[392] Rom, in Philarios Hause.
Es treten auf Philario, Jachimo, ein Franzose, ein Holländer und ein Spanier.
JACHIMO. Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch dem Namen nach zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte.
PHILARIO. Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen.
FRANZOSE. Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten.
JACHIMO. Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat (wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß), ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist.[392]
FRANZOSE. Und dann seine Verbannung: –
JACHIMO. Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein Maß; geschähe es auch nur, um der Prinzessin Urteilmehr zu befestigen, welches außerdem ein schwaches Geschütz niederschmettern würde, wenn sie einen Bettler genommen hätte, den nicht die höchsten Gaben schmückten. Aber wie kommt es, daß er bei Euch wohnen wird? Woher schreibt sich diese Bekanntschaft?
PHILARIO. Sein Vater und ich waren Kriegskameraden, und ich hatte diesem oft nichts Geringeres als mein Leben zu danken.
Posthumus tritt auf.
Hier kommt der Brite: laßt seine Aufnahme unter euch so sein, wie sie Männern von eurem Verstand gegen einen Fremden von seinen Verdiensten ziemt! – Ich bitte euch alle, macht euch näher mit diesem Herrn bekannt, den ich euch als meinen edlen Freund empfehle: seine Vortrefflichkeit möge sich in Zukunft lieber selbst kund geben, als von mir vor seinem Ohr gepriesen werden.
FRANZOSE. Herr, wir kannten uns in Orleans.
POSTHUMUS. Seitdem war ich Euer Schuldner für Artigkeiten, an denen ich stets abzuzahlen haben und doch in Eurer Schuld bleiben werde.
FRANZOSE. Herr, Ihr überschätzt meine geringen Freundschaftsdienste: es war mir lieb, daß ich Euch und meinen Landsmann versöhnen konnte; es wäre schade gewesen, wäret Ihr mit so tödlichen Vorsätzen zusammen gekommen, wie ihr sie damals beide hattet, und wegen einer Sache von so leichter, unbedeutender Art.
POSTHUMUS. Verzeiht mir, ich war damals ein junger Reisender; etwas störrisch, dem, was ich hörte, beizustimmen, und wenig geneigt, mich in jeglicher Handlung durch die Erfahrung anderer leiten zu lassen; aber auch nach meinem reiferen Urteil (wenn ich nicht prahle, es reifer zu nennen) war mein Zwist von damals doch nicht so ganz unbedeutend.
FRANZOSE. Wahrhaftig doch zu unbedeutend, um der Entscheidung der Waffen unterworfen zu werden; und von zwei[393] solchen Männern, wo, höchst wahrscheinlich, einer vom andern vernichtet oder beide gefallen wären.
JACHIMO. Darf man, ohne Unbescheidenheit, fragen, was der Streit war?
FRANZOSE. Warum nicht? Es wurde öffentlich verhandelt, und mag drum ohne Anstoß wieder erzählt werden. Es betraf einen Punkt, dem ähnlich, über den wir gestern abend stritten, wo jeder von uns sich im Lob der Damen seines Landes ergoß; dieser Herr beteuerte damals (und zwar auf die Gewähr, es mit seinem Blute zu beweisen), die seinige sei schöner, tugendhafter, weiser, keuscher, standhafter und unverführbarer als irgendeine unsrer auserlesensten Damen in Frankreich.
JACHIMO. Diese Dame lebt nicht mehr; oder der Glaube dieses Herrn ist, was den Punkt betrifft, schwächer geworden.
POSTHUMUS. Sie behauptet noch ihre Tugend, und ich meine Meinung.
JACHIMO. Ihr dürft sie nicht so sehr über unsere Italienerinnen erheben.
POSTHUMUS. Wenn ich so gereizt würde, wie damals in Frankreich, so würde ich sie ebenso wenig beeinträchtigen lassen; obwohl ich mich ihren Anbeter nenne, nicht ihren Geliebten.
JACHIMO. Ebenso schön als gut (fast eine zu verschwisterte Vergleichung), wäre etwas zu schön und zu gut für irgendeine Dame in Britannien gewesen. Wenn sie andre, die ich gekannt habe, so sehr übertrifft, wie dieser Euer Diamant manchen, den ich sah, übertrahlt, so muß ich wohl glauben, daß sie unter vielen die vorzüglichste ist; doch unter allen Kleinodien, die es gibt, sah ich wohl nicht das köstlichste, noch Ihr die edelste unter den Weibern.
POSTHUMUS. Ich pries sie, wie ich sie schätze: und so auch meinen Stein.
JACHIMO. Wie hoch haltet Ihr ihn?
POSTHUMUS. Höher als alles, dessen die Welt sich rühmt.
JACHIMO. Entweder ist Eure unvergleichliche Geliebte tot, oder sie wird von einer Kleinigkeit überboten.
POSTHUMUS. Ihr seid im Irrtum; das eine mag verkauft oder[394] verschenkt werden, wenn Reichtum genug für die Zahlung, oder Verdienst genug für die Gabe da wäre; das andere ist nicht feil, und nur einzig Gabe der Götter.
JACHIMO. Welche die Götter Euch verliehen haben?
POSTHUMUS. Welche, durch ihre Gnade, mein bleiben wird.
JACHIMO. Ihr mögt sie, dem Namen nach, als die Eurige haben; aber Ihr wißt, fremde Vögel lassen sich auf den Teich des Nachbars nieder. Euer Ring kann Euch ebenfalls gestohlen werden: so ist von Euren beiden unschätzbaren Gütern das eine nur schwach, und das andere zufällig; ein listiger Dieb oder ein in dem Punkt vollendeter Hofmann würden es unternehmen, Euch das eine oder das andere abzugewinnen.
POSTHUMUS. Euer Italien besitzt keinen so vollendeten Höfling, daß er die Ehre meiner Geliebten in Gefahr bringen könnte; wenn Ihr sie im Bewahren oder Verlust derselben schwach nennen wollt. Ich zweifle nicht im mindesten, daß Ihr einen Überfluß von Dieben habt, demungeachtet fürchte ich nichts für meinen Ring.
PHILARIO. Laßt uns hier abbrechen, meine Freunde!
POSTHUMUS. Von Herzen gern. Dieser würdige Signor, ich danke ihm dafür, behandelt mich nicht als Fremden; wir sind gleich bei erster Bekanntschaft Vertraute.
JACHIMO. Mit fünfmal so viel Gespräch würde ich mir bei Eurer schönen Gebieterin Bahn machen, sie rückwärts treiben, ja, zum Wanken bringen, hätte ich Zutritt und Gelegenheit zu Freunden.
POSTHUMUS. Nein, nein.
JACHIMO. Ich wage es, darauf die Hälfte meines Vermögens gegen Euren Ring zu verpfänden, die, nach meiner Schätzung, noch etwas mehr wert ist; aber ich unternehme meine Wette vielmehr gegen Eure Zuversicht, als ihre Ehre: und, um hierin auch jede Beleidigung Eurer auszuschließen, ich wage den Versuch gegen jede Dame in der Welt.
POSTHUMUS. Ihr seid außerordentlich getäuscht in dieser zu dreisten Überzeugung, und ich zweifle nicht, Euch wird das, was Ihr durch solcherlei Versuch verdient.
JACHIMO. Und das wäre?[395]
POSTHUMUS. Eine Abweisung; obwohl Euer Versuch, wie Ihr es nennt, mehr verdient: Züchtigung auch.
PHILARIO. Ihr Herrn, genug davon: das kam zu plötzlich; laßt es sterben, wie es geboren ward, und – ich bitte – lernt euch besser kennen!
JACHIMO. Ich wollte, ich hätte mein und meines Nachbars Vermögen auf die Beweisführung dessen gesetzt, was ich behauptete.
POSTHUMUS. Welche Dame wähltet Ihr zu Eurem Angriff?
JACHIMO. Die Eure, deren Festigkeit Ihr für so unerschütterlich haltet. Ich setze zehntausend Dukaten gegen Euren Ring, mit dem Beding, Ihr empfehlt mich an den Hof, wo Eure Dame lebt, ohne mehr Begünstigung, als die Gelegenheit eines zweiten Gesprächs, und ich bringe von dort diese ihre Ehre mit, die Ihr so sicher bewahrt glaubt.
POSTHUMUS. Ich will Gold wetten gegen Euer Gold: meinen Ring achte ich so teuer als meinen Finger; er ist ein Teil von ihm.
JACHIMO. Ihr seid der Geliebte, und deshalb um so vorsichtiger. Wenn Ihr Frauenfleisch auch das Quentchen für eine Million kauft, so könnt Ihr es doch nicht vor Ansteckung bewahren; aber ich sehe, es ist etwas Religion in Euch, daß Ihrfurcht sam seid.
POSTHUMUS. Dies ist nur eine Gewohnheit Eurer Zunge; Euer Vorsatz ist, hoffe ich, ehrbarer.
JACHIMO. Ich bin Herr und Meister meiner Reden, und würde unternehmen, was ich sprach, das beschwör' ich.
POSTHUMUS. Würdet Ihr? – Ich werde Euch meinen Diamant bis zu Eurer Rückkehr nur leihen – mag ein Vertrag zwischen uns aufgesetzt werden. Meine Geliebte übertrifft in Tugend die Unermeßlichkeit Eurer unwürdigen Denkart. Ich fodre Euch zu dieser Wette auf: hier ist mein Ring.
PHILARIO. Es soll keine Wette sein.
JACHIMO. Bei den Göttern, sie ist es; – wenn ich Euch nicht hinlängliche Beweise bringe, daß ich das teuerste Kleinod Eurer Geliebten genoß, so sind meine zehntausend Dukaten Euer, und Euer Diamant dazu. Wenn ich abgewiesen werde, und sie die Ehre bewahrt, auf welche Ihr so fest vertraut,[396] so ist sie, Euer Juwel, dies Euer Juwel und mein Gold Euer, – doch, wie bedungen, ich habe Eure Empfehlung, um ungehinderten Zutritt zu bekommen.
POSTHUMUS. Ich nehme diese Bedingungen an; laßt die Artikel unter uns aufsetzen: – und nur insofern sollt Ihr verantwortlich sein. Wenn Ihr Eure Unternehmung gegen sie richtet, und mir deutlich zu erkennen gebt, daß Ihr gesiegt habt, so bin ich nicht ferner Euer Feind, sie war unsers Streites nicht wert; wenn sie aber unverführt bleibt, und Ihr das Gegenteil nicht beweisen könnt, so sollt Ihr wegen Eurer schlechten Gesinnung und für den Angriff auf ihre Keuschheit mir mit dem Schwerte Rede stehen.
JACHIMO. Eure Hand, es gilt! Wir wollen diesen Vertrag gerichtlich festsetzen, dann fort nach Britannien, daß diese Unternehmung sich nicht erkälte und absterbe! Ich will mein Gold holen, und unsre gegenseitige Wette niederschreiben lassen.
POSTHUMUS. Einverstanden!
Posthumus und Jachimo gehn ab.
FRANZOSE. Glaubt Ihr, daß dies durchgehn wird?
PHILARIO. Signor Jachimo wird nicht davon abstehen. Kommt, laßt uns ihnen folgen!
Alle ab.
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