[433] In der Nähe von Milford Hafen. Imogen und Pisanio treten auf.
IMOGEN.
Als wir vom Pferde stiegen, sagtest du,
Wir wären gleich zur Stelle. – Niemals sehnte
Sich meine Mutter so nach mir, als ich jetzt. –
Pisanio! Mann! Wo ist nun Posthumus?
Was ist dir im Gemüt, daß du so starrst?
Warum aus deiner innern Brust dies Ächzen?
Ein Mensch, so nur gemalt, ihn kennte jeder
Als Bildnis des Entsetzens, spräch' er nichts:
Zeig' dich in minder schrecklicher Gestalt,
Eh' Wahnwitz meinen festern Sinn bewältigt!
Was gibt es? Warum reichst du mir dies Blatt,
Mit diesem wilden Blick? Ist's Frühlingskunde,
So lächle erst: ist's winterlich, so paßt
Die Miene gut dazu. – Des Gatten Hand!
Italiens Gifthauch hat ihn angesteckt,
Er ist in schwerer Drangsal. – Sprich! Dein Mund
Mildert vielleicht den Greuel, der gelesen
Mir tödlich werden kann.
PISANIO.
Ich bitte, lest;
Dann seht Ihr, daß mich armen Mann das Schicksal
Ins tiefste Elend stürzte.
IMOGEN liest. »Deine Gebieterin, Pisanio, hat als Metze mein Bett entehrt: die Beweise davon liegen blutend in mir. Ich spreche nicht aus schwacher Voraussetzung, sondern aus einem Zeugnis, so stark wie mein Gram, und so gewiß, wie ich Rache erwarte. Diese Rolle, Pisanio, mußt du an meiner Statt spielen, wenn deine Treue nicht durch den Bruch der ihrigen befleckt ist. Mit eigner Hand nimm ihr das Leben: ich verschaffe dir Gelegenheit dazu bei Milford Hafen. Sie bekommt deshalb einen Brief von mir; wenn du dich fürchtest, sie zu töten, und mir nicht gewisse Nachricht davon gibst, so bist du der Kuppler ihrer Schmach, und im Verrat gegen mich verbunden.«
PISANIO.
Was brauch' ich noch mein Schwert zu ziehn? Der Brief[433]
Durchstach ihr schon das Herz. – Nein, 's ist Verleumdung,
Sie schneidet schärfer als das Schwert; ihr Mund
Vergiftet mehr als alles Nilgewürm:
Ihr Wort fährt auf dem Sturmwind und belügt
Jedweden Erdstrich: Kaiser, Königinnen,
Fürsten, Matronen, Jungfrau'n, ja in Grabes
Geheimnis wühlt das Natterngift Verleumdung. –
Wie ist Euch, Fürstin?
IMOGEN.
Falsch seinem Bett? Was heißt das, falsch ihm sein?
Wachend drin liegen, und an ihn nur denken?
Weinend von Stund' zu Stund'? Erliegt Natur
Dem Schlaf, auffahren mit furchtbarem Traum
Von ihm; erwachen gleich in Schreckenstränen?
Heißt das nun falsch sein seinem Bette? Heißt es?
PISANIO.
Ach, gute Fürstin!
IMOGEN.
Ich falsch! Ha, eigne Schuld nur: – Jachimo,
Als du der Unenthaltsamkeit ihn zeihtest,
Da glichst du einem Schuft; doch scheint mir jetzt
Dein Aussehn leidlich gut. – 'ne röm'sche Elster,
Die Tochter ihrer Schmink', hat ihn verführt:
Ich Ärmste bin unschmuck, ein Kleid nicht modisch;
Und weil zu reich ich bin, im Schrank zu hängen,
Muß ich zerschnitten sein: – in Stücke mit mir! – Oh!
Der Männer Schwüre sind der Frau'n Verräter!
Durch deinen Abfall, o Gemahl, gilt selbst
Der beste Schein für Bosheit; heimisch nicht
Da, wo er glänzt, nur angelegt als Köder
Für Frau'n.
PISANIO.
Oh, hört mich, teuerste Prinzessin!
IMOGEN.
Des bravsten Manns Erzählung galt für falsch
In jener Zeit, weil falsch Äneas war;
Die frommsten Tränen schmähte Sinons Weinen,
Das wahrste Elend fand Erbarmen nicht:
So wirst du, Posthumus,
Vergiften alle Männer schöner Bildung!
Edel und ritterlich scheint falsch, meineidig,
Seit deinem großen Fall. – Komm, sei du redlich,
Tu' deines Herrn Geheiß: wenn du ihn siehst,[434]
Meinen Gehorsam rühm' ein wenig! Sieh!
Ich ziehe selbst das Schwert: nimm es, und triff
Der Liebe schuldlos Wohnhaus, dieses Herz!
Nicht zage: alles wich dort, Gram nur blieb:
Dein Herr wohnt nicht mehr dort; sonst war er freilich
Sein einz'ger Schatz; tu' sein Gebot: stoß' zu! –
Du bist vielleicht bei besserm Anlaß tapfer,
Jetzt bist du feige nur.
PISANIO.
Fort, schändlich Werkzeug!
Nicht werde meine Hand durch dich verflucht!
IMOGEN.
Nun, sterben muß ich. Tut's nicht deine Hand,
So bist du nicht ein Diener deines Herrn;
Selbstmord verbeut so göttlich hehre Satzung,
Daß meine schwache Hand erbebt. Hier ist
Mein Herz: was find' ich? – Still! Nein, keine Schutzwehr. –
Gehorsam, wie die Scheide. – Was ist hier?
Die Schriften des rechtgläub'gen Leonatus
All' Ketzerei geworden? Fort mit euch,
Verfälscher meines Glaubens! Nicht mehr sollt ihr
Mein Herz umgürten! So traut falschen Lehrern
Manch armes Kind. Fühlen Betrogne auch
Den Stachel des Verrats, lebt der Verräter
Doch für noch schlimmres Weh.
Und Posthumus, der du zum Ungehorsam
Mich gegen meinen Vater hast verleitet,
Daß manch Gesuch von fürstlichen Bewerbern
Ich höhnisch abwies, – dies erkennst du einst
Als eine Tat nicht von gemeiner Art,
Nein, hoher Seltenheit; und es betrübt mich,
Zu denken, wenn du ihrer satt nun bist,
Die deine Gier jetzt nährt, wie dein Gedächtnis
Durch mich dann wird gequält sein. – Bitt' dich, schnell!
Das Lamm ermutiget den Schlächter. Wo
Hast du dein Messer? Allzu träge bist du
Des Herrn Geheiß, zumal wenn ich's begehre.
PISANIO.
Oh, gnäd'ge Frau, seit ich Befehl empfing,
Die Tat zu tun, schloß ich kein Auge mehr.
IMOGEN.
So tu's, und dann zu Bett![435]
PISANIO.
Eh' soll vor Wachen
Die Sehkraft mir erblinden!
IMOGEN.
Warum denn
Gingst du es ein? Und maßest so viel Meilen
Unnütz, mit diesem Vorwand? Kamst hieher?
Wozu dies Tun von dir und mir? Ermüdung
Der Rosse? Zeit, dir günstig? Angst am Hofe
Um meine Flucht? Wohin ich nie zurück
Zu kehren denke. Was gingst du so weit,
Und zielst jetzt nicht, da du den Stand genommen,
Auf das von dir erlesne Wild?
PISANIO.
Zeit wollt' ich
Gewinnen und dies böse Amt verlieren:
Indes ersann ich einen Plan; Prinzessin,
Hört mich geduldig!
IMOGEN.
Rede! Sprich dich müde:
Ich hört', ich sei 'ne Metze; nach dem Schlag,
Dem lügenhaften, gibt's nicht größre Wunde;
Sie traf so tief, daß ich sie nicht ergründe.
Sprich!
PISANIO.
Nun, ich dacht', Ihr ginget nicht zurück.
IMOGEN.
Natürlich, denn du brachtest mich hieher,
Um mich zu töten.
PISANIO.
Nein, gewiß, auch das nicht:
Wär' ich so klug als ehrlich, führte wohl
Zum Glück mein Vorschlag; 's kann nicht anders sein,
Mein Herr ist schändlich hintergangen worden:
Ein Schelm, ja, und ein Meister seiner Kunst,
Tat an euch beiden dies verdammte Werk.
IMOGEN.
'ne röm'sche Buhlin.
PISANIO.
Nein, bei meinem Leben!
Ich geb' ihm Nachricht, Ihr seid tot, und send' ihm
Davon ein blutig Zeichen; denn befohlen
Ward mir auch dies; am Hof vermißt man Euch,
Und dadurch scheint's gewiß.
IMOGEN.
Doch was, du Treuer,
Tu' ich indes? Wo berg' ich mich? Wie leb' ich?[436]
Und was für Trost im Leben, bin ich tot
Für meinen Mann?
PISANIO.
Wollt Ihr zurück zum Hof –
IMOGEN.
Kein Hof, kein Vater, und nicht längre Qual
Mit jenem rohen, tör'gen, stolzen Nichts,
Dem Cloten, dessen Liebeswerben furchtbar
Mir wie Belag'rung war.
PISANIO.
Wenn nicht am Hof,
So bleibt auch in Britannien nicht!
IMOGEN.
Wo denn? –
Hat nur Britannien Sonne? Tag und Nacht,
Sind sie nur hier? Im großen All der Welt
Scheint abseits nur Britanniens Nebenwerk;
Im großen Teich ein Schwanennest; auch außer
Britannien leben Menschen.
PISANIO.
Mich erfreut's,
Daß Ihr auf andre Örter denkt. Der Römer
Lucius, der Abgesandte, kommt nach Milford
Schon morgen: könnt Ihr Euren Sinn verdunkeln,
Wie Euer Glück ist, wollt Ihr das verbergen,
Was, wenn's erschiene, immer nur Gefahr
Euch bringen würde, – steht ein Pfad Euch offen,
Recht wegsam und voll Aussicht: ja, vielleicht
Führt er zu Posthumus – so nah ihm mind'stens,
Daß, wenn Ihr auch sein Tun nicht sehen könnt, doch
Der Ruf es stündlich Euerm Ohr erzählt,
Der Wahrheit treu.
IMOGEN.
Oh, nenne mir dies Mittel!
Verletzt es Sittsamkeit nur nicht zum Tode,
So wag' ich's gern.
PISANIO.
Gut denn, dies ist die Sache:
Ihr müßt die Frau vergessen, und Befehl
In Dienst verwandeln; Scheu und Zierlichkeit
(Der Frau'n Begleiterinnen, ja, vielmehr
Der Frauen zartes Selbst) in kecken Mut;
Gewandt im Spotten, trotzig, schnell von Zunge,
Und zänkisch wie das Wiesel: ja, Ihr müßt
Vergessen diese Kleinod' Eurer Wangen,[437]
Und sie (o hartes Herz! Doch muß es sein)
Der gierigen Berührung Titans bieten,
Der alles küßt; vergessen Eure schmucken,
Mühsam geflochtnen Locken, die den Neid
Der großen Juno wecken.
IMOGEN.
Nun, sei kurz:
Ich merke deinen Zweck, und bin fast schon
Zum Mann geworden.
PISANIO.
Schafft Euch erst den Schein!
Dies vorbedenkend, hab' ich schon bereit
In meinem Mantelsack Wams, Hose, Hut
Und allen Zubehör: so ausgestattet,
Und im erborgten Anstand eines Jünglings
So zarten Alters, stellt dem edlen Lucius
Euch vor, daß er in Dienst Euch nehme; sagt ihm,
Worin Ihr seid geschickt: das merkt er bald,
Wenn für Musik er Sinn hat; ohne Zweifel
Nimmt er Euch gern. Er ist ein Mann von Ehre,
Und, was noch mehr ist, fromm. Auswärts zu leben,
Gebraucht, was mein ist, und es fehlt Euch nicht
Für jetzt und künftig.
IMOGEN.
Du bist aller Trost,
Den mir die Götter gönnen. Bitte, fort:
Noch mehr ist zu bedenken; schlichten wir's,
Wie's uns die Zeit erlaubt: dem Unternehmen
Werb' ich mich an, und will es auch bestehn
Mit Fürstenmut. Ich bitte dich, hinweg!
PISANIO.
Prinzessin, laßt uns kurzen Abschied nehmen,
Damit, werd' ich vermißt, man Eure Flucht
Vom Hof mir nicht zur Last legt. Edle Fürstin,
Dies Fläschchen nehmt, mir gab's die Königin;
Was drin, ist kostbar; seid Ihr krank zur See,
Wohl auch zu Lande schwach, ein wenig hievon
Vertreibt die Übelkeit. – Geht dort ins Dickicht,
Und schafft Euch um zum Mann! Die Götter leiten
Zum besten alles!
IMOGEN.
Amen! Habe Dank!
Sie gehn ab.[438]
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