[424] Britannien, im Palast.
Es treten auf von einer Seite Cymbeline, die Königin, Cloten und Gefolge; von der andern Seite Cajus Lucius und seine Begleiter.
CYMBELINE.
Nun sprich, was uns Augustus Cäsar will?
LUCIUS.
Als Julius Cäsar (des Gedächtnis noch
Lebt in der Menschen Blick; für Ohr und Zunge
Ein ew'ger Gegenstand!) im Reich hier war
Und es besiegt', versprach Cassibelan,
Dein Ohm, berühmt durch Cäsars Lob, nicht minder
Als es sein Tun verdient, für sich und sein
Geschlecht Tribut an Rom, dreitausend Pfund
Jedwedes Jahr; seit kurzem hast du diesen
Nicht eingeliefert.
KÖNIGIN.
Und nie wird's geschehn,
Das Staunen gleich zu töten.
CLOTEN.
's gibt viel Cäsars,
Eh' solch ein Julius kommt. Britannien ist
'ne Welt für sich; und wir bezahlen nichts
Für unsre eignen Nasen.
KÖNIGIN.
Zeit und Glück,
Die ihnen günstig waren, uns zu drücken,
Stehn jetzt uns bei, zu weigern. – Denkt, mein Herrscher,
Der Kön'ge, Eurer Ahnen; und zugleich,
Wie die Natur umbollwerkt unsre Insel:
Sie steht, ein Park Neptuns, umpfählt, verzäunt
Mit unersteigbar'n Felsen, brüll'nden Fluten,
Sandbänken, die kein feindlich Fahrzeug tragen,[424]
Nein, es verschlucken bis zum Wimpel.
Wohl ward hier Cäsarn eine Art Erob'rung;
Doch ward ihm hier sein Prahlen nicht erfüllt,
Von »kam, und sah, und siegte«: nein, mit Schmach
(Der ersten, die ihn je berührte!) floh,
Zweimal geschlagen, er von unserm Strand:
Sein Schiffgezeug, arm, unbehülflich Spielwerk
Auf unsrer Schreckenssee, wie Eierschalen
Hob es die Brandung, und zerschellt' es leicht
An unsern Klippen. Freudig des Erfolgs,
Cassibelan, ruhmreich, einst Meister fast
(O ungetreues Glück!) von Cäsars Schwert,
Erleuchtete Luds Stadt mit Freudenfeuern,
Und jeder Brit' erhob sich siegesstolz.
CLOTEN. Was da! Es wird kein Tribut mehr gezahlt; unser Reich ist jetzt stärker als damals, und, wie gesagt, es gibt nicht solche Cäsars mehr; manche mögen noch krumme Nasen haben, aber so stämmige Arme hat keiner.
CYMBELINE. Sohn, laß die Mutter reden!
CLOTEN. Wir haben noch manchen unter uns, der eben so tüchtig zugreifen kann wie Cassibelan; ich will nicht sagen, daß ich einer bin, aber eine Faust hab' ich auch. – Warum Tribut? Warum sollen wir Tribut bezahlen? Wenn Cäsar uns die Sonne mit einem Laken zudecken kann, oder den Mond in die Tasche stecken, so wollen wir ihm für das Licht Tribut zahlen; sonst, Herr, kein Tribut mehr: kurz und gut!
CYMBELINE.
Erinnert Euch,
Bis Rom anmaßend den Tribut uns abzwang,
War frei dies Volk. Der Ehrgeiz dieses Cäsar
(So angeschwollen, daß er fast zersprengte
Den Bau der Welt) warf ohne Schein und Vorwand
Dies Joch auf uns; es wieder abzuschütteln,
Ziemt einem tapfern Volk, wie wir zu sein
Uns rühmen. Also sprechen wir zu Cäsar:
Mulmutius, unser Ahnherr, war's, der unser
Gesetz uns schuf (des Kraft der Degen Cäsars
Zu sehr verstümmelt hat; es herzustellen[425]
Und zu befrein durch uns verliehne Macht,
Sei unsre Tugend, wenn auch Rom drum zürnt!);
Mulmutius schuf unser Gesetz, der erste
Der Briten, der mit einer goldnen Krone
Die Stirne sich umgab, sich König nannte.
LUCIUS.
So muß ich denn mit Kummer, Cymbeline,
Verkünden öffentlich Augustus Cäsar
(Cäsar, dem Kön'ge mehr als Diener folgen,
Als Hausbediente dir) als deinen Feind:
So hör' es denn von mir: – Krieg und Zerstörung
Ruf' ich in Cäsars Namen aus; dich trifft
Sein Zorn vernichtend. – So herausgefodert,
Nimm Dank, was mich betrifft!
CYMBELINE.
Du bist willkommen, Cajus.
Dein Cäsar schlug zum Ritter mich, und unter ihm
Tat ich als Jüngling viel; er schuf mir Ehre;
Jetzt will er sie mir rauben, und ich muß
Auf Tod nun kämpfen; auch weiß ich gewiß,
Daß die Pannonier und Dalmatier wacker
Für ihre Freiheit rüsten: uns ein Vorgang,
Der, nicht erkannt, den Briten furchtsam zeigte:
So wird ihn Cäsar nimmer finden.
LUCIUS.
Die Tat entscheide!
CLOTEN. Seine Majestät heißt Euch willkommen. Tut Euch hier gütlich mit uns einen Tag, oder zwei, oder länger; wenn Ihr uns nachher auf andre Art sucht, so werdet Ihr uns in unserm Gürtel von Salzwasser finden: wenn Ihr uns heraus schlagen könnt, so ist er Euer; wenn Ihr in der Unternehmung umkommt, so finden die Krähen an Euch um so bessere Mahlzeit; und damit gut!
LUCIUS. Ja, Prinz.
CYMBELINE. Ich weiß den Willen Eures Herrn, er meinen; Für alles übrige seid mir willkommen!
Alle ab.[426]
Ausgewählte Ausgaben von
Cymbeline
|
Buchempfehlung
Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.
54 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro