissen, hingegeben
An niedre Prasser? – Was hilft mir die Geburt?
So gut mein Vetter König ist von England,
Gesteht mir, bin ich Herzog auch von Lancaster.
Euch ward ein Sohn, Aumerle, mein edler Vetter:
Starbt Ihr zuerst, und trat man ihn so nieder,
Sein Oheim Gaunt wär' Vater ihm geworden,
Der seine Kränkungen zu Paaren triebe.
Man weigert mir die Mutung meiner Leh'n,
Die meine Gnadenbriefe mir gestatten;
Mein Erb' wird eingezogen und verkauft,
Und dies und alles übel angewandt.
Was soll ich tun? Ich bin ein Untertan
Und fodre Recht; Anwalte wehrt man mir,
Und darum nehm' ich in Person Besitz
Von meinem Erbteil, das mir heimgefallen.
NORTHUMBERLAND.
Der edle Herzog ward zu sehr mißhandelt.
ROSS.
Eu'r Gnaden kommt es zu, ihm Recht zu schaffen.
WILLOUGHBY.
Mit seinen Lehen macht man Schurken groß.
YORK.
Ihr Lords von England, laßt mich dies euch sagen:
Ich fühlte meines Vetters Kränkung wohl
Und strebte, was ich konnt', ihm Recht zu schaffen;
Doch so in droh'nden Waffen herzukommen,[128]
Für sich zugreifen, seinen Weg sich haun,
Nach Recht mit Unrecht gehn, – es darf nicht sein;
Und ihr, die ihr ihn bei der Art bestärkt,
Hegt Rebellion und seid zumal Rebellen.
NORTHUMBERLAND.
Der edle Herzog schwor, er komme bloß
Um das, was sein ist; bei dem Recht dazu
Ihn zu beschützen, schworen wir ihm teuer,
Und wer das bricht, dem geh' es nimmer wohl!
YORK.
Gut! gut! ich sehe dieser Waffen Ziel,
Ich kann's nicht ändern, wie ich muß bekennen:
Denn meine Macht ist schwach, und nichts in Ordnung.
Doch könnt' ich es: bei dem, der mich erschaffen!
Ich nähm' euch alle fest und nötigt' euch,
Begnadigung vom König anzuflehn.
Doch da ich's nicht vermag, so sei euch kund:
Ich nehme nicht Partei. Somit lebt wohl, –
Wenn es euch nicht beliebt, ins Schloß zu kommen
Und da für diese Nacht euch auszuruhn!
BOLINGBROKE.
Wir nehmen, Oheim, dies Erbieten an.
Wir müssen Euch gewinnen, mitzugehn
Nach Bristol-Schloß, das, wie man sagt, besetzt ist
Von Bushy, Bagot und von ihrem Troß,
Dem gift'gen Wurmfraß des gemeinen Wesens,
Den auszurotten ich geschworen habe.
YORK.
's ist möglich, daß ich mit Euch geh', – doch halt!
Denn ungern tu' ich dem Gesetz Gewalt.
Als Freund, als Feind seid ihr mir nicht willkommen:
Wo nichts mehr hilft, bin ich der Sorg' entnommen.
Alle ab.[129]
Ausgewählte Ausgaben von
König Richard II.
|
Buchempfehlung
Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro