Dritte Szene

[871] Ebendaselbst.


Tyrrel tritt auf.


TYRREL.

Geschehn ist die tyrannisch blut'ge Tat,

Der ärgste Greuel jämmerlichen Mords,

Den jemals noch dies Land verschuldet hat.

Dighton und Forrest, die ich angestellt

Zu diesem Streich ruchloser Schlächterei,

Zwar eingefleischte Schurken, blut'ge Hunde, –

Vor Zärtlichkeit und mildem Mitleid schmelzend,

Weinten wie Kinder bei der Trau'rgeschichte.

»O so«, sprach Dighton, »lag das zarte Paar«;

»So, so«, sprach Forrest, »sich einander gürtend

Mit den unschuld'gen Alabasterarmen:

Vier Rosen eines Stengels ihre Lippen,

Die sich in ihrer Sommerschönheit küßten.

Und ein Gebetbuch lag auf ihrem Kissen;

Das wandte fast«, sprach Forrest, »meinen Sinn;

Doch oh! der Teufel« – dabei stockt der Bube,

Und Dighton fuhr so fort: »Wir würgten hin

Das völligst süße Werk, so die Natur

Seit Anbeginn der Schöpfung je gebildet.« –

Drauf gingen beide voll Gewissensbisse,[871]

Die sie nicht sagen konnten, und ich ließ sie,

Dem blut'gen König den Bericht zu bringen.


Richard tritt auf.


Hier kommt er eben. – Heil, mein hoher Herr!

RICHARD.

Freund Tyrrel, macht mich deine Zeitung glücklich?

TYRREL.

Wenn das vollbracht zu wissen, was Ihr mir

Befohlen, Euch beglückt, so seid denn glücklich:

Es ist geschehn.

RICHARD.

Doch sahst du selbst sie tot?

TYRREL.

Ja, Herr.

RICHARD.

Und auch begraben, lieber Tyrrel?

TYRREL.

Der Kapellan im Turm hat sie begraben;

Wo, weiß ich nicht, die Wahrheit zu gestehn.

RICHARD.

Komm zu mir, Tyrrel, nach dem Abendessen,

Da sagst du mir den Hergang ihres Tods.

Denk' drauf, was ich zu lieb dir könnte tun,

Und dein Begehren fällt sogleich dir zu.

Leb indes wohl!

TYRREL.

Zu Gnaden Euch empfohlen.


Ab.


RICHARD.

Den Sohn des Clarence hab' ich eingesperrt,

Die Tochter in geringem Stand vereh'licht;

Im Schoß des Abraham ruh'n Eduards Söhne,

Und Anna sagte gute Nacht der Welt.

Nun weiß ich, der Bretagner Richmond trachtet

Nach meiner jungen Nicht', Elisabeth,

Und blickt, stolz auf dies Band, zur Kron' empor:

Drum will ich zu ihr, als ein muntrer Freier.


Catesby tritt auf.


CATESBY.

Herr, –

RICHARD.

Gilt es gute oder schlimme Zeitung,

Daß du so grad' hereinstürmst?

CATESBY.

Herr, schlimme Zeitung: Morton floh' zum Richmond,

Und Buckingham, verstärkt mit tapfern Wäl'schen,

Rückt in das Feld, und seine Macht nimmt zu.

RICHARD.

Ely samt Richmond drängen näher mich

Als Buckinghams schnell aufgeraffte Macht[872]

Komm, denn ich lernte, bängliches Erwägen

Sei schläfrigen Verzuges blei'rner Diener;

Verzug führt Bettelei im lahmen Schneckenschritt.

Sei denn mein Flügel, feur'ge Schnelligkeit,

Zum Königsherold und Merkur bereit!

Geh, mustre Volk: mein Schild ist jetzt mein Rat;

Verrätertrotz im Felde ruft zur Tat.


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 871-873.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
König Richard III.
Korol' richard 3 / Die Tragödie von König Richard III. / The Tragedy of King Richard the Third (in Russischer Sprache / Russisch / Russian / Buch / book / kniga)
König Richard III.
King Richard III / König Richard III. [Zweisprachig]
König Richard III.: Zweisprachige Ausgabe
Richard III / König Lear

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon